Im November wird der Klever Tiergarten 65 Jahre alt. Tiergartenchef Martin Polotzek sagt: „Gefeiert haben wir schon im Frühjahr mit den China Lights.“ Was den Geburtstag angeht, gäbe es übrigens verschiedene Theorien …
NN: Ist ja schon verrückt, dass wir uns über 65 Jahre Tiergarten unterhalten. Du bist ja – flapsig gesprochen – nicht unbedingt Gründungsmitglied. Anders gefragt: Wie alt bist du?
Martin Polotzek: Ich werde am kommenden Mittwoch ( 25. September. Anm.d. Red.) 30. Ich bin also nicht einmal halb so alt wie der Tiergarten.
NN: Was weißt du über die Geschichte des Tiergartens? Hast du dich vor deiner Bewerbung schlau gemacht?
Polotzek: Natürlich schaut man sich die Hintergründe an. Was ich am Klever Tiergarten sehr faszinierend finde, ist, dass die Anfänge zurückreichen bis ins 17. Jahrhundert. Johann Moritz von Nassau Siegen hat seinerzeit hier ein Jagdgatter errichtet. Damals war das üblich – vorausgesetzt, man verfügte über die entsprechenden Mittel.
NN: Ein Jagdgatter?
Polotzek: Da wurden Wildtiere gehalten, damit man sie dann jagen konnte.
NN: Nicht die feine Art.
Polotzek: Wohl wahr. Aber zurück zur Geschichte. Ich habe mit dem Vorsitzenden unseres Vereins [Josef Kander, Anm. d. Red.] ein Gespräch geführt. Der Josef meinte dann: „Martin, sind wir denn nicht der älteste Zoo der Welt?“ Leider nicht. Es gab hier eine rund zweihundertjährige Unterbrechung der Tierhaltung. Das war zwar auch nicht immer alles an der gleichen Stelle, aber in der Tat reichen die ersten Anfänge zurück bis ins 17. Jahrhundert. Für mich ist das immer wieder beeindruckend.
NN: Machen wir also einen Zeitsprung. Wie ging es weiter?
Polotzek: Die Anfänge des Tiergartens wie wir ihn heute kennen, datieren aus den 50-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals zog ein privater Förster mutterlose Frischlinge auf. Das wurde zunehmend professionalisiert und am 1. November 1959 wurde dann beschlossen, einen Verein zu gründen. Und das ist also der Geburtstag.
NN: Nach dem, was du erzählt hast, gäbe es also auch die Möglichkeit, das Ganze weiter zurück zu datieren.
Polotzek: Genau. Man könnte es weiter zurück datieren. Es stand immer mal die Frage im Raum: „Welches Datum nehmen wir?“ Anfangs fand ich das ziemlich unübersichtlich. Liegt das Geburtsdatum also im 17. Jahrhundert? Wovon gehen wir aus? Nehmen wir die frühen 50-er, als es mit den Frischlingen losging? Mein Vorgänger, Dietmar Cornelißen, sagte mir dann: „Wir haben uns irgendwann mal auf den 1. November 1959 verständigt. Da hat die Gründungsversammlung stattgefunden.“
NN: Weißt du, wie viele Gründungsmitglieder es damals gab?
Polotzek: Da muss ich leider passen. Aber es gibt eine Chronik. Geschrieben hat sie meines Wissens Peter Will, ein Sohn des Gründers und 1. Vorsitzenden Dr. Heinz. Peter Will übernahm der Ende der 70-er Jahre den Vorsitz von seinem Vater..
NN: Wie stelle ich mir den Tiergarten damals vor?
Polotzek: Ein großer Unterschied zu heute: Damals war die Fläche nicht umzäunt und es war auch nicht exakt die Fläche, über die wir heute verfügen. Es gab dann auch noch Flamingos bei den Teichanlagen im Forstgarten. Die Fläche, wie wir sie heute kennen, war nicht immer so festgelegt. Es hat auch relativ lange gedauert, bis der Tiergarten eingezäunt und zum ersten Mal Eintritt erhoben wurde. Es hat auch lange gedauert, bis der erste Mitarbeiter fest angestellt wurde. Anfangs wurde der Tiergarten ausschließlich von Ehrenamtlichen geführt. Das hat tatsächlich über zehn Jahre gedauert. Wenn man sich überlegt, dass der Verein 1959 gegründet wurde, in den 60-er Jahren schon die Braunbären kamen und 1971 die Robbenanlage gebaut wurde, dann ist das schon einigermaßen rasant und unvorstellbar für die heutige Zeit.
NN: Ist die Chronik, die du erwähnst, für die Öffentlichkeit zugänglich?
Polotzek: Meines Wissens gibt es einige Exemplare im Umlauf, aber ich kann im Moment nicht sagen, ob die Chronik irgendwo in einer Online-Bibliothek vorhanden ist.
NN: Das wäre doch eigentlich ein tolles Geburtstagsgeschenk des Tiergartens an die Fans und Besucher.
Polotzek: Da gebe ich dir Recht. Ich denke, man muss aber vorher klären, bei wem die Rechte liegen. Spannend wäre das in jedem Fall. Übrigens: Als ich hier angefangen habe, war – neben den Tierbestandslisten – das Erste, was ich mitgenommen habe, die Chronik. Es ist absolut spannend, wenn man erfährt, welche Tiere hier gehalten wurden und wie sich die Institution Tiergarten im Lauf der Jahrzehnte entwickelt und verändert hat. Dass hier in Kleve zwei Braunbären gehalten wurden, hat die Presse damals hoch gelobt. Heute wäre es unvorstellbar, in einer solchen Anlage Braunbären zu halten …
NN: … und die Robben …
Polotzek: … angefangen hat das Ganze mit zwei kalifornischen Seelöwenbullen. Da steckt viel Geschichte dahinter. Hier im Tiergarten wurden über 50 Jahre hinweg Robben gehalten. Und wenn du dann als neuer Chef die Entscheidung mittragen muss, die Robbenhaltung zu beenden, dann greifst du in die Geschichte ein. Die positive Seite des Chefseins ist gleichzeitig das Privileg, die Zukunft einer Institution gestalten zu dürfen.
NN: Die Frage ist ja: Gibt es noch Zeitzeugen?
Polotzek: Ich hatte öfters schon Besucher, die mir erzählt haben, dass sie am Bau der Robbenanlage beteiligt waren. Einer war dabei, der mir erzählte, dass sie an den Wochenenden die Robbenanlage gebaut haben.
NN: Wird es eigentlich eine Geburtstagsparty geben?
Polotzek: Das ist nicht geplant. Wir hatten ja die China Lights. Das war quasi die vorgezogene Geburtstagsparty für unseren Tiergarten. Wir hatten immer geplant, im Jubiläumsjahr etwas Besonderes zu machen, und das waren dann eben die China Lights.