Wenn man mit Stefan Reichmann über das Haldern Pop spricht, kommt auch Musik vor. Auch. Längst ist klar: Ein Festival ist mehr als Musik. Ein Line-Up ist die Antwort am Ende vieler Fragen. Eine davon: Was ist Erfolg? Klar ist sofort: Vielleicht kann es eine Antwort geben, aber sie kann nicht Rezept sein – es gäbe sonst kein Scheitern mehr.
Sehnsucht nach dem Bekannten
Noch eine Frage ist zu stellen: Warum ist es für die kleinen Festivals so schwer geworden? Die Zeiten sind unsicher. Jeder Tag serviert ein Menü aus Fragezeichen – geliefert frei Haus. Das Ergebnis: „Die Menschen sehnen sich nach dem Bekannten. Nach der Sicherheit.“ Sagt Stefan Reichmann.
Das Bekannte stellt keine Fragen
Man versucht sich an einer Übersetzung: Vielleicht ist Erfolg das Feiern des Erwartbaren. Das Bekannte stellt keine Fragen. Aber das Erwartbare hat oft etwas von einer örtlichen Betäubung. „Haldern ist immer auch ein Konzept hinter der Musik gewesen“, sagt Stefan Reichmann. Er sagt das nicht erst, seit der Vorverkauf des Festivals nicht am ersten Tag mit dem Ausverkauf der Tickets endet. Was ist die Lösung? Eine gigantische Musikparty vielleicht? Die einen sagen so – die anderen so.
Neu macht Arbeit
Ein bisschen fühlt man sich an die Zeit erinnert, als man Schüler in Musik unterrichtete. Jedes neue Stück begann mit Widerstand. Neu = Arbeit. Der erste Reflex: „Können wir nicht einfach das Alte wiederholen?“ Am Ende wurde das neue Stück zum alten Stück. Unsicherheit zur Sicherheit. Neues zu Erwartbarem. Ein sich wiederholender Vorgang. Vergnügen – wie Reichmann es versteht – hat immer auch mit Anstrengung zu tun: mit dem Experiment, sich auf Neues einzulassen.
Anderswo ist nicht nur ein Ort. Es ist eine Haltung.
Tradition
Anderswo ist Offenheit. Und manchmal ist anderswo sogar im eigenen Kopf. Wenn es eine Tradition gibt beim Haldern Pop, dann ist es der Wechsel des Beständigen. Das Beständige: die Bühne. Gemeint ist der Platz der Kommunikation. Der Wechsel liegt im Bühnenpersonal. Wunderbares ist nicht beständig. Die Geschichte des Pop zeigt das.
Unerwartbarkeiten
Haldern zieht einen Teil der Faszination aus dem Unerwartbaren. Am Ende – so viel steht fest – ist die Mischung entscheidend. Stefan Reichmann: „Wir haben auch in diesem Jahr ein gigantisches Programm. Momentan geht es darum, wer am Samstag ab 20 Uhr auf der Hauptbühne spielen wird.“
Setzt man auf das Erwartbare, oder ist der finale Abend auf der Hauptbühne eine Art Wechsel auf das Morgen – ein Scheinwerfer, ein Lichtkegel, der die mögliche Zukunft ausleuchtet?
Erfolg definieren?
Der Vorverkauf läuft. Ja – Haldern Pop ist noch nicht ausverkauft. Zurück zum Anfang: „Am Ende“, sagt Stefan Reichman, „geht es doch darum, wie du Erfolg definierst.“ Eine Schutzschildbehauptung? Nein. Es hat etwas mit Überzeugung zu tun.
Gerade ist der neue Trailer zum Festival erschienen: Kleines Kino – großer Untergang. Ein Betttuch – aufgespannt irgendwo im Grünen. Darauf die Projektion eines Bandauftritts aus dem Jahr 2009. Ein Rückblick auf das Zukünftige.
Kleines Kino, großer Untergang
Auch das ist Haldern Pop. Kleines Kino? Ganz im Gegenteil. Und wo ist der große Untergang? Setzen die Festivalmacher etwa zur Selbstbeerdigung an? Bangemachen zählt nicht. Gemeint ist die Sonne. Sie liefert den großen Untergang fürs kleine Kino. Aufgeben, denkt man, ist für die anderen. Und dann ist da doch die Angst, es könnte dem Haldern Pop etwas zustoßen. „Viele kleine Festivals haben aufgegeben“, sagt Stefan Reichmann. Er ist der Mitnehmer geblieben. „Es bringt nichts, Leute auszuklammern, die anderer Meinung sind.“ Es geht um Kommunikation.
Von 8 Millimeter bis Cinemascope
Auch Töne kommunizieren. Kleines Kino – großer Untergang. Haldern Pop als Wetterleuchten. Die Faszination der Kleinigkeit. Beim Haldern Pop gibt es die kleinen Kinos und den großen Saal: die Hauptbühne. In Haldern wird in der Kirche gespielt, in der Pop Bar, im Tonstudio – irgendwie reicht das Spektrum von 8 Millimeter bis Cinemascope. Untergang ist für die anderen. Die Frage nach dem Erfolg ist mehr denn je an die Frage nach der Haltung gekoppelt. Geht das Eine ohne das Andere? Geht es um den Mut zur Neuigkeit oder das Bad im Altgewohnten? Ein gutes Festival bietet mehr als das Entwederoder. Alles braucht seinen Platz Anderswo ist nicht weit von uns …