Schreibkraft
Heiner Frost

Love is in the air

Robert Indiana: The New Zero, 1972. Foto: Rüdiger Dehnen

Natürlich ist man Junkie. Gute Kunst macht atemlos. Es ist nie genug. Es gibt nie genug …
Im Museum Kurhaus Kleve zeigen sie, was so alles da ist: ‚Original & Kontext – Die Sammlung analog und digital.‘ Um das mal gleich loszuwerden: Es ist eine fulminante Schau – fast schon könnte man von einer Show sprechen: von einem Show-Down und wenn‘s katholisch zuginge, täte man schreiben: urbi et orbi – der Stadt und dem Erdkreis. Wäre man im Barock, man sandte Männer aus: mit Fanfaren und beritten. Haltstopp. Die Pferde gehen durch.


Wer sich “Original & Kontext“ anschaut, erlebt einen Urknall und erfährt, wie alles mit jedem zu verbinden ist und dass es zu allem, was zu sehen ist, Geschichte(n) gibt. Das Gute: Die Erklärungen drängen sich nicht auf. Sie sind zu QR-Codes geworden: Man scannt sie ein und wird informiert. Oder aber: Man streunt durch die Hallen und lässt sich berauschen: vom Alten, vom Neuen, vom Jetzt.

Alex Katz: Oona’s back. Foto: Rüdiger Dehnen

Man kann den Rausch auch herunterkühlen. Dann liest man den „Programmhefttext“ und gleitet in Sachlichkeit: „Die Tätigkeitsfelder des Sammelns, Bewahrens, Erforschens und Vermittelns sowie des raumbezogenen Ausstellens der Bestände zählen seit jeher zu den zentralen Aufgaben eines Kunstmuseums.“ Om. Tief durchatmen. Andererseits: So is et.
Zurück in die museale Wirklichkeit. Zurück ins sprachliche Unterholz: Die Schau ist ein Hammer – ein 360-Grad-Ritt durch das, was möglich ist. Drei Kuratoren – Susanne Figner, Valentina Vlasic und Harald Kunde – inszenieren Haus und Sammlung (zeige, was du hast) und müsste man‘s zusammenfassen, man stellte sich vor Robert Indianas monumentalen Wandteppich: German Love steht da, getränkt in ‚Bundesfarben‘. „Love is in the Air“, (alles hier ist hingabegetränkt) denkt man und besteigt das Zeitenkarussell: 1489 – Bildnis des Grafen Adolf von Kleve quasi unterm Dach juchhé. Dann rollen sich Epochen ab. Wiedersehen mit Freunden: Fritz Getlinger (der Stadt), Alex Katz (dem Erdkreis).

Robert Indiana: German Love. Foto: Rüdiger Dehnen

Nichts wirkt gekünstelt. Alles ist Kunst. Da finden sich Getlinger-Portraits von Künstlern – daneben deren Werke: Ein geschlossener Kreislauf – bestens durchblutet. Alles ist von gleichgeordneter Wichtigkeit: urbi et orbi.
Da finden sich barocke Szenen und man lernt, wie die Wohlhabenden sich einschlichen: Vatermutterkinder werden flugs zu biblischen Szenenbevölkerern. Gestern. Man triftt sich – tiefer unten mit Ettore Spaletti (unglaublich schön), Ulrich Erben, Andy Warhol oder Jan Andriesse, dessen annähernd neun Meter langes „Farbspektrum des Tageslichts“ Auge in Auge mit Alex Katz‘ gehängt ist. Heute. Man findet Bücher, Skulpturen, Plastiken, Keramiken (ein Teufel spielt Laute) und ist hingerissen.
„Original & Kontext“ ist – jetzt muss der Ohrwurm eingepflanzt werden – atemlos.
Bekanntes und weniger Bekanntes ergänzen sich, befeuern sich, addieren sich zum Großenganzen und ganz großen Wurf. Wer sich hier nicht findet, denkt man, dem ist womöglich nicht mehr zu helfen. „Original & Kontext“ ist bis 27. Februar zu sehen.

Wer mehr über das Werk „The New Zero“ erfahren möchte, scannt den QR-Code. (Das gleiche gilt für sämtliche Exponate in der Ausstellung.