Schreibkraft
Heiner Frost

ÜberLeben und ÜberBleiben

Foto: Rüdiger Dehnen

„Ich heiße Reza Khosmanesh und bin 37 Jahre alt. Ich bin seit zehn Jahren verheiratet, meine Frau heißt Samaneh Roshanei. Unser größter Stolz ist unser achtjähriger Sohn, der jetzt gerade im zweiten Schuljahr ist. Ich bin von Beruf Elektriker. Im Iran hatte ich ein ausreichendes Einkommen. Zusammen mit meiner Familie habe ich mein Land verlassen. Das hatte mit unserem Glauben zu tun und damit, dass wir uns nicht länger verstecken wollten. 2017 bin ich mit meiner Familie nach Deutschland gekommen, 2018 konnten wir uns endlich taufen lassen.“

So schreibt Reza Khosmanesh über sein Leben. Er schreibt in einer Sprache, die noch vor zwei Jahren eine Fremd-Sprache für ihn war. „Anfangs hatten wir hier viele Probleme. Das hatte mit der Kultur und mit der Sprache zu tun. Es war auch sehr schwer für uns, vom Rest unserer Familie getrennt zu sein.“ Ein Visum haben Reza, seine Frau und der Sohn noch nicht bekommen, „aber das ist für uns noch nicht das Ende der Welt“.

Werkstatt

Besuch in der Fahrradwerkstatt des Ausländerinitiativkreises Bedburg-Hau (AIK) auf dem Gelände der LVR Klinik. Reza ist immer mittwochs hier – nachmittags zwischen 14.30 und 16.30 Uhr. Er kommt dazu aus Kalkar. Kein Akt, denkt man. Von wegen. „Ich muss in Kalkar den Bus nehmen und fahre dann erst mal zum Klever Bahnhof. Von da aus nehme ich dann den Zug nach Bedburg-Hau. Vom Bahnhof sind es dann zwei Minuten zu Fuß.“ Gesamtfahrzeit für die einfach Strecke: 45 bis 65 Minuten. Reza macht das gern. „Als ich neun Jahre alt war, hat mein Vater mir beigebracht, wie man ein Fahrrad repariert.“ Der gelernte Elektriker kümmert sich jetzt zwei mal pro Woche um Fietsen: montags in Kalkar, mittwochs in Bedburg-Hau.

Reza und Ron

Dort arbeitet er mit Ron Nijhuis zusammen. Ron ist Rentner und war auch mal Elektriker. Die beiden passen also gut zusammen.
„Der Reza ist schwer in Ordnung“, sagt Ron. Er sagt auch: „Viele von denen, die schlecht über Flüchtlinge reden, haben wahrscheinlich nie einen kennengelernt.“ Da könnte was dran sein, denkt man.

Ein Dankeschön

Die Arbeit in der Fahrradwerkstatt ist ehrenamtlich. Reza versteht sein Engagement als Dankeschön an das Land, das ihn aufgenommen hat. Nein, einen deutschen Pass hat er noch nicht, aber er möchte gern einen. Die erste Anhörung „war negativ“, sagt er, und: „Jesus hat uns vor einem politischen Regime gerettet. Ich bin sicher, dass er uns auch weiterhin hilft.“
Kürzlich hat sich Reza bei einem Betrieb in Kevelaer vorgestellt: Personalgespräch. „Die wollen sich melden.“ Es geht um Fotovoltaik. Und in Kürze fangen er und seine Frau in einem Imbiss an. Für einen Monat. Und die Werkstatt? „Das werde ich weitermachen. Ich habe das schon mit meinem Chef besprochen.“ Rezas Frau hat eine elfjährige Erfahrung als Kindergartenbetreuerin. Jetzt arbeitet sie (freiwillig) als Betreuerin für Flüchtlingskinder. Reza ist einer, dem man seine Zuversicht anmerkt. Und seine Dankbarkeit. „Es gibt hier ganz viele Menschen, denen wir viel zu verdanken haben“, sagt er und man spürt: Das ist kein hohler Satz – nichts, dass einer nur so dahin sagt.

Glaube als Motiv

Warum ist Reza mit seiner Familie aus dem Iran geflohen? Die Geschichte ähnelt anderen Geschichten, die schon erzählt wurden: „Ich bin als Moslem groß geworden. Dann wollte ich Christ werden. Das ist im Iran eine Art Todesurteil. Wenn du als Christ im Iran lebst und immer Christ warst, ist das kein Problem, aber als Moslem kannst du nicht einfach deinen Glauben ablegen.“ Reza und seine Frau haben sich erst in Deutschland taufen lassen.
Eine freie Entscheidung

Und was ist mit Soheyl, dem achtjährigen Sohn? „Der ist noch nicht getauft. Wir möchten, dass er sich, wenn er alt genug ist, frei entscheiden kann, in welchem Glauben er leben will.“ Wenn Reza seine Frau sonntags in die Evangelische Kirche in Kalkar gehen, ist Soheyl allerdings dabei. Rezas Traum: Die Familie wiedersehen. „Aber in den Iran können wir nicht zurück. Wir müssten uns woanders treffen. Die Familie fehlt uns.“

Foto: HF