Schreibkraft
Heiner Frost

Ein gespaltenes Land

Logo: Wolfgang Stenmans

Mythily Chandramohan ist 40 Jahre alt. Sie stammt aus Sri Lanka. Seit 2011 ist sie in Deutschland – zusammen mit ihren beiden Kindern Shajuran (15) und Shanuja (14).

Die Vorhut der Familie

Chandramohan ist Mythilys Mann. Er war gewissermaßen die Vorhut der Familie. „Mein Mann ist 1994 zum ersten Mal nach Deutschland gekommen“, erzählt Mythily. „Damals ist er bis zum Jahr 2000 geblieben. Dann kam er zurück. 2003 haben wir geheiratet, dann kamen die Kinder und 2009 ist Ratnasingam wieder nach Deutschland gegangen. Wir sind in Sri Lanka geblieben.“ Zwei Jahre lebten Mythily und die Kinder bei den Eltern. Für Mythily eine Zeit ohne Mann, für die Kinder eine Zeit ohne Vater. „Das war nicht schön.“
Warum verlässt jemand sein Land? Immer wieder ist da diese Frage. „Es hat mit der Politik zu tun. Wir haben uns nicht sicher gefühlt“, sagt Mythily. „Sie haben bestimmt mitbekommen, was im April passiert ist. Da gab es wieder Anschläge in unserem Land.“
[Im April kamen in Sri Lanka mindestens 359 Menschen bei einer Anschlagsserie ums Leben. Die Terrormiliz IS hat die Tat für sich reklamiert. Laut Tagesschau.de ist Sri Lanka „ein gespaltenes Land mit brüchigem Frieden“. 70 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten, zwölf Prozent Hindus, zehn Prozent Muslime und sieben Prozent Christen. Zwischen 1983 und 2009 herrschte offener Bürgerkrieg in Sri Lanka zwischen tamilischen Separatisten und der von Singhalesen dominierten Zentralregierung, der zahlreiche Todesopfer, vor allem aus der Zivilbevölkerung forderte. Die Menschenrechtsverbrechen des Bürgerkrieges sind bis heute nicht unabhängig aufgearbeitet. Anm. d. Red.]

Unser Land

‚Unser Land‘ sagt Mythily, wenn sie von der Heimat spricht. Bezogen auf die Papiere ist für die Kinder und den Vater Deutschland ‚unser Land‘. Die drei sind eingebürgert. Mythily möchte das noch nicht. Vielleicht geht es ja irgendwann zurück nach Sri Lanka. „Das wird allerdings, wenn überhaupt, erst passieren, wenn die Kinder die Schule und das Studium oder die Ausbildung beendet haben.“
Beide Kinder gehen aufs Gymnasium. „Es ist wichtig, dass sie eine gute Ausbildung bekommen“, sagt Mythily. Der „Große“ ist neben der Schule auch beim Judo „unterwegs“. Bei den Westdeutschen Einzelmeisterschaften in Dormagen (Gewichtsklasse unter 60 Kilogramm) erreichte Sharuyan den 3. Platz und kam mit einer Bronzemedaille im Gepäck nach Hause. „Mein Sohn geht drei Mal in der Woche zum Training in Kleve und fährt zusätzlich einmal in der Woche nach Holland, um dort zu trainieren. Er möchte es noch weiter nach oben schaffen.“
Mythily arbeitet mittlerweile als Reinigungskraft bei der Hochschule Rhein-Waal. „Das ist ein Minijob“, erklärt sie. Dienstbeginn: Morgens um 5 Uhr. „Ich arbeite mit Frauen aus ganz verschiedenen Ländern zusammen. Ihr Mann Ratnasingam arbeitet in einer Gärtnerei. „Ja, ein Auto haben wir mittlerweile auch, aber ich habe keinen Führerschein“, erzählt Mythily. Das Auto wird gebraucht, denn die Familie fährt regelmäßig nach Krefeld. „Da gibt es einen Hindu-Tempel. Es gibt auch einen in Hamm, aber Krefeld ist näher.“ Und wenn es um den Einkauf geht, führt die Fahrt auch schon mal nach Dortmund. Da geht es dann um Gewürze und andere Zutaten. Mythily kocht wie „daheim“. „Mittags gibt es immer Reis und dazu verschiedene Currys mit Fisch, Fleisch und Gemüse.“ Beim Fischeinkauf kennt sich Mythilys Mann bestens aus, denn in seinem „früheren Leben“ war er selbständiger Fischer mit mehreren Angestellten.

Krippe

Die Chandramohans sprechen Tamil und natürlich Deutsch. „Die Kinder lernen in der Schule auch Englisch und Latain. Ich verstehe Englisch, aber ich spreche nicht gut.“ Einmal im Jahr besuchen die vier die Tamilenwallfahrt in Kevelaer. „Da sind wir aber auch zwischendurch immer mal wieder. Und zu Weihnachten schauen wir uns die Krippe an.“ Kontakte zu Landsleuten hat die Familie eher wenig. „Es gibt ein paar Familien aus Sri Lanka im Klever Raum, aber da besteht kein enger Kontakt.“
Viel zu verdanken hat die Familie dem Ausländerinitiativkreis (AIK) aus Bedburg-Hau. „Die haben uns sehr unterstützt und tun das zum Teil auch noch jetzt. Da ist zum Beispiel Frau Annegret Ries und vor allem Helga Rogosch, die sich auch sehr um die Kinder gekümmert hat.“ Anfrage bei AIK: „Helga Rogosch gehört zu eben jenen Menschen, ohne die es den Verein nicht geben würde“, sagt Gerd Timmer, Mitglied des AIK -Teams, am Telefon und fügt hinzu: „Das wird sie nicht hören wollen – sie ist einfach zu bescheiden.“

Foto: Rüdiger Dehnen