Schreibkraft
Heiner Frost

„Sitz ma grade – Glück nach vorn“

Eckart Erdmann (Buchhanldung Hintzen) und Klaus Franken präsentieren: Martinshorn. Foto: Rüdiger Dehnen

Vielleicht einfach gar nichts schreiben. Die Bilder sprechen lassen. Bilder gewinnen doch immer … und dann ist da diese Mappe mit Linolschnitten, die einen wunderbaren Gleichklang aus Woldern hinterlässt. Man könnte auch Birten sagen. Wenn Klaus Franken Sprache erfindet, darf man‘s auch. Aus Worten und Bildern werden Woldern und Birten.

Lesefehler

Alles beginnt mit einem Lesefehler: „Sitz ma grade, Glück nach vorn“, hat man gelesen. Stimmt aber nicht. Da steht: „Sitz ma grade guck nach vorn. Blas ma in dein Martinshorn.“ So liest sich der Anfang des ersten Bildes. Der Schreiber fühlt sich aufgehoben: Bilderlesen. Grafik und Buchstaben, Bilder und Worte bei einer besonderen Hochzeit: Die Feierlichkeiten finden im Hirn statt. Die Brautleute empfangen jeden Gast einzeln. Wunderbar.

à la Franken

Vielleicht ist es Zeit, einfach mal zu schreiben, wovon dieser Text eigentlich handelt. Da ist Klaus Franken. Er schreibt und schneidet – schneidet Texte ins Linoleum und packt Garnitur dazu. Vielleicht klingt „Garnitur“ zu sehr nach Federgewicht. Was in den acht Schnitten aus Frankens neuer Mappe „Martinshorn“ (Auflage: 30 Exemplare) entsteht, sind eindringliche VerDichtungen – Wörter, die zu Bildern finden. Meist jedenfalls ist Sprache der Ausgangspunkt. So berichtet es der Künstler. Manch Sprachliches ist Konstrukt. „Sodomora“ beispielsweise setzt sich zusammen aus Sodom und Gomorrha. Selbst bei nicht Bibelfesten löst dieses Begriffspaar etwas aus: Ein „Drunterunddrüber“ entsteht. „Kinkirana“ und „Bunkalo“ sind, erklärt Franken in einem Beiblatt, ohne direkten Bezug zu konkreten Begriffen. Aber längst hat man doch die Phantasie von der Leine gelassen. Soll sie sich – bitte – selbständig machen: Soll sie doch in die Bilder reisen und Bezüge herstellen. „Irgendwo ist nirgendwo und nirgendwo ist überall“, heißt es am Fuß des zweiten Blattes.

Absurde Kurzgeschichte mit Gesang

Manchmal kommen Frankens Texte leichtfüßig daher – fast schon beschwingt schütten sie Reime aus. Die Worte haben Melodie und Rhythmus und beides setzte sich in der Grafik fort: Auch die Bilder bekommen einen Rhythmus und singen abseits der Worte ihr eigenes Lied, das nicht selten ein zumindest melancholisches Lied ist. Das Leben: Lust und Laune? Von wegen.

Absurde Kurzgeschichte mit Gesang: Hoha Huieeh, Kalbano wirft die Angel aus. Dauert nicht lang, dann ist eine Bratwurst am Haken. Am Lagerfeuer schön braun werden lassen, Pommes dabei. Wir sind ja unter uns. Und wer kommt da mit heimlichem Gruß um die Ecke? Ist doch der Gasmann, der Jecke.

Das Bild: tiefdunkel mit einem rauchenden Gesichtsschornstein und einer hingehauchten Gitterfensterbaracke. Man denkt an Celans Todesfuge: „… dann habt ihr ein Grab in den Wolken. Da liegt man nicht eng.“ Es wird klar, dass Franken einer ist, der nicht stillhalten möchte im Leben. Franken ist ein homo politicus. Was heute passiert, im Kleinen und im Großen, zuhause also und auf der Weltbühne, macht ihm Angst und seine absurde Kurzgeschichte mit Gesang öffnet den Blick in Abgründe, die man nicht als vergangen denken darf.

Klaus Franken: Absurde Kurzgeschichte mit Geang. Foto: Rüdiger Dehnen

Vorsichtsmaschinerien

Man würde Frankens absurde Geschichte mit Gesang nicht der Großmutter zum 90. schenken, aber man würde sie in den Bundestag wünschen oder sonstwohin, wo Vorsichtsmaschinerien entworfen werden. Der Gesang zur absurden Geschichte – Franken denkt sich „Keiner schöner Land in dieser Zeit“ – wird grausschnell zum Sirenenton, der ins Hirn schneiden und nicht mehr locker lassen möchte.
Aber bitte – keine Angst: In „Martinshorn“ kommt längst nicht alles schwarzdunkel daher. Da steckt nicht einer den Kopf in den Sand, aber Sand in den Kopf streuen – das darfmuss schon sein, wenn es à la Franken ist.

Zweierlei

Und wo bleibt Corona? „Es muss Platz sein für andere Gedanken“, sagt Franken. Die Mappe: eine starke Mischung mit Haltung und – den Schreiber freut‘s – nicht ohne Worte.
„Martinshorn“ ist zweierlei: Sprung ins Auge und Sprung ins Hirn. Natürlich ist beides ohnehin nicht trennbar, aber Franken setzt die Welt neu zusammen. Sie wird keine neue Welt, aber sie wird eine andere.Sie verändert ihre Gewichtigkeit. Hat man nachgedacht und nachgesehen, wird die Mappe zur Trophäe. Das Leben sucht sich ein neues Raster. Nebenwirkungen sind eingeplant. „Sitz ma grade: Glück nach vorn.“

„Martinshorn – Poems on Linoleum II“ – das sind „7+1 handabgezogene Drucke von mehrfarbigen Linolschnitten, Auflage 30, nummerierte und signierte Exemplare“ und das Ganze gibt‘s auch als im Postkartenformat. Die Mappe kostet 80 Euro, das Gesamtpaket der Postkarten 8 Euro. Zu haben ist das Ganze in der Klever Buchhandlung Hintzen.

Klaus Franken: Sitz ma grade

Buchhandlung Hintzen im Internet