Schreibkraft
Heiner Frost

Nur zwei Zimmerchen irgendwo

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Arman Tahmasebi ist nicht eitel. „Sie machen das Foto“, sagt er, „und wenn Sie zufrieden sind, bin ich es auch.“ Arman Tahmasebi ist frische 33 Jahre alt. „Ich hatte am 1. April Geburtstag“, sagt er.


Tahmasebi kommt aus dem Iran. Er sagt: „Ich bin Perser.“ Er sagt auch: „Ich bin Christ.“ Da ist es wieder – das Wort: Christ. Und man erinnert sich: Christ sein ist nicht das Problem im Iran. Probleme beginnen, wenn einer als Muslim geboren wurde und dann den christlichen Glauben annimmt. Tahmasebi ist aus seiner Heimat geflohen. Also ist klar: Er war nicht immer Christ. Er ist es geworden. „Das war kurz nachdem mein Vater gestorben ist“, erinnert der junge Mann mit zehn Geschwistern. „Wir sind eine große Familie. Mein Vater hat, nachdem seine erste Frau starb, ein zweites Mal geheiratet. Tahmasebis Geschwister sind – mit einer Ausnahme – alle noch im Iran. Ein Bruder ist mittlerweile auch in Deutschland.
Wie war das, als die Geschwister erfuhren, dass ihr Bruder einen anderen Glauben angenommen hat? „Bis auf meinen großen Bruder wussten die anderen nichts davon.“ Sie wussten nichts davon? „Richtig.“ Dass sie nichts davon wussten, hatte mit der alltäglichen Angst zu tun, die einer hat, wenn er konvertiert. „Irgendwann wusste die Polizei davon. Da wurde es Zeit für mich, das Land zu verlassen“, sagt Tahmasebi. Wenn einer sein Leben – seine innerste und tiefste Überzeugung denen nicht mehr mitteilen kann, die ihm am nächsten stehen, dann stimmt etwas nicht im Gefüge der Menschlichkeit und in der Mechanik der freien Entscheidung.
Arman Tahmasebi hat im Iran Abitur gemacht und anschließend in der Chemie- und Erdöl-Branche Metallbauer gelernt. Die Flucht: Ein Entkommen, ein letzter Ausweg ohne definiertes Ziel. „An Deutschland habe ich nicht gedacht. Ich hatte ein völlig falsches Bild. Ich dachte, das ist ein kaltes Land mit kalten Menschen, die nur kalte Speisen essen.“ Tahmasebi floh zunächst nach Syrien, dann in die Türkei, später über Griechenland und Österreich nach Deutschland. „Ganz genau weiß ich nicht, in welchen Ländern ich gewesen bin. Ich konnte ja nicht fragen.“ Tahmasebi sprach kein Englisch. Irgendwann „landete“ er in Neuss und kam von dort direkt nach Bedburg-Hau. „Die Leute vom Ausländerinitiativkreis haben sich sehr um mich bemüht“, sagt Tahmasebi, der mittlerweile natürlich Deutsch spricht. Sprachniveau: B1. Einen Job hat er auch. „Ich arbeite bei der Bau- und Kunstschlosserei Beinhoff in Kleve. Da hatte ich zuerst ein Praktikum gemacht und bin dann übernommen worden.“ Zwei Möglichkeiten wurden geboten: „Eine Ausbildung machen oder gleich in meinem Beruf arbeiten.“ Tahmasebi entschied sich fürs Arbeiten. Und was ist in Sachen Arbeit der größte Unterschied zwischen dem Iran und Deutschland: „Im Iran reichte es, wenn es gepasst hat. Hier machst du Millimeterarbeit. Alles muss stimmen.“ Tahmasebi ist zufrieden in und mit seinem Job. Er hat längst einen unbefristeten Vertrag und hat vor vier Monaten auch den Führerschein gemacht. „Jetzt darf ich auch mit Anhänger fahren. Das ist gut für die Firma.“
Gibt es denn noch Wünsche? Zwei wären zu nennen: Irgendwann einen deutschen Pass haben und: eine eigene Wohnung. „Es ist nicht einfach, in Kleve und Umgebung eine bezahlbare Zweizimmerwohnung zu finden“, sagt er. Bezahlbar – das bedeutet irgendwas unterhalb von 500 Euro. „Ich muss auch nicht mitten in der Stadt wohnen. Ich habe gern etwas Ruhe.“
Noch wohnt Tahmasebi im Loosenhof in Bedburg-Hau – zusammen mit anderen, die nach Deutschland kamen, um zu bleiben. „Eine eigene Wohnung – das wäre schon toll.“

Foto: HF