Schreibkraft
Heiner Frost

Hausputz II oder: Inventur fürs Oberstübchen

Ausschnitt aus einer Arbeit von Blockadia*Tiefsee. Foto: Rüdiger Dehnen

Im Museum Kurhaus Kleve geht das ‚Projekt Hausputz‘ in seine zweite Phase. Ein „Großreinemachen“ ist irgendwie immer auch eine Art Inventur – im Fall des „Hausputz“ allerdings keine, an deren Ende alles und jedes mit einem Zettel nebst Nummer versehen ist. Der „Hausputz“ im Kurhaus ist eher nach innen gerichtet: eine Kopfinventur.

Bespaßungsapparatur

Zuerst war da nicht viel mehr als ein weitgehend leeres Haus. Nichts für diejenigen, die ein Museum als Bespaßungsapparatur sehen und denken. Kuratorin Susanne Figner: „Es geht bei ‚Hausputz‘ um eine Art Bewusstwerdung. Es ging im ersten Teil des Projektes darum, zu erkennen, was wir hier haben und damit meine ich natürlich auch die Architektur.“ Wenn man die Kunst aus den Räumen holt, wird der Blick für und auf die Substanz geschärft. Es geht um das Museum im Innersten und das Innerste im Museum …

Ein Abgleich

Ja – da waren Monitore, die Einblicke in ungekannte Bereiche ermöglichten. Da waren leere Wände, aber: Auch ein Theater zwischen den Aufführungen ist ein Theater. Spektakulär geht anders? Das hängt vom Standpunkt ab. Es ging und geht um den Abgleich zwischen dem Museum und dem Museum im Kopf. Das Kurhaus: eine Versuchsanordnung. Die Bedienungsanleitung? Am besten selbst verfassen. Museen sind Orte für Mitdenker.
Im zweiten Teil des Hausputzes werden nun die Räume allmählich wieder bespielt. Es wird interaktiv. Plötzlich (be)finden sich (unter anderem) Beete im Museum. Nachhaltigkeiten halten Einzug. Es geht um das, was von den Dingen bleibt: in den Köpfen – in den Wirklichkeiten. „Hausputz“ als Spurensuche. Was wird aus den Dingen, wenn man loslässt – laufen lässt?

Bolckadia*Tiefsee

Längst machen sich Künstler auch Gedanken über Nachhaltigkeit und eben diese Gedanken fließen in die Arbeiten ein oder sind ihr Denkursprung.
Zu sehen sind jetzt Arbeiten des Kollektivs ‚Blockadia*Tiefsee‘, das von der Künstlerin Susanne M. Winterling und der Kuratorin Antonia Lotz gegründet wurde. Susanne Figner: „Es geht bei der Arbeit dieses Kollektivs um ein radikal neues Denken, das nicht mehr den Menschen ins Zentrum stellt, sondern Akteure und Netzwerke bildet. Für das Museum Kurhaus Kleve entwickelte ‚Blockadia*Tiefsee‘ im Rahmen der Ausstellung ‚Hausputz! Und andere Visionen für das Museum Kurhaus Kleve‘ verschiedene ortsspezifische Installationen, die sich um das mit Erde gefüllte Beet, das sogenannte ‚Earthbed‘, drehen. Im Kurhaus werden die Beete sowohl als funktionale Plattformen im Außenraum aufgebaut und dort mit Pflanzen bestückt, als auch im Innenraum als Plattform für die Präsentation von Kunstwerken eingesetzt. Zusätzlich wird das Kollektiv im Spätsommer eine Reihe von Workshops anbieten, die sich unter anderem mit dem Thema ‚Kompostieren‘ beschäftigen.“

Tickets fürs Wiederkommen

Schade, denkt man, dass im Zusammenhang mit dem „Hausputz“ nicht Tickets ausgegeben wurden, die während der gesamten Ausstellungsdauer ihre Gültigkeit behalten. Was im Kurhaus angeboten wird, lebt von der Mehrmaligkeit des Hinsehens und -gehens und irgendwie auch vom Miterlebenkönnen der einzelnen Projektphasen. Ein Museum als Ort der Kommunikation im Zusammenhang mit einem Projekt wie „Hausputz“ erfordert fast schon ein Wiederkommen, denn was sich ändert und verändert, müssen die Besucher selbst protokollieren.
Der Vision, die im Titel der Ausstellung Wortgestalt annimmt, hätte ein schrankenloser Zugang gut zu Gesicht gestanden. Schließlich soll aus Wortlauten eine Gedankenwelt werden. Das wäre der Idealfall.

Leerstände als Betriebsunfall

Ab dem 23. Juli werden im Kurhaus auch die Arbeiten der Preisträgerinnen des Werner Deutsch Preises (Catherina Cramer und Giulietta Ockefuß) zu sehen sein. Das Leben kehrt zurück, denkt man, und erwischt sich bei einem Denkfehler, denn das Leben war ja nicht verreist – man konnte es aus einer anderen Perspektive in Augenschein nehmen: einer Perspektive, die durch ihren Blick ins vermeintlich Leere einen Kontrapunkt zu großflächigen Dauerbespaßung unserer Tage bietet, die „Leerstände“ zu einer Art musealem Betriebsunfall deklariert.

Protokollstation

Manche Dinge, denkt man, entfalten ihre Kraft erst in der Rückschau und längst gerinnt im eigenen Kopf das leergeräumte Museum zu einer Erinnerung – einer Erinnerung, die den Blick auf Haus und Geschichte moduliert hat. Museen sind Erlebnisorte und (Er)Forschungsstätten. Wo, wenn nicht hier, können Ideen angepasst und angefasst werden? Kunst ist organisierte Phantasie und Museen sind Protokollstationen an der Nahtstelle von Phantasien und Wirklichkeiten. Es spielt am Ende keine Rolle, ob zeitgenössische Phantasien gezeigt werden oder scheinbar Vergangenes …
‚Hausputz‘ ist ein Beispiel für Interaktivität, und wer weiß: Vielleicht gibt es irgendwann einmal das „Ich-komme-wieder-Ticket“ für einzelne Ausstellungsprojekte. Nachhaltigkeit ist auch Kopfsache …

Foto: Rüdiger Dehnen