Schreibkraft
Heiner Frost

Haldern Pop 2021: hemdsärmelig aber armlang

Tempus fugit. Die Zeit rast. Haldern Pop 2021 – irgendwie ist das alles längst Teil der klingenden Ewigkeit. Irgendwie war alles anders, damit es sein konnte wie – nein: nicht wie immer, aber wie es zum Haldern Pop passt, wenn sich die Bedingungen ändern. Es geht ja um den Kern.

Klein ist nur von außen

Irgendwie wirkte alles kleiner, zurückgezogener, intimer. Klein sind die meisten Dinge erst, wenn man von außen auf sie schaut. Wenn ein Konzert begeistert, ist es doch letztlich einerlei, ob da 50 Mithörer neben dir stehen oder 500. Oder nicht? Spricht man mit Stefan Reichmann, wird klar: Für ihn war, was da stattgefunden hat, ein Erfolg. „Natürlich war vieles anders als in der Vor-Corona-Zeit, aber das hat den Blick auf andere Aspekte freigelegt.“ Was bringt es am Ende, Vergleiche anzustellen? Erfolg ist schließlich kein sich selbst erzeugendes Rezept. Und was, bitte, ist denn ein Erfolgsrezept? Fragt man Reichmann, was das Haldern Pop von anderen Festivals unterscheidet, ist es vor allem dies:

Selbstbeschenkung

„Wir sind immer unser eigenes Publikum geblieben.“ Übersetzung: In Haldern geht es nicht primär um die Frage, was die Gäste vielleicht hören möchten. Die Halderner beschenken sich mit dem, was ihnen gefällt. Sie such in Haldern nicht nach dem Trend – sie setzen ihn. Das Haldern Pop-Programm ist der immer wieder gelungene Versuch, anderen das eigene nahe zu bringen. Ist das hochnäsig? Bestimmt nicht. Es ist schlüssig. Spaß für die anderen kommt dann ins Spiel, wenn man den Machern ihren Spaß anmerkt. Darf man auch Besessenheit sagen? Vielleicht. Reichmann und die Macher des Haldern Pop sind Besessene, aber keine Angst: Zwangsjacken werden nicht gebraucht.
Ein Festival ist wie ein Kunstwerk: Natürlich kannst du dich fragen, was der Künstler damit sagen wollte. Schlimmstenfalls bleibst du enttäuscht zurück. Wer die Verbindung zum eigenen Denken und Fühlen sucht, ist meist besser aufgestellt.

Kein Flickenteppicg

Ein Angebot wie das Haldern Pop ist am Ende kein Flickenteppich, denn das Festival ist vom eigenen Wünschen her gedacht. Wer anderen gefallen möchte, verliert leicht das eigene Denkenfühlen aus dem Blick und ist am Ende genau deswegen nicht glaubwürdig. Wie wird das Line-Up erarbeitet? Stefan Reichmann: „Wenn wir Entscheidungen treffen, dann ist die, ob wir das selber gut fänden.“
Das Haldern Pop 2021 war der bestmögliche Ausflug ins Persönliche: Musik hören, Wege zurücklegen – zu Fuß … mit dem Rad. Das bewegt Körper, Seele, Geist. Ein Festival als Freundschaftsangebot. „Haldern Pop war ein hemdsärmeliges aber armlanges Festival“ – Reichmann-Sprech. Und: „Wir wollten alle, dass es klappt und wie alle an den Rädern gedreht haben, war schön phänomenal.“

Unterwegs

Die Gäste waren – mehr noch als sonst – unterwegs. Stefan Reichmann: „Für die Touren, die integraler Bestandteil des Festivals waren, haben wir Tour-Guides gebraucht. Zunächst einmal wussten viele unserer Leute nicht, was genau das bedeutet.“ Reichmann hat‘s dann so erklärt: „Natürlich kann ich euch einen Zettel ausdrucken, auf dem dann Daten stehen, aber darum geht es nicht: Es geht darum, dass ihr den Leuten beim Unterwegssein erzählt, was ihr an bestimmten Orten erlebt habt. Ihr habt Kinder, Geschwister, eine Geschichte, ein rotes Auto, eine Zinnsoldatensammlung – ein spannendes Leben.“

Lebendigkeit ist Detail

Natürlich lassen sich Orte und Örtlichkeiten durch Musik „aufladen“, aber die Mischung, die Reichmann vorschwebte, war eben diese Anknüpfung an die Geschichte(n). Es ging um die Klänge der Musik einerseits und die Klänge der Geschichte(n) andererseits. Für die großen Zusammenhänge gibt es Geschichtsbücher. Lebendigkeiten entstehen in den und durch die Details. Eben das konnte beim Haldern Pop 2021 radikal gefeiert werden.
Stefan Reichmann: „Wichtig ist jetzt, dass wir nicht im kommenden Jahr denken: Wir wollen Haldern Pop, wie es früher war und müssen zusätzlich die neuen Elemente einbauen. Das wäre falsch gedacht.“