Schreibkraft
Heiner Frost

Haldern Pop 2021: Fietsen, Wandern, Festival

Eichen und Basalt. Stephan Hanf und Leonie Kreusch. Foto: TL

Man müsste einen Essay schreiben: Schein und Sein, Erwartungen und Untergang – das könnten dunkle Titel sein. Auf der hellen Seite würde stehen: Zu sein, ohne es zu müssen. Kommen wir zum Kern: Es geht um das Haldern Pop Festival (HP) 2021. Es trägt die laufende Nummer 38. Ja – die Organisatoren haben bei der Zählung das letzte Jahr mit eingeschlossen.

Erwartung/Überraschung

Und wie wird es diesmal? Stefan Reichmann, Kurator des Festivals, sagt: „Eigentlich kann man das kaum beschreiben.“ Danach spricht er 26 Minuten druckreif. Natürlich könne das Hauptziel sein, im ‚Jahr danach‘ möglichst viele Tickets zu verkaufen. Das wird nicht der Fall sein. Natürlich versuche man als Veranstalter, die Erwartungen des Publikums zu bedienen, sagt Reichmann, aber: Wer nur Punkte auf der Erwartungsskala abhakt, lässt sich vielleicht das Überraschende entgehen.
Wie also wird Haldern Pop 2021? Einwortantworten: Eigenartig. Besonders. Anders. „Ich habe mir ja immer ein Festival gewünscht, das am Ende eine Mischung aus Pop, Schützenfest und Fronleichnam ist“, sagt Reichmann. Das ist doch mal eine Aussage. Klar ist aber auch, dass mancher es vielleicht gern einen Hauch genauer hätte.
Also bitte: Stattfinden wird HP am 12., 13. und 14. August. Und das war es dann auch mit den bekannten Modalitäten. Pro Tag werden 300 Besucher zugelassen. Im Comic stünde jetzt: „Schluck!“ Stefan Reichmann: „In diesen Zeiten kann man ja oft am Montag nicht sagen, wie die Regelungen am Mittwoch aussehen werden.“ In Haldern setzen sie auf Sicherheit. Für die Teilnahme gilt – man kennt das schon – die 3-G-Regel: genesen, geimpft oder getestet. Für die Glücklichen Ticketbesitzer beginnt der Tag mit dem Besuch in der Grundschule. Reichmann: „Da werden die Bändchen ausgegeben, es wird getestet und es werden die Daten für die Nachverfolgung erfasst.“ Beim 38. HP gibt es diesmal also keine 3-Tages-Tickets. Das würde die Chancen auf eine Karte noch weiter einschränken.

Tickets für den Tag

Reichmann: „Es gibt nur Tickets für einzelne Tage.“ Stattfinden werden: 1. Konzerte in der Kirche – dafür werden Einzeltickets pro Konzert verkauft. 2. ine Fahrrad-Tour – natürlich mit Konzerten (je 100 Tickets); 3. eine Wander-Tour mit Konzerten (jeweils 100 Tickets) und 4. ein Marktplatz-Event (vier Konzerte zwischen 12 und 24 Uhr mit insgesamt 100 Tickets.)
Reichmann: „Wir wollen unseren Gästen unter den besonderen Umständen auch ein besonderes Erlebnis bieten.“ Ein Festival-Tag beginnt (siehe oben) mit der „Erfassung“ in der Grundschule. Danach geht es zur „Ausgangsbühne“ am Waldrand. Es findet statt: Ein erstes Konzert. Danach geht es – entweder per pedes oder mit dem Rad (nicht barrierefrei) zu weiteren Spielorten. Einer davon wird beispielsweise der Klosterhof in Haus Aspel sein. An den unterschiedlichen Spielorten finden jeweils weitere Konzerte statt. Reichmann: „Wir arbeiten noch an dem genauen Programm.“

Im Garten

Natürlich haben die Halderner auch bereits zahlreiche Künstler-Zusagen. Am Ende eines Tages treffen sich die Besucher wieder an der „Ausgangsbühne“. Merke: 100 rechts, 100 links der Bühne. Danach werden sie in Klein-Gruppen aufgeteilt, machen sich auf den Weg zu Dorfbewohnern und werden in deren Gärten eingeladen. Die einzelnen Gärten: durch Fahnen gekennzeichnet. Reichmann: „Es gab schon lange die Idee, unseren Besuchern die Möglichkeit zu bieten, beispielsweise im Fall eines Unwetters Unterschlupf bei Dorfbewohnern zu ermöglichen. Haushalte, die an dieser Aktion teilnehmen wollten, hätten dann eine Fahne ans Haus gehängt. (Langsam begreift man die Pop-Schützenfest-Fronleichnam-Idee. Fahnen, Konzerte, Prozessionen.)

Kommunikation

In diesem Jahr wird es so sein, dass die Gärten, in denen die „Tagesabschlusstreffen“ stattfinden, mit Fahnen gekennzeichnet sind. Kommunikation am Ende des Tages. Reichmann: „Was wir in der Zeit des Lockdowns am meisten vermisst haben, waren doch die Menschen. Wir müssen zurück zur Idee des Zusammenseins.“ Kommunikation ist – wir haben das gelernt – kein Selbstläufer und beileibe nicht immer konfliktfrei. Man habe, so Reichmann, auch bei den Veranstaltern durchaus kontroverse Diskussionen geführt.

Guides

„Das alles zu organisieren, ist für uns ein nicht geringer Aufwand. Schließlich brauchen wir für die Gruppen, die sich auf den Weg machen, auch Guides. Stell dir vor, jemand in der Radgruppe hat einen Platten. Da müssen ja dann Leute von uns zur Stelle sein, die weiterhelfen können.“ Das stimmt. Abends in den Gärten sollen Festivalbesucher, Festivalmacher, Aktionäre und Dorfbewohner zusammentreffen. Erinnerung entsteht aus Geschichten. Geschichten entstehen aus Kommunikation. „Wir wünschen uns, dass die Festivalbesucher mit Geschichten heimkehren.“

Kasseler Eicheln

In den Gärten soll es – auch das ist eine dieser Haldern-Ideen – auch um Kunst gehen. Niederrhein und Kunst – das ist auch Niederrhein und Beuys. Ursprünglich war die Idee: „Den Beuys aus den Museen zu holen und zurück an die Basis zu bringen. Aber so was ist heutzutage aufgrund exorbitanter Versicherungsauflagen leider gar nicht mehr machbar. Wir haben also nach einer Möglichkeit gesucht, etwas von Beuys Schaffen nach Haldern zu holen.“
Die Idee: Eicheln sammeln in Kassel. Für die dortige ‚documenta 7‘ hatte Beuys 1982 das 7.000-Eichen-Projekt ins Leben gerufen. Im Laufe mehrerer Jahre wurden – mit Hilfe freiwilliger Helfer – 7.000 Eichen gepflanzt. Zu jeder Eiche gehörte ein Basaltstein. Reichmann: „Wir sind nach Kassel gefahren und haben dort im letzten Herbst Eicheln gesammelt. Die haben wir dann in diesem Frühjahr zum Keimen gebracht.“ Reichmann zeigt einen Blumentopf mit einem Eichensetzling und einem Basaltstein. In jedem der Gärten, die am Tagesabschlussprogramms des Festivals teilnehmen, werden die Besucher einen Eichensetzling vorfinden.

Feuerwerk der leisen Töne

„Dazu haben wir die Gastgeber gebeten, jeweils drei oder vier Dinge auszustellen, die ihnen wichtig sind. Das kann ein Foto vom Großvater sein oder irgendetwas anderes.“ Es gehe, sagt Reichmann, um die Kunst der Begegnung. Beuys und die Bürger, Beuys und der Kunstgedanke. In einer 100-Stunden-Klanginstallation wird schließlich noch Beuys‘ berühmtes „ja,ja,ja – nää, nää, nää“ zu hören sein.
Zusammenfassung: Haldern 2021 wird ein Feuerwerk der leisen Töne. Noch was vergessen? Aber ja: Am Donnerstag, Freitag und Samstag werden Konzerte in der Kirche stattfinden. Reichmann: „Diese Konzerte sind allerdings unabhängig von den Tagestickets.
Für die einzelnen Konzerte können Einzel-, aber auch Gruppentickets (zwei bis sechs Personen) separat gebucht werden. Und wie kommt man an die Tickets? Reichmann: „Zum Besuch des Haldern Pop 2021 ist die Installation der App GRID (iOS/Android) erforderlich. Diese App bieten wir auch in der Pop Bar zum sicheren Corona-Check-In und zum bargeldlosen Zahlungsverkehr an. Wir haben die App zusammen mit den Entwicklern so angepasst, dass wir sie – neben dem Zahlungsverkehr – zur Verwaltung der Tickets sowie zur Einlasskontrolle und zum Check-In nutzen können.“

Eine Menge Holz

Eine Menge (Info-)Holz. Im Kern aber geht es um die Idee, sich durch Wandel treu zu bleiben. Es geht um Menschen, Geschichten und Kultur und irgendwie scheint klar zu sein: Wer die 2021er-Ausgabe des HPF erlebt, darf sich auf ein ausgewogenes Viel-Gänge-Menü freuen.
Letzte Frage: Wie sieht‘s aus mit dem Campen? Antwort: „Campen geht, aber ausschließlich für Ticket-Inhaber. Haldern 2021: kleiner Rahmen als Perspektive – neu denken statt wie gewohnt erwarten – es muss nicht die ganz große Bühne sein – Kapitulation gehört nicht ins Programm – ein Ort als Klang-, Kunst- und Sozialstation – die große Kultur der kleinen Happen – und am Ende des Samstages: ein Gottesdienst. Man muss nicht werden, was die Welt erwartet – zu sein, ohne es zu müssen.

Zusagen und Vorverkauf

Wer hat eigentlich schon zugesagt? Gemeldet sind bis jetzt: 1000 Robota (DE); Black Country, New Road (GB), Catastrophe (FR), Charlotte Spiral (GB), Denise Chaila (IE), Dirty Projectors (US) und Stargaze (EU); Elias Bender Ronnenfelt (DK); Jelly Cleaver (GB); Kesswa (US); Kikagaku Moyo (JPN); Meskerem Mees (BE); Tereza (DE); The Holy (FI); Wu-Lu (GB).
Der Ticketvorverkauf beginnt am Samstag, 10. Juli, um 10 Uhr.

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