„Kommt der Künstler?“, fragt der Fotograf. Nein. Er ist tot. Die Geschichte des Lebens von Stephan Fritsch ist eine traurige – die Geschichte seiner Bilder nicht.
Fritschs malerisches Universum steht im Gegensatz zu den Depressionen, an denen er immer wieder litt. Vielleicht, denkt man, ist er dem Schwarz in der Seele mit Farbe entkommen. Fritsch Bilder stellen – wenn man sie einmal kennt – einen Hafen des Sehens zur Verfügung. Man fühlt sich zuhause. Fritsch zu sehen ist eine Art Heimkehr ohne Wiederholungseffekt. Die Farben atmen und mit jedem Atemzug halten sie der Gegenwart stand – wachsen mit ihr oder schrumpfen. Fritschs Malerei ist, wenn man sich einlässt, ein Spiegel, in den man schaut. Er stellt ihn zur Verfügung – steckt Rahmenbedingungen ab, aber atmen muss man selbst. Es gibt nichts für nichts.
Fritschs Bilder lehnen sich auf gegen das Continuum der Zeit. Mal sehen, was man schon über ihn geschrieben hat: „Zeit ist ein Continuum, denkt man. Es gibt ein Vorher. Ein Nachher. Wenn man es schafft, im Werk von Fritsch keine Abfolge zu sehen, wenn man es schafft, die Ebenen auszutauschen, ersteht eine völlig andere innere Haltung – sie ermöglicht, das Späte dem Frühen voranzusetzen. Genau dann entsteht Kontakt zu den Arbeiten. Da verdaut einer quasi vor dem Essen.“ Fritschs Malerei erzählt keine Geschichten – nicht solche jedenfalls, die sich in Wortfolgen kleiden ließen. Fritschs Malerei ist ihre eigene Geschichte, aber es ist eine Geschichte, die nicht in zeitlichen Ebenen funktioniert. Fritschs Malerei ist eine Malerei der Spuren – Spuren, die sich eingraben: ins Hirn, in die Leinwand, ins Leben.
„Meine primäre Denkrichtung lautet: Ich male gern. Ich muss nichts ausdrücken. Ich muss nicht politisch sein in meiner Arbeit, obwohl ich glaube, dass gute Kunst immer politisch ist. Die Kunst muss sich immer ihrer Zeit vergewissern, und damit ist sie natürlich politisch. Aber nichts davon muss ich über die Arbeit drüberstülpen. Das will ich nicht“, hat Fritsch gesagt – in einem unserer letzten Gespräche. Farben sind sein Bekenntnis, und Malerei ist mehr als ein Selbstgespräch. Einer wie Fritsch stellte sich den Augenblicken. Der Augenblick ist ein Schmetterling. Ein Aroma des Gegenwärtigen auf der Rückseite der Tage.
All das sieht man in der Ausstellung. Die Bilder sind wie ein Handschlag: „Mensch, Stephan, lange nicht gesehen und doch wiedererkannt.“ Stephan Fritsch starb am 31. Mai 2014. Eigentlich ist das falsch, denn ein Maler stirbt erst, wenn seine Bilder vergessen werden – wenn niemand mehr hinsieht.
Nachsatz: Es gibt kein Mittelfeld. Grandios scheitern – das ist die Rückseite. Die Vorderseite: Unbeschreibbar. Unbeschreiblich. Was ist schon das Gegenteil von Scheitern? Erfolg vielleicht. Aber Erfolg ist eine Hülse. Vielleicht aber ist Erfolg der Eintritt in die kollektive Erinnerung. Vielleicht geht es am Ende darum, hoch zu fliegen. Wie ein Drachen: Solange die Leine Erdung stiftet, ist oben alles möglich. Und: Der Künstler ist anwesend, denn die Bilder sind ja da.