Schreibkraft
Heiner Frost

Einmal Bomshof einfach

Foto: Rüdiger Dehnen

32.986 Touren stehen in der ewigen Statistik des Düffel-Mobils. Seit 2001 gibt es das Gefährt – oder besser gesagt den dazugehörigen Verein. Merke: Die Mobile werden ausgetauscht – der Verein bleibt.


Die Strecken des Düffel-Mobils führen vom Mittelfeld des Alphabets (Kranenburg) in die äußersten Alphabetrandbezirke (Wyler, Zyfflich). Wer auf den Fahrplan schaut, findet Namen wie Kleyen, Germenseel, Pferdekämpe, Drüll, Tütthees, In den Krücken, Welligenpass oder Bomshof. Allein damit ließe sich ein Wettbewerb „Poesie auf dem Lande“ gewinnen.
Damit im Folgenden keine Verwechslungen entstehen: Das Düffel-Mobil ist sozusagen der Bürgerbus der Gemeinde Kranenburg.
20 Fahrer sind derzeit im Einsatz. Natürlich gibt es auch in Sachen Fahrer statistisches Material. Karl Heinz Janßen zum Beispiel: Er führt die Statistik (Stand: Februar 2018) mit 2.394 gefahrenen Touren an. Pro Tag ist das (nunmehr vierte) Düffel-Mobil 350 bis 400 Kilometer unterwegs – pro Monat im Durchschnitt 7.500 Kilometer. Addiert man die gefahrenen Kilometer der vergangenen 17 Jahre, käme (siehe unten) ein hübsches Sümmchen zusammen. Also schnell mal ein bisschen rechnen. 17 Jahre mal 12 Monate mal Durchschnittskilometer macht 1.530.000 Kilometer. (Nur mal so zum Vergleich: Die Entfernung Erde-Mond liegt bei 384.000 Kilometern.) Mehr Fakten? Bitte schön: 9,57 Liter verbraucht das Düffel-Mobil durchschnittlich auf 100 Kilometer. Durchschnittlich werden pro Monat 768,62 Liter Kraftstoff getankt. Im vergangenen Jahr fuhr der Bürgerbus 88.228 Kilometer. 9.224 Liter Kraftstoff wurden getankt.

1 Euro

Eine Fahrt mit dem Bürgerbus kostet einen Euro – überschaubar. Das Monatsticket für Menschen ab 15 kostet 20 Euro, für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren 15 Euro. Wer den 2. Geschäftsführer des Vereins, Hans Gerd Kersten, nach dem Gesamtkunstwerk Bürgerbus fragt, stellt fest: Der Unterbau ist komplizierter als eine Fahrt von Kranenburg-Mitte nach Zyfflich. (Zyfflich ist übrigens der Heimathafen für den Bürgerbus. Kersten: „Das liegt daran, dass der Verein damals hier gegründet wurde.“)
Redet man über die Kosten für den Bürgerbus wird es ein bisschen kompliziert. Für die „Basics“ ist die NIAG zuständig. Zu den „Basics“ gehören unter anderem laufende Kosten und Versicherung. Fährt der Bus ein Minus ein, kommt die Gemeinde Kranenburg ins Spiel.
Das „Fahrpersonal“ ist ehrenamtlich im Einsatz. Einzige Vergütung: Eine 30-Cent-pro-Kilometer-Pauschale für die An- und Abreise. Kersten: „Wir haben beispielsweise einen Fahrer, der eigens aus Bedburg-Hau kommt.“ Das wäre dann der Norbert. Norbert Tibio. Im ersten Leben war Tibio Lokführer. Wir lernen: Einmal unterwegs – immer unterwegs.
Zurück zum Geld: 7.500 Euro Organisations-Pauschale bekommt der Verein pro Jahr. Hans Gerd Kersten: „Das klingt zuerst einmal ziemlich üppig, aber allein 3.500 bis 4.000 Euro geben wir für die An- und Abreisepauschale der Fahrer aus.“ Dazu kommen Honorare und Gebühren für die Untersuchungen der Fahrer. (Kersten: „Das sind zwischen 2.000 und 2.200 Euro pro Jahr.“) Karl Heinz Janßen zum Beispiel ist unmerkliche 75 Jahre als und muss daher einmal pro Jahr zum Checkup. Für Fahrer unter 65 steht die Untersuchung alle fünf Jahre auf dem Programm.

8 Plätze

Acht Plätze bietet der Bus. Und was, wenn mehr Leute mitwollen? „Wir sagen unseren Fahrern, dass das nicht erlaubt ist“, erklärt Kersten. Und unter uns: Kommt auch so gut wie nicht vor. Wer benutzt eigentlich den Bürgerbus? Kersten: „Zum Beispiel ältere Menschen, die zum Arzt nach Kranenburg müssen. Aber natürlich fahren auch Schul- und Kindergartenkinder mit.“ Da der Bürgerbus im Auftrag der NIAG unterwegs ist, wird ab und an auch schon mal „synchronisiert“. Klartext: Wenn Fahrer im Funkkontakt stehen und absehbar ist, dass ein Linienbus ein, zwei Minuten später kommt, wird auch schon mal gewartet. Das Motto: Von Haus zu Haus und von Mensch zu Mensch. „Manche denken, der Bürgerbus sei so eine Art Ruftaxi“, sagt Kersten. In Wirklichkeit läuft das Düffel-Mobil nach einem klug ausgetüftelten Fahrplan, für den der 1. Vorsitzende, Martin Rockenbauch, verantwortlich zeichnet. Fahrpläne sind Kunstwerke der Logistik und kaum jemand kann sich vorstellen, wie schwierig das Erstellen ist. Kersten: „Der Martin versucht beim Erstellen des Planes auf viele Dinge Rücksicht zu nehmen. Wenn zum Beispiel ein Kindergarten seine Zeiten ändert, ist es für uns wichtig, das zu wissen.“ Merke: Wovon einer nichts weiß, darauf kann er auch keine Rücksicht nehmen. Apropos Rücksicht: „Nicht wenige Autofahrer scheinen zu denken, das der Bürgerbus kein vollwertiger Bus ist“, beschreibt Kersten ein Problem, das sich manchmal in wild schimpfenden Autofahrern manifestiert, die nicht nachvollziehen können, dass der Bürgerbus Haltestellen anfährt und dazu auch auf der Straße anhält wie ein großer Linienbus auch. „Oder Leute meinen, sie können eine Bürgerbushaltestelle als Privatparkplatz nutzen.“ Fährt der Bürgerbus eigentlich an Wochenenden? Klare Antwort: „Nein.“

Klasse B/BF17

Kersten sieht beim Bürgerbus – vor allem im Frühling und Sommer – auch touristisches Potenzial. „Man kann doch für einen Euro einfach mal in die Düffel fahren und dann zurück nach Kranenburg wandern und das Ganze mit einer Draisinenfahrt kombinieren.“
Wenn Kersten und der Verein einen Wunsch frei hätten, wäre es dieser: Mehr Fahrer. „Ein Grundstock von 20 Fahrern reicht im Prinzip nicht aus, um auch bei Engpässen gut planen zu können. Eigentlich sollten es um die 25 sein.“ Es geht vor allem darum, ausreichend „Reserve“ zu haben. Kersten: „Es ist übrigens nicht so, dass ein Fahrer acht Stunden im Einsatz ist. Das ist ein Vorurteil, das ich auch immer wieder höre.“ Braucht man, um den Bürgerbus zu fahren, eigentlich eine besondere Fahrerlaubnis? Kersten: „Nein. Jeder, der einen PKW fahren darf, kann sich bei uns als Fahrer bewerben.“ [Die Führerscheinklasse B/BF17 für Kraftfahrzeuge berechtigt „zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer.] Wer Interesse hat, kann sich bei der Vereinsvorsitzenden Gerda Hansen (Telefonnummer 02826/685) oder beim 1. Geschäftsführer Martin Rockenbauch (Telefonnummer 02826/992450) melden.
Mitglieder im Verein sind übrigens außer dem Vorstand die Fahrer. Das Team funktioniert. Kersten: „Mehrmals jährlich findet ein Fahrerfrühstück statt, das aber im Grunde immer auch eine Art Arbeitsessen ist. Außerdem gibt es gemeinsame Ausflüge. Kersten: „Das gehört zu den Annehmlichkeiten, die auch ganz wichtig sind.“ Wer also Zeit und Lust auf Bürgerbus hat: Einfach mal anrufen. Der Rest ergibt sich von selbst. Fest steht: Karl Heinz Janßen vom Spitzenplatz in Sachen meiste Touren zu verdrängen, könnte schwierig werden.

Hans Gerd Kersten, 2. Geschäftsführer des Bürgerbusvereins mit drei Fahrern: Günther Jansen, Werner Langner und Günthers Bruder Ewald Jansen (v.l.n.r.). Foto: Rüdiger Dehnen