Schreibkraft
Heiner Frost

Die Bilder des Herrn A.

Es ist alles ziemlich öffentlich geworden: Soziale Netzwerke bieten Zugriff auf alles und jeden. Üble Nachrede? Kein Problem. Wenn einer Trump heißt und Präsident ist, darf er so ziemlich alles sagen. Niemand zeigt ihn an, obwohl doch viele wissen, dass nicht stimmt, was da verbreitet wird.

Üble Nachrede

Und wie ist es mit Herrn A.? Er wird der üblen Nachrede beschuldigt und hat – ohne deren Zustimmung einzuholen – Bilder von Menschen auf Facebook veröffentlicht. A. glaubte, etwas Gutes zu tun, denn er wollte andere vor einem Betrüger warnen. Der sammelt Geld für Afrika und verjazzt es dann – zum Beispiel im Bordell. Dagegen, dachte A., muss etwas getan werden.
Jetzt erklärt ihm der Richter (mittels einer Übersetzerin), dass es so einfach nicht geht. A. müsse, wenn er jemanden beschuldigen wolle, die Polizei aufsuchen. Es gibt keine Selbstjustiz. A. macht Angaben. Immer wieder erklärt er dem Richter die Zusammenhänge. Der schaut gefühlt alle 90 Sekunden auf die Uhr an der Wand. (60 Minuten sind anberaumt.) A. leugnet nichts. Warum auch, scheint er zu denken, denn er hat doch nur diese eine Mission: andere zu warnen. Das mit der üblen Nachrede lässt sich am Ende nicht nachweisen. Der Vorwurf entfällt. Es bleibt das Aber: Aber die Bilder – A. hätte sie nicht posten dürfen.

Das Gesetz

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Paragraph 22: Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
Vergehen gegen diesen Paragraphen des Kunsturhebergesetz können mit Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr oder Geldstrafen geahndet werden. Offiziell klingt das so:
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den Paragraphen 22 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

Wo kein Kläger …

Übersetzt man den letzten Satz in die Lebenswirklichkeit, ergibt sich eine Spruchweisheit: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Im Fall von Herrn A. muss es einen Kläger gegeben haben. A. wäre sonst nicht hier. Er stünde nicht als Angeklagter vor einem Richter des Amtsgerichts. ‚Was ist schon ein Bild auf Facebook‘, mag A. gedacht haben. Er hat doch einen guten Zweck verfolgt. Das Gesetz sagt: Wo kämen wir hin? „Was würden Sie denken, wenn jemand Unwahrheiten über Sie im Internet veröffentlicht?“, fragt der Richter Herrn A. und ich denke: ‚Fragen Sie mich das doch mal.‘ Da gibt es diesen Herrn Trump, der gesagt und geschrieben hat, dass alle (in Worten: alle) Journalisten Lügner sind. Wohin muss ich gehen, um Klage einzureichen?
Richter und Staatsanwältin („Ich müsste dann mal kurz anrufen“, sagt die Vertreterin des Staates) darauf, die Sache mit der üblen Nachrede nicht zu verfolgen. Schon möchte sich A. bedanken. Aber da kommt noch was. Wegen Verstoßes gegen Paragraph 22 (das war die Sache mit den Bildern) wird A. verurteilt. Man hält ihm zugute, dass er „voll umfänglich geständig“ war und keinerlei Vorstrafen hat. 60 Tagessätze zu je 10 Euro (zahlbar in Raten von 50 Euro bis zum 15. eines jedes Monats plus Tragen der Gerichtskosten).

„Ich bin unschuldig“

Vorher – im Anschluss an das Plädoyer der Staatsanwältin – hatte der Richter A. erklärt, er könne nun auch einen Antrag stellen. (A. ist ja ohne Anwalt erschienen.) A. sagt, er sei unschuldig. (Der gute Zweck.) Im Anschluss an das Urteil erklärt der Richter – er schaut jetzt nicht mehr dauernd auf die Uhr –, dass A. nun in Berufung gehen könne. Eine Woche Zeit habe er. A. muss zunächst einmal verstehen, dass er verurteilt ist. Er muss auch verstehen, dass er nicht ins Gefängnis muss. Kann er die Monatsraten nicht aufbringen. gibt es auch diesbezüglich andere Möglichkeiten. Wichtig: A. muss sich melden. Ansonsten droht Ersatzhaft. 60 Tage könnten es werden – anstelle von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro.

Ein schlechtes Geschäft

Ein schlechtes Geschäft für den Staat. Das „Leibniz-Informationstzentrum für Wirtschaft“ beziffert die Haftkosten eines Gefangenen (in Nordrhein-Westfalen) pro Tag auf 84,96 Euro. Aus 600 Euro, die der Verurteilte zu zahlen hätte, würden 5.097,60 Euro – die Kosten für die Inhaftierung. Immerhin das 8,496-fache.
Was lernen wir: Der Weg von der Bibel (Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist …) zum Kunsturheberrecht (Du sollst keine Bilder posten von Menschen, deren Zustimmung du nicht hast), ist gar nicht mal so weit und während vielen Menschen das 1. Gebot eher egal sein dürfte, sollte man Respekt vor dem Paragraph 23 des Kunsturhebergesetz haben. Es könnte sonst teuer werden – oder eng: Eine Gefängniszelle misst circa acht Quadratmeter. Und Internet gibt‘s auch nicht.
Post an Frost