Schreibkraft
Heiner Frost

Aspel hat viel erlebt – ein Gespräch

Auf der Visitenkarte von Maria Beate Reifenberg ist als Adresse „Rainweg 38 52224 Stolberg-Venwegen“ angegeben. Die E-Mail Adresse lautet: . Was ist Heimat? Beate Maria Reifenberg ist ‚zu Besuch‘ in Haus Aspel. „Ich bin“, sagt sie, „fast jeden Monat einmal hier. Es gibt noch viel auszuräumen und in Ordnung zu halten.“ Reifenberg ist – wie soll man sagen – noch immer die Chefin in und von Haus Aspel. Ein Gespräch.

Wie ist es Stolberg?
Reifenberg: Wunderschön.

Ist es denn schon Heimat?
Reifenberg: Doch. Das ist schon ein Stück Heimat.

Erinnern Sie sich noch an den letzten Tag in Haus Aspel?
Reifenberg: Das war schon eigenartig. Wir haben morgens noch eine Heilige Messe gefeiert und sind dann nicht sofort nach Stolberg gefahren, sondern erst einmal zum Essen in den Doppeladler in Haldern. Als wir dann ins Auto stiegen, kamen vielen die Tränen. Mir auch.

Sie konnten sich lange auf diesen Tag vorbereiten, aber wenn die Wirklichkeit eintrifft, merkt man, dass Gefühle nicht planbar sind, oder?
Reifenberg: So lässt sich das beschreiben.

Sie sind zwischendurch immer mal wieder in Aspel?
Reifenberg: Das ist richtig. Es gibt noch immer Sachen auszuräumen. Ich muss nach dem Rechten sehen. Unsere Handwerker sind ja weiterhin beschäftigt. Denken Sie beispielsweise an die Wasserleitungen. Wenn da nichts passiert, haben Sie schnell Legionellen. Da muss also jemand sein, der immer wieder die Kräne aufdreht und das Wasser laufen lässt. Auch die Außenanlagen müssen gepflegt werden.

Wie oft denken Sie an Haus Aspel?
Reifenberg: Jeden Tag.

Wie ist der Stand der Dinge?
Reifenberg: Wir haben stehen in gutem Kontakt zur Stadt Rees und zum Kreis Kleve. Da sprechen wir in erster Linie mit der dortigen Baubehörde.

Sie haben auch schon mit dem Reeser Bürgermeister gesprochen?
Reifenberg: Natürlich. Der war übrigens 1998 für drei Monate Zivi [Zivildienstleistender, Anm. d. Red.] bei uns. Er kennt sich also bestens aus und erinnert auch noch die Namen vieler Schwestern.

Wann hat das Nachdenken über Aspels Zukunft begonnen?
Reifenberg: Ich würde sagen, das ging 2016,2017 los. Es ging darum, hier ein Hotel einzurichten und damals war unser Plan, weiterhin hier zu bleiben – im gelben Trakt. Also im rechten Teil des Gebäudes. Rechts, wenn Sie durch die Allee auf Haus Aspel zulaufen. Es stellte sich dann heraus, dass der zweite Investor umbauen wollte und wir hätten nicht im rechten Flügel bleiben können. Wir hätten umziehen müssen und es hätten auch nur diejenigen Schwestern bleiben können, die noch mobil waren. Das hätte eine Gemeinschaft in unserem Sinn unmöglich gemacht. Da entstand dann die Erkenntnis: Wir können hier nicht bleiben. Wir werden als Ordensgemeinschaft immer kleiner und wenn so ein Betrieb hier einzieht, ist das für uns keine Wohnatmosphäre mehr. Das hätte nicht mehr zu uns gepasst.

Und das war wann?
Reifenberg: Das war im April 2021. Im November haben wir den Angestellten mitgeteilt, dass wir im Dezember 2022 weggehen werden. Wie Sie wissen, hat es am Ende ein bisschen länger gedauert.

Sie wollten also weg. Aber wohin?
Reifenberg: Wir haben uns damals zunächst in der Gegend umgehört. Bei Pfarreien und beispielsweise auch beim Doppeladler in Haldern. Die hatten vor, etwas mit Appartments zu bauen. Wir haben auch in Kleve Materborn gefragt. Burg Ranzow. Eine wunderschöne Anlage, aber auch da hätten wir nicht zusammen bleiben können. Es gab nur fünf Plätze für betreutes Wohnen.

Wie kam Stolberg ins Spiel?
Reifenberg: Ich bekam die Information: Da ist eine Ordensgemeinschaft mit einem ähnlichen Problem: Zu großes Haus – zu wenig Schwestern.

Stolberg also.
Reifenberg: Genau. Ich dachte damals: Das ist ja am Ende der Welt, aber dann sind wir hin gefahren und als ich vom Parkplatz aus das Gebäude gesehen habe, war mein erster Gedanke: Das ist es. Jetzt hat jede von uns einen Wohnraum und einen Schlafraum mit Nasszelle. Jedes Zimmer hat auch einen Balkon und sechs Einheiten haben eine kleine Teeküche. Wir wohnen auf drei Etagen, haben Räume für unser Archiv und zusätzlich zur vorhandenen Kirche haben wir eine kleine Kapelle. Wir haben einen großen Speiseraum, wo wir frühstücken und mittags zusammen essen. Das Abendessen findet dann auf den Etagen in kleinen Gruppen statt.

Wie viele sind Sie?
Reifenberg: 16 Schwestern und zwei Laien. Dazu kommen noch 13 pflegebedürftige Schwestern.

Zurück nach Aspel. Was sind Ihre Wünsche?
Reifenberg: Aspel ist ein großer Komplex. Hier könnte Vieles geschehen: Wohnen, Pflege, Bildung, Kultur. Die Gartenanlagen können genutzt werden. Wir haben bereits ein solches Modell entwickelt. Es geht um eine Mehrfachnutzung einerseits, aber auch um einen Investor, der in der Lage ist, das zu managen. Wir verhandeln nur mit einem Investor. Wir werden in jedem Fall genau hinschauen und natürlich auch unsere Wirtschaftsprüfer dazu holen. Wenn es um Finanzen geht, dann sind unsere Fachleute am Zug.

Hat eigentlich die Stadt ein Mitspracherecht oder liegt das alles einzig in Ihrer Verantwortung?
Reifenberg: Im Grunde ist es unsere Verantwortung. Die Stadt ist insofern involviert, als ja zunächst einmal der Flächennutzungsplan geändert werden muss. Momentan wären ja nur ein Altenheim beziehungsweise kirchliche Zwecke umsetzbar. Die wichtigen Dinge in Sachen Nutzung haben wir in die Wege geleitet und unser erster Ansprechpartner war der Kreis. Als es 2016, 2017 und 2018 um die Hotelpläne ging, hat uns zunächst einmal niemand gesagt, dass dafür der Flächennutzungsplan geändert werden muss. Davon hatten wir bis dato nichts gehört. Auch eine Bildungseinrichtung wäre nur dann möglich gewesen, wenn es um kirchliche Zwecke gegangen wäre.

War eigentlich der Rückzug des Bistums aus dem damaligen Projekt ‚Bildungseinrichtung‘ ein Art Sargnagel für Aspel?
Reifenberg: Ja. Auf jeden Fall. Die haben damals ein anderes Objekt gekauft und dann musste das hier geschlossen werden.

Schmerzt das noch heute?
Reifenberg: Ja. Ein bisschen schon.

Nur ein bisschen?
Reifenberg: (Lacht.) … Wir haben ja damals mehrere unserer Einrichtungen – beispielsweise in Düsseldorf das Theresienhospital – geschlossen und alle Schwestern hierher nach Aspel geholt.

Zurück ins Jetzt. Wie würden Sie Ihre Gefühlslage bezüglich Aspel beschreiben? Verhalten optimistisch?
Reifenberg: Es geht darum, in einer verhältnismäßig überschaubaren Zeit eine Lösung zu finden. Sehen Sie: Ich bin jetzt 81 und ich möchte noch erleben, dass Haus Aspel den Schritt in die Zukunft tun kann. Wir suchen einen Investor mit Respekt vor dieser Anlage – einen, der in der Lage ist, unsere Visionen zu teilen. Es ist auch Teil unserer Aufgabe, die Motivation eines möglichen Investors zu hinterfragen und herauszufinden: Was möchte der wirklich? Es geht um Vertrauen. Vertrauen braucht Zeit.

Zeit ist also ein Faktor?
Reifenberg: Sehen Sie es so: Wir sind jetzt schon lange mit diesem Projekt befasst und ich sage immer: Das muss doch einen Sinn haben. Anders gesagt: Durch alle Gespräche, die wir bereits geführt haben, ist die Erkenntnis entstanden: Es war noch nicht der richtige Investor da. Hotel und was alles sonst noch sein sollte – das war es nicht für Aspel. Wenn Sie zurückschauen, stellen sie fest, Aspel hat ja schon viel erlebt: Hier war Schule, es hat Bildung stattgefunden, es war geistliches Zentrum, es gab die Haushaltsschüler. Es ist nicht einfach, aus der Vergangenheit, in der so viel entstanden ist, in die Zukunft zu wechseln. Wir müssen in die Zukunft denken und für die Zukunft handeln. Das ist ein wichtiger Aspekt und ich bin zuversichtlich.

Beate Maria Reifenberg wird vermutlich noch öfter in Aspel sein. Die Reise von Stolberg in die alte Heimat dauert – hin und zurück – vier Stunden. Haus Aspel ist ein Ort, dessen Zukunft unter Beobachtung steht.

Infos

Auf einem Flyer, den das „Planungsbüro Falkenberg“ mit Beate Maria Reifenberg entwickelt hat, steht: „Um die Zukunft dieses besonderen Ortes zu sichern, ist das Ziel, Haus Aspel einer neuen Nutzung zuzuführen und deshalb an einen neuen Besitzer zu verkaufen.“ Schwester Maria Beate Reifenberg, Töchter vom Heiligen Kreuz. Und weiter: „Das Planungsbüro Falkenberg übernimmt […] die Vertretung zur Klärung Ihrer Fragen zum Objekt, zur Architektur und den zukünftigen Nutzungspotenzialen von Haus Aspel.“ Dann werden neun Positionen angeführt. Quadratmeterzahlen gehen Hand in Hand mit Nutzungsvorschlägen: Veranstaltungen (Sport, Bildung, Seminare); Hospiz, Pflege, Betreuung; Wohneinheiten und Weiterbildung; Dienstleistung, Landschaftspflege, Klostergarten, Hofladen, Gastronomie; Hotel; Mehrgenerationenwohnen, Bistro und immer wieder: Weiterbildung