Schreibkraft
Heiner Frost

Vorsicht! Spaßbaustelle

Einen Kilometer stadteinwärts die Straße runter ist Kirmes. Große Spielwiese: Magendurchrüttlungsmaschinen jede Menge und wer mit Familie einen schönen Nachmittag erleben möchte, sollte vorher mit dem Bankberater gesprochen haben. (Vorsicht: Übertreibung.)

Außerkraftsetzung

Hier – auf Forstgartenhöhe: Museumskirmes. Eintritt frei und … fast denkt man an Tom Sawyer: Es darf gearbeitet werden. Nein – es ist kein Zaun zu streichen, aber 1.000 Pappschachteln warten auf Bewegung. Das Ganze: ein Kunstprojekt im Museum Kurhaus Kleve. An der Wand das große Schild: „Hotmamahot: Moving Boxes. (Please do touch).“ Irgendwie selbsterklärend: Die Außerkraftsetzung des ersten musealen Imperativs: Du sollst nichts anfassen!

Stehensitzenliegentoben

Und jetzt: Ein monumentales Regal, 1.000 leere Pappschachteln, ein paar Leitern und schon kann‘s los gehen. In einem Pappschachtelunterstand abseits des Regals: Ein Dj. Der heizt ein. Ein bisschen laut ist es, aber vielleicht ist man ja ein bisschen zu alt. Wer soll das sagen? Doch – vielleicht könnte man es so sagen: Im Mittelpunkt sollen Kartons, Regal und Kinder stehensitzenliegentoben. Und noch eines: Wenn man, um zu kommunizieren, schreien muss, ist das suboptimal. Die Musik drängt sich vor. Aber: Irgendwie ist alles klasse. De Em El: Das Museum lebt.

Bockmachmaschine

Fast muss, wer arbeiten möchte, einen Antrag schreiben, denn es ist wirklich viel los in der Schachtelparadiesregalwelt und es fühlt sich gut an, dass leere Schachteln so viel Spaß machen. Wer da dachte, Kinder wären nur mit Elektronikspielzeug und Computern zu begeistern, kann zum Hoffnungtanken einrücken. Die „Moving Boxes“ im Kurhaus sind bis Oktober im Haus – allerdings werden sie ab sofort ohne DJ auskommen müssen. Ein Dauer-DJ wäre wahrscheinlich budgetsprengend.Aber: Vielleicht wird das Erleben noch direkter, noch dichter, wenn als Soundtrack nur die Spielgeräusche den Raum auskleiden. Man kann den Machern von „Hotmamahot“ nur gratulieren.Man sollte Dauerkarten ausgeben für die „Moving Boxes“. Vielleicht taugt die Installation auch als Kindertagesstätte. Und die Gretchenfrage: Ist das Kunst? Man antwortet mit einem klardeutlichen vielleichtja. „Moving Boxes“ ist auf jeden Fall eine Art Wegweiser zur Kunst. Ein Schwellentieferlegungsprogramm. Eine Bockmachmaschine.
Nach dem Boxenstopp könnte man den Kids ja vielleicht auch mal Matarés Kühe zeigen und all die anderen total verrückten Sachen, die‘s im Museum noch so gibt: die ganze Kunstkirmes eben.
Die „Moving Boxes“ jedenfalls sind ein Kracher – nicht zuletzt auch, weil es so simpel ist, was „Hotmamahot“ da eingebaut hat.