Schreibkraft
Heiner Frost

Startrampe ins Bach-Universum

Michael Maul

Was, bitte schön, hat Johann Sebastian Bach (ja, genau der) mit Kleve zu tun? Zugegeben: Ein bisschen ausholen muss man schon.
Alsdann: „In den Rechnungsbüchern des Herzogs Johann Ernst III. von Sachsen-Weimar (1664-1707) für die ersten beiden Quartale des Jahres 1703 erscheint ein „Laquey [Lakai] Bach“, besoldet mit sechs Gulden und 18 Groschen.“

Durchlauchtigst

Na und? Herzog Johann Ernst III. in Weimar, war „Der Durchlauchtigste Fürst und Herr zu Sachsen, Julich, Cleve[!] und Bergen.“ So zu finden in einer soeben im Leipziger Lehmstedt Verlag erschienenen Bildbiografie mit dem schlichten Titel „Bach“. Autor ist der aus Leipzig stammende Musikwissenschaftler (und Intendant des Leipziger Bachfestes) Michael Mau, seines Zeichens Jahrgang 1978.
Wer sich für Bach und dessen Leben interessiert, bekommt reichlich Lesestoff geboten. Albert Schweitzer (ja, genau der) verfasste eine Biografie, die 1908 erstmals erschien, verlegt bei Breitkopf & Härtel. 800 Seiten umfasst das Werk und allein das erste Kapitel „Die Wurzeln der Bachschen Kunst“ ist an sich schon ein Kunstwerk des Nachdenkens über Bach und seine Einordnung.
Oder wie wär‘s mit Peter Williams „J. S. Bach“, Originaltitel „J. S. Bach – A Life in Music“, erschienen im Osburg Verlag? 600 Seiten. Zu nennen wäre auch Christoph Wolffs „Johann Sebastian Bach“, erschienen erstmals 2000 im S. Fischer Verlag, 630 Seiten. Auch John Eliot Gardiner hat über einen seiner musikalischen Leitsterne geschrieben: „Bach – Musik für die Himmelsburg“, erschienen 2016 im Carl Hanser Verlag, 740 Seiten.

Johann Ernst III.

288 Seiten

Und jetzt also Herr Maul: 288 Seiten in einem nicht eben transportierunfreudigen Format (27 mal 24 Zentimeter), aber trotz der „geringen“ Seitenzahl weitaus mehr als Bach-Fastfood.
Auf allen linken Seiten: Text – zweispaltig gesetzt in englisch und deutsch. Jedes Kapitel: eine Seite. Alle rechten Seiten: Bilder. Auf Seite 46 geht es um das Jahr 1703. Es tritt auf: Herzog Johann Ernst III (s. o.). Mauls Biografie ist kurzweilig, überschaubar und an keiner Stelle frustrierend. Wer sich dem Thomas-Kantor in einer unterhaltsamen aber keineswegs oberflächlichen Form annähern möchte, ist bei Maul allerbestens aufgehoben. Natürlich dürfen zentrale Bach-Anekdoten wie beispielsweise die vom „Zippelfagottisten“ nicht fehlen.
„Am Abend des 4. August 1705 kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen dem 20-jährigen Bach und dem 23-jährigen Gymnasiasten Geyersbach. Die Ursache war eine Beleidigung, die Bach […] gegenüber Geyersbach ausgesprochen hatte. Er soll ihn vor allen Anwesenden als ‚Zippelfagottisten‘ verspottet haben. In dem Wort [Zippel] steckt das lateinische Wort für Schüler, „Discipulus“ – Bach hatte Geyersbach als […] ‚lausigen Amateur‘ beschimpft (Maul, Seite 58).
Die Folge: eine mehr oder weniger handfeste Auseinandersetzung zwischen Bach und Geyersbach auf dem Marktplatz von Arnstadt.
Die Behörden ermittelten. Wir wollen uns den Verlauf der Musikgeschichte nicht ausmalen, hätte das handfeste Scharmützel für Bach einen tragischen Ausgang genommen (Maul, Seite 58).

Universum JSB

Mauls Bildbiografie ist ein lesenswertes Buch, bestens geeignet als Startrampe ins Bach‘sche Universum.
Apropos Universum: Zu nennen wäre der Podcast „Universum JSB“ – zu finden unter anderem auf ‚Deutschlandfunk Kultur‘. Autor: Michael Maul. In 29 Folgen – jede dauert um die 30 Minuten – gibt es Bachs Leben zum Nachhören und die Wege von Mauls Bildbiografie und dem Podcast sind nahezu identisch. Wer sich noch weiter eingrooven, sprich: einhören möchte, abonniert den Podcast „Die Bach Kantate“ mit [Michael] Maul und [Bernhard] Schrammek.

Michael Mauls Bildbiografie, erschienen im Lehmstedt Verlag (288 Seiten, 140 farbige Bilder) ist unter der ISB-Nummer 978-3-95797-101-2. Preis: 38 Euro.

Universum JSB: Bachs Leben als Hörbiografie

Bach-Kantaten – erklärt von Maul und Schrammek