Eigentlich beginnt es schon bei der Ortsmarke. Die „Haldern Strings“ auf Rees zu reduzieren, ist an sich schon ein Unding. Aber: sei‘s drum.
Die Haldern Strings und Georg Michel gehören zusammen wie Geige und Bogen. Das soll nun vorbei sein. In den nächsten Wochen zieht die Streicherschmiede um: in die alte Grundschule in Haldern. Für Michel der letzte Anstoß zu einem Abschied, der kein leichter ist: „Der Auszug des Vereins ermöglicht mir endlich den Rücktritt vom Vorsitz und die Niederlegung zahlreicher administrativer Tätigkeiten.“ Okay. Das kann man hinnehmen, aber da wäre noch ein Zusatz: „Der Austritt ist durch meine stark abnehmende Identifikation mit dem Verein begründet.“ Das klingt nicht gut.
Ein Abgesandter
Ein Rückblick: Vor 26 Jahren kam Michel – als Abgesandter der Kreismusikschule – nach Haldern. „Irgendwann entstand, nicht zuletzt auf Anregung von Karl-Heinz Lehmann (damals stellvertretender Leiter der Kreismusikschule und wichtiger Nestor für die musikalischen Entwicklungen im Lindendorf; Anm. d. Red.) die Idee, parallel zum Blasorchester eine Streicherschule zu etablieren, bei der nicht nur Einzelunterricht gegeben wurde, sondern auch Ensemblearbeit ein unverzichtbarer Teil des Angebots war.“ Daraus wurde – auf Initiative der damaligen Elternschaft – die Vereinsidee.
Die Streicherschule entsprach dem, was Michel vorschwebte. Sein Credo: „Persönlichkeitsentfaltung durch Musik.“ Georg Michel ist einer, der sich dem Unterricht komplett verschrieben hat, einer, dem – man muss es so sagen – die Musik(ausbildung) Lebensinhalt ist.
Drei für einen?
Um einen wie ihn zu ersetzen, braucht es mindestens zwei andere.
In diesem Jahr werden die Haldern Strings 25 Jahre alt. Die künstlerische Leitung hatte Michel schon vor fünf Jahen an Ole Hansen abgegeben. Michel: „Ich hielt das für eine ausgezeichnete Lösung, denn Ole hat bei den Haldern Strings angefangen und kennt die Philosophie.“ Hansen habe aber, so Michel, gleich erklärt, „dass er die Arbeit nicht so voll umfänglich leisten könne und wolle wie ich selbst“. Verständlicherweise, denn (siehe oben) jemand wie Michel ist in jeder Hinsicht „nicht der Normalfall“. Was da bei den Haldern Strings passiert, ist eine Entwicklung, die auch bei der Übernahme oder Weitergabe von Betrieben auftritt. Nachfolger sehen manche Dinge anders – und: Die Zeiten ändern sich.
Was Georg Michel allerdings zum radikalen Adieu in Sachen Haldern Strings gebracht hat, ist ausformuliert: „Die Atmosphäre in der Unterrichtstätigkeit und dem Vereinsleben hat sich deutlich gewandelt“, schreibt Michel unter der Überschrift „Rücktritt und Austritt“.
Empathieverluste
Die Empathie für die Kinder sei zurückgegangen und „einer gewissen Routine gewichen“. Das Niveau im Unterrichtsbereich sei zurückgegangen, beklagt Michel. „Neben allgemein zu beobachtenden Entwicklungen in puncto Eifer, Lernbereitschaft, Leistungswillen und Konzentrationsfähigkeit“ beklagt Michel auch den Rückgang internationaler Kooperationen. Man verzichte auf die Zusammenarbeit mit der Suzuki-Gesellschaft London, der Stringtime (Goch) und einem Violin-Meisterkurs in Lancut (Polen). „Aus meiner Sicht droht der Verein, in die Provinzialität abzudriften“, so Michel. Starker Tobak – ohne Frage.
Für ihn, so Michel, sei zentrales Ziel seiner Arbeit gewesen, „Jugendliche über das Musizieren in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern“. Nun habe er Zweifel, „ob dieser Leitgedanke im ursprünglichen Sinn fortbestehen wird“.
Ende der Kundgebung? Nein. „Es stören mich aber auch Querelen im Vorstand und in der Elternschaft. Egoismen machen sich breit, und die ursprünglich formulierten Prinzipien des Vereins werden teilweise in Frage gestellt.“
Die Haldern Strings stehen demnach vor dem Stellen sehr wichtiger künstlerischer und organisatorischer Weichen. Zunächst aber wird umgezogen, dann folgt die Jahreshauptversammlung der Mitglieder, und kurz vor Ostern reist ein Ensemble der Haldern Strings zusammen mit dem künstlerischen Leiter Ole Hansen nach Moskau, um dort Konzerte zu geben. Michel: „Wie es aussieht, wird bei der Jahreshauptversammlung auch der Vorstand größtenteils neu besetzt werden müssen.“ Zudem gilt es, die Nachfolge von Michel zu regeln, denn Geigenunterricht soll ja weiterhin erteilt werden.
Zu wünschen wäre, dass die Institution Haldern Strings auch weiterhin für positive Schlagzeilen sorgt. Michel wird mit dem Unterrichten nicht aufhören, sucht aber in absehbarer Zeit nach einem neuen Domizil. „Eine Mietwohnung kann das nicht sein.“ Wohl wahr. „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden“, sagte schon Wilhelm Busch.