Herr Z. hat den Schuss gehört – hoffentlich. Eine Woche Dauerarrest (er hat sich Urlaub genommen dafür) haben ihre Wirkung nicht verfehlt und hoffentlich Denkspuren hinterlassen. Fest steht: Z.s Zukunft muss eine andere werden als seine Vergangenheit.
Z. ist 19 Jahre jung: noch bleibt Zeit für Änderungen. Z. steht wegen Körperverletzung und Nötigung vor dem Amtsgericht und ist kein unbeschriebenes Blatt. Es hat vor der Tat, die es hier zu verhandeln gilt, Ähnliches stattgefunden. Alle Taten lassen ein nicht geringes Aggressionspontential erahnen.
Ein Angriff
Z. hat einen jungen Mann angegriffen. Der hatte zuvor Z.s Bruder beleidigt. Die beiden wohnen im selben Haus. Z. hat dem jungen Mann von hinten in den Rücken getreten, ihm ins Gesicht geschlagen und mit mehr Prügel gedroht für den Fall, dass der Junge zur Polizei gehen würde. Das klingt nicht gut. Jetzt sitzt Z. kleinlaut neben seiner Verteidigerin. Er räumt ein, was der Staatsanwalt ihm vorgehalten hat. Ja, er hat es getan. Jetzt und hier möchte er sich entschuldigen bei dem jungen Mann, der gleich als Zeuge auftreten wird. Z. – ein anscheinend Geläuterter.
Beleidigungen
Der junge Mann beschreibt die Tat und räumt ein, dass er und Z.s Bruder sich gegenseitig beleidigt haben. Z.s Angriff: unvermittelt. Überraschend. Wer rechnet denn damit, dass da einer treppab stürmt und direkt im Angriffsmodus ist; dass er von hinten angreift. „Der hat mich dann gegen die Wand gedrückt. Ich konnte nicht weg.“
Ein Jahr ist vergangen seit dem Angriff. Kontakt haben die beiden seither nicht gehabt. „Sie hätten dem Herrn A. ja mal schreiben können und sich entschuldigen“, sagt die Richterin und Z. antwortet: „Eine Entschuldigung muss persönlich sein. Man entschuldigt sich höchstpersönlich selbst.“
Haben Sie Angst?
Die Richterin fragt A., ob er nach dem Angriff Angst hatte. A. hat sich komisch gefühlt. „Ich habe das Gefühl, dass Sie sich gerade nicht wohl fühlen“, sagt die Richterin. „Haben Sie Angst vor Herrn Z., oder liegt es daran, dass Sie jetzt hier aussagen sollen und Leute da sind?“ A. lässt die Antwort irgendwie offen. Direkt nach dem Streit hat er Angst gehabt. „Der Z. hatte mich ja bedroht.“ Als A. mit seiner Aussage fertig ist, nutzt Z. seine Chance: „Mit tut das leid, was ich mit dir gemacht habe und ich will dir sagen, dass du keine Angst haben muss – auch wenn wir ganz nah aneinander vorbei gehen. Dir wird nichts passieren.“ Eine Entschuldigung, ein Versprechen. Später wird die Richterin sagen, dass Z. sich nicht mit einer Floskel entschuldigt habe. Er habe sich Gedanken gemacht.
Es ist etwas passiert mit Z. seit dieser Tat. Er macht eine Ausbildung. Er ist zu den Drogenscreenings gekommen. „Alle Ergebnisse waren negativ und das ist ja hier positiv“, sagt die Richterin.
Ein Herr von der Jugendgerichtshilfe ist sicher, dass man Z. nach Jugendstrafrecht bestrafen sollte. Aber sonst? Schwer einzuschätzen, wie man ihn erreicht. Ein erneuter Arrest? Eher nicht. Vielleicht eine Geldauflage – etwas, das Z. spürt. Es sind – von der vorherigen Strafe – noch Sozialstunden offen (Corona).
Es soll schmerzahft sein
Auch der Staatsanwalt plädiert für eine Geldauflage. 200 Euro. Zu zahlen in Raten. Mit einem Blick auf Z.: „Er hat ja wirklich die Kurve gekriegt.“ Der Dauerarrest hat Wirkung gezeigt.
Was soll die Verteidigerin noch sagen? Ja, sie sieht es genau so. Der Arrest war schlimm für Z., aber er hat dazu geführt, dass er einen Fahrplan für die Zukunft hat. Ja – eine Geldauflage.
Die Richterin und die beiden Schöffen verurteilen Z., zu einer Geldauflage von 400 Euro – zahlbar in Raten von jeweils 40 Euro. Die Taten: erschreckend aggressiv. Und trotzdem: derzeit seien keine schädlichen Neigungen feststellbar. Zur Tatzeit waren sie zweifelsfrei vorhanden.
Die Geldbuße soll schmerzhaft sein. Z. muss weiter an sich arbeiten – sich vielleicht Hilfe und Beratung holen. Noch eine solche Tat und es wird eine längere Jugendstrafe. „Ich hoffe, Sie hier nicht wieder zu sehen“, sagt die Richterin und wünscht alles Gute. Vorher hat sie gesagt, dass sich manches auch mit der Zeit auswachse. Z. verzichtet nach Rücksprache mit seiner Verteidigerin auf Rechtsmittel. Das Urteil ist rechtskräftig.
Anschließend steht Z. draußen und lässt A., der nach ihm den Saal verlassen hat, grußlos passieren.