„Kommst du mit?“, fragt der Kollege. „Wohin denn?“ „Karneval in der Stadthalle.“ „Morgens um 10?“ „Ja. Camille Saint-Saens.“ „Die Prinzennamen werden auch immer komischer.“ „Saint-Saens ist ein Komponist, du Depp. Karneval der Tiere. Auf vier Marimbaphonen.“ „Echt jetzt?“ „Ja-ha!“ Na dann: Karamba Marimba!
Jacken hier – Musik da
Stadthalle Kleve, 9.50 Uhr. Frühkultur. Im Foyer eine erste Stichwortsammlung – ggg: ganz groß gedruckt: Musik, Kultur, Emotion, Begeisterung, Theater, Applaus, Kultur, Rührung, Liebe, Denken, Tränen, Freude, Erlebnis, Lachen, Spannung. Na bitte: Das ist doch mal ein Programm. Daneben, auf einem Notenständer ein Schild mit einem gemalten Pfeil. Über dem Pfeil steht: ‚Jacken St. Michael Grundschule in den Nebenraum‘.
Die Klangkulisse in der Stadthalle: unverbrauchte Jugend. Drei Schulen sind zur Besichtigung des tierischen Karnevals eingetroffen. Eine Stunde Programm – danach das Ganze mit anderen Schülern noch mal. „Eine tolle Reichweite“, würden Medienprofis sagen.
Besser nicht mit dem Zug
Auf der Bühne: Vier Marimbaphone (siehe Bild). Später wird die Katarzyna von der Band erklären, dass die Instrumente eigentlich eine Art Klavier sind – zumindest was die Anordnung der ‚Tasten‘ angeht. Mannomann, denkt man: Mit diesen Dingern auf Tournee? Im Zug wird‘s eng. An Flugzeuge will man erst gar nicht denken. Die vier werden einen eigenen Lieferwagen brauchen.
Das Quartett hat übrigens schon am Vorabend in der Stadthalle gespielt: Bachs Goldbergvartaionen. Waren die nicht eigentlich fürs Cembalo geschrieben? Das muss nichts heißen. Saint-Saens Tierkarneval ist ja auch eigentlich für großes Orchester. Ist schon okay: In der Musikwelt macht sich jeder alles passend. Instrumentation ist am Ende wie Lyrikübersetzung. Es geht um Wesensübertragung. Selbes Stück – andere Farbe.
Die einen oder anderen
Jetzt aber – die Session ist längst ‚am laufen‘ –: Karneval der Tiere. Eine Erzählerin ist auch da. Vorher aber die Begrüßung durch einen Herrn von der Stadt: „Die einen oder anderen von euch werden das Stück kennen“, sagt er. (Ja – kann sein.) „Wir freuen uns, dass wir heute zwei Aufführungen anbieten können“, sagt der Herr von der Stadt. Dann betreten die Hauptdarsteller die Bühne: Eine Erzählerin, eine Marimbaphonistin und drei Marimbaphonisten. Die Erzählern freut sich im Namen der ‚Band‘, „dass ihr euch alle aus der Schule hierher getraut habt“. Sie spricht über den Komponisten Camille Saint-Saens. „Das klingt allein ja schon wie ein Lied.“ (Sur le pond …)
Furioso
Dann geht‘s aber los. Furios. Vier Marimbas ersetzen ein Orchester, eine Sprecherin den kompletten Film, denn: Wenn sie erzählt, wachsen Bilder in den Kopf. Kleingroßtheater.
Natürlich machen die Marimbas echt was her. Man sieht die Musik. Sie ist nicht nur mit Geräusch sondern vor allem auch mit Bewegung verbunden. Kinetische Energie wird frei. Und auch sonst wird einiges lebendig. Ein Marsmännchen gehört zum Bühnenpersonal, das die Sprecherin zur Verfügung stellt. Das Männchen glaubt, dass alles, was streifen hat, giftig ist. Ein running Gag. Und das im imaginären Publikum der Tiere die Plätze links und rechts vom Stinktier frei geblieben sind, lässt sich nachvollziehen.
Sonst wär‘s ja Text
Über Musik ist schlecht schreiben. Sie muss schließlich klingen – sonst wäre sie ja Text geworden. Natürlich kann man immer schreiben wie‘s war. Also: Was das Quartett auf den Marimbas in den Saal klingen lässt, ist schon toll.
Unglaublich irgendwie, aber wahr. Die dynamische Vielfalt: Beeindruckend. Ach ja: Dynamik – das ist laut und leise und alles dazwischen. Wenn man die Band sieht, wie sie mit ihren Schlägeln die Instrumente abgrasen, muss man an Katzen denken. Gelenkigkeit vom Feinsten. Merke: Auch Samtpfoten können aber sowas von reinhauen … Das Publikum folgt mit Begeisterung. Gottseidank ist Zwischenapplaus möglich. Nach jeder Musikeinlage gibt es davon reichlich. Der Laden läuft. Erkenntnis: Das hier ist weit weg von der Stehkragenatmosphäre und vielleicht ein toller Einstieg ins Klingende.
Natürlich braucht der tierische Karneval den Text. Und eben der kommt leichtfüßig und launemachend daher. Das alles ist auf jeden Fall viel mehr als „alles ist besser als Schule“.
Das Personal
Sprecherin: Elisabeth Verhoeven. Musiker: Katarzyna Mycke, Franz Bach, Filip Mercep, Conrado Moya. Und auf dem Filmplakat stünde jetzt vielleicht noch „Courtesy of ‚Konzerte der Stadt Kleve‘.“