Schreibkraft
Heiner Frost

Heuschrecken zum Frühstück

Zane und Indai können sich glücklich schätzen. Das Zweifarbtamarin-Geschwisterpärchen muss sich ums Überleben keine Sorgen machen. Für die Artgenossen am Amazonas im brasilianischen Urwald sieht die Sache leider ganz anders aus …

Extrem gefährdet

Zweifarbtamarine gehören laut IUCN (International Union for Conservation of Nature) zu den 25 seltensten Primatenarten auf dem Planet. In 18 Jahren – so eine Schätzung der IUCN – wird die jetzt schon extrem gefährdete Art noch einmal um 80 Prozent reduziert sein. Der Grund: Zerstörung des Lebensraum, der ja immer auch ein Überlebensraum ist. Ohne menschliches Zutun (also: Erhaltung von Lebensräumen durch spezielle Programme) wären die rund 500 Gramm schweren Äffchen demnächst ‚extinkt‘: ausgestorben.
Zane und Indai wissen davon nichts. Sie leben im Klever Tiergarten – haben ihr eigenes Reich und müssen sich ums Futter keinerlei Sorgen machen.„Um Zweifarbtamarine halten zu können, muss man sich beim europäischen Zooverband bewerben“, erklärt Martin Polotzek, der Leiter des Klever Tiergartens.

Zwei Jahre Anlauf

„Wir haben uns circa zwei Jahre lang bemüht und haben Zane (das ist das Männchen) und Indai seit November bei uns im Tiergarten.“ (Man ahnt: Die Sache ist kompliziert.)
Der Speiseplan für die Allesfresser reicht von Baumsäften über Früchte bis hin zu Insekten wie beispielsweise Grillen und Heuschrecken.
„Die bestellen wir eigens dafür beim Großhandel“, erzählt Martin Polotzek. Heuschrecken und Grillen müssen lebend serviert werden. Und damit man‘s mal weiß: mehrere 100 Heuschrecken kosten rund 30 Euro, mehrere tausend Grillen sind für 15 bis 20 Euro zu haben. Zane und Indai sollen sich nicht fortpflanzen. Das hat auch etwas mit dem Verwandtschaftsverhältnis zu tun. Einmal jährlich bekommt Indai daher einen Hormonchip eingesetzt. Polotzek: „Das klingt natürlich erst einmal verrückt: Da haben wir eine bedrohte Tierart und dürften auch, wenn Zane und Indai keine Geschwister wären, nicht einfach in die Zucht einsteigen.“ Das hat am Ende auch mit der Kontrolle des Genpools zu tun. Zwölf bis 15 Jahre alt können Zweifarbtamarine werden. Was würde denn eigentlich passieren, wenn Zane oder Indai verstürben? Polotzek; „Ich denke, es würde dann darauf hinauslaufen, dass wir uns um ein neues Paar bemühen.“

Besucher unterstützen Arterhaltungsprojekte

Das Überleben der Art wird übrigens nicht nur durch ihr Vorhandensein in Zoos garantiert. Polotzek: „Wir als Tiergarten spenden auch jährlich fünfstellige Summen, die dann weltweit in Arterhaltungsprogramme fließen. Es ist ja von großer Bedeutung, den Fortbestand der Arten nicht nur über Tiergärten und Zoos zu sichern, sondern vor allem die originalen Lebensräume zu sichern. Das Geld, das wir beisteuern, stammt auch aus den Einnahmen für Eintrittskarten. Genau das gehört meiner Meinung nach heutzutage dazu: Unsere Gäste sollen wissen, dass sie mit dem Kauf einer Eintrittskarte auch zum Artenschutz beitragen.“
Vom Fotoshooting rät Polotzek ab. „Die haben sehr spitze Zähne und wenn sie schlecht drauf sind, greifen sie gleich an und beißen. Das kann dann sehr schmerzhaft sein.“ Überzeugt. „Wir haben gute Fotos. Die kann ich Ihnen schicken.“ „Okay. So machen wir‘s.“