Schreibkraft
Heiner Frost

Heuschnupfen und aus

Karrieren auf dem Schreibtisch

Lars Jansen aus Frasselt ist ‚Noch-Abiturient‘ — eigentlich ist ja schon alles so gut wie gelaufen. Über das ‚Danach‘ muss er sich nicht mehr den Kopf zerbrechen, denn am 1. September wird er seine Ausbildung bei der Polizei beginnen und damit seinen Berufstraum verwirklichen. Wie kommt man eigentlich zur Polizei? Was muss man (oder Frau) tun und/oder können? Einer, der sich bei diesen Fragen allerbestens auskennt, ist Polizeihauptkommissar Werner Reich: Der Mann ist Einstellungsberater, und Polizeikarrieren im Kreis Kleve beginnen an seinem Schreibtisch.

Wenn es um Infos und Unterlagen zum Thema Polizei geht, ist Reich die richtige Adresse (). Welche Zugangsvoraussetzungen muss ein Bewerber mitbringen? „Zunächst einmal sind die allgemeine Fachhochschulereife oder das Abitur unabdingbar“, erklärt Reich. Wer diese schulischen Voraussetzungen nicht mitbringt, kann sich nicht bewerben. „Natürlich gibt es Fälle, wo ich empfehle, die notwendigen schulischen Qualifikationen nachzuholen. Allerdings ist das natürlich keine Garantie dafür, am Ende genommen zu werden“, beschreibt Reich die Situation.

Allergie und k.o.

Um es überhaupt zum drei Tage umfassenden Eignungstest zu schaffen, müssen aber neben den schulischen Voraussetzungen noch andere Kriterien erfüllt werden. Allergien sind ein absolutes k.o.-Kriterium. Im Klartext: Auch wenn es ’nur‘ ein Heuschnupfen ist, bedeutet das E de Ka. Ende der Karriere, die gar nicht esrt angefangen hat. Wie sieht es mit Sehschwächen aus? Reich: „Die ,Sehleistung muss ohne Sehhilfe mindestens 40 Prozent betragen.“ Der Hürdenlauf beginnt also schon im Vorfeld. Interessenten gibt es trotzdem jede Menge. Für das Jahr 2006 stehen in Nordrhein-Westfalen 500 Stellen zur Verfügung, 20 davon nur im Bereich Verwaltung. Bleiben 480 für den Polizeivollzugsdienst. Die Zahl der Bewerber wird mit cirka 7.500 um ein Vielfaches höher liegen. „Viele, die sich um einen der Ausbildungsplätze bewerben, haben vorher ein Praktikum bei uns gemacht“, beschreibt Reich den Weg der Polizeianfänger. Aber: „Auch ein Praktikum bringt  natürlich keine Grantie, später genommen zu werden“, betont Reich. Über Ex oder Hopp entscheidet am Ende auch nicht der Einstellungsberater, sondern ein Test. Und der ist hart. Wer die Wahl hat, muss nicht immer die Qual haben. Bei einem Verhältnis von mehr als 10:1 in Sachen Bewerber und Stellen kann sich die Polizei ihre ‚Rosinen‘ in aller Ruhe herauspicken, und das ist auch gut so, denn der Polizeivollzugsdienst lebt vom Gefühl für die Verantwortung.

BMI

Lars Jansen erinnert sich: „Der Test dauert drei Tage, die in zwei Blöcke aufgeteilt sind. Der erste Block umfasst zwei Tage, später folgt der dritte Tag.“ Und was läuft ab beim Test? Werner Reich: „Am ersten Tag geht es um die Theorie.“ Diktate werden geschrieben, und oft fallen schon hier die ersten Bewerber durch. Zum Intelligenztest gehören aber auch Figurensequenzen, Flussdiagramme, Syllogismen oder das Rechnen mit Zahlensymbolen. Diagnose: Alles andere als Kindergeburtstag … Lars Jansen sieht rückwirkend den zweiten Tag als den Härtesten. „Auf einen Test kann man sich vorbereiten. Aber am zweiten Tag kommen diverse Untersuchungen, und da kannst du nichts machen.“ Untersucht werden Sehfähigkeit, Gehör, Wirbelsäule — kurz gesagt: Alles. Auch der BMI steht zur Disposition. Aha. BMI, das steht für Body-Maß-Index. Auch hier gelten k.o. Kriterien. Werner Reich erinnert sich: „Ich hatte eine Bewerberin, die ihre Kröpergröße mit 1,69 Meter angegeben hatte. Das passte so gerade eben. Bei der Untersuchung stellte sich dann heraus, dass die Körpergröße nur 1,66 Meter betrug. Das veränderte die Werte, und die Bewerberin war draußen. Sie hat mir dann eine Email geschrieben, um mir das mitzuteilen.“ BMI als Ausscheidungskriterium — mit anderen Worten: Wenn Höhe und Breite nicht im richtigen Verhältnis stehen, ist Schluss mit lustig. Zum Sporttest gehört auch der Nachweis, dass die Bewerber schwimmen können und bereits von einem Drei-Meter-Turm gesprungen sind. Zur medizinischen Untersuchung gehört natürlich auch ein Belastungs-EKG. Über den Aufnahme-Test hatte sich Lars Jansen vorher im Internet informiert. „Unter copzone.de findet man ziemlich lückenlose Informationen zu diesem Thema.“ Jansen gehörte auch zu denen, die im Vorfeld ein Praktikum absolviert hatten.

Der dritte Tag

Wer die ersten beiden Tage „überstanden“ hat, wird zur Schlussrunde eingeladen. „Da geht es dann um Rollenspiele, bei denen die Bewerber nicht zuletzt auch ihre soziale Kompetenz unter Beweis stellen müssen“, erklärt Werner Reich. Aber natürlich soll sich auch die Teamfähigkeit der Probanden als gesichert erweisen, denn Einzelgänger werden nicht gesucht. Vor dem abschließenden  rund 30 Minuten dauernden Interview mit der Prüfungskommission steht noch das „Planspiel Vortrag“: Aus drei Themen, die nicht unbedingt direkten Bezug zur Polizeiarbeit haben müssen, sucht sich jeder Bewerber eines aus und hat dann zehn Minuten Vorbereitungszeit für einen frei zu haltenden Vortrag mit einer Dauer von fünf Minuten. Ist denn eigentlich der Einstellungsberater Reich beim Test dabei? „Nein, damit habe ich nichts zu tun.“ Reichs Aufgabe ist die Betreuung der Interessenten im Kreis Kleve. Dazu ist er auch an den Schulen unterwegs. Das Interesse am Polizeiberuf nimmt zu. Und so viel steht fest: Die Anforderungen sind hoch — höher, als mancher glauben mag, und so platzt manchmal schon bein ersten Gespräch der Traum vom Traumjob. Trotzdem: So manchen Bewerber sieht Reich später wieder — als Kollegen in Uniform. Übrigens: Man muss nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, um in den Polizeidienst zu kommen. „Bewerber aus EU-Mitgliedsländern sind deutschen Bewerbern praktisch gleich gestellt“, stellt Reich klar. Bewerber aus nicht EU-Ländern können eingestellt werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht und die Sprache des jeweiligen Herkunftslandes gesprochen wird. Bewerber dürfen am Einstellungstag höchstens 32 Jahre alt sein.