Schreibkraft
Heiner Frost

Ein Papst auf dem Hexenbesen

Fotos: Rüdiger Dehnen

Man könnte ein Buch aufschlagen und Bildergeschichten lesen. Graphic Novel. Man könnte Briefmarken sammeln und sie in ein Album kleben. Dann schliefen sie im Schrank. Man könnte aber auch mit Briefmarken Geschichten erzählen, indem man sie mit Bildern kombiniert und Texte dazu setzt.

Gerahmte Collagen

Was dann entsteht, sind Collagen. Man könnte den Collagen einen Rahmen bieten und sie aufhängen – in einem Treppenhaus zum Beispiel. Gibt‘s nicht? Wohl. Spyckstraße 29 in Kleve. Da wohnt Thomas Brokamp und eben der lädt wieder einmal – es ist das vierte Mal – zu einer Treppenhausausstellung ein.
‚Ge(k)lebte Ökumene‘ ist bis zum 4. Juni freitags zwischen 10 und 13 Uhr und nach Absprache (02821/9776672 oder 0177 34 11 811 oder ) zu sehen.

Kleve, Brokamp, Treppenhaus-Ausstellung

Päpste auf Reisen

Der Mail-Art-Künstler Klaus Cordes schickt Päpste und Reformatoren auf Reisen. Johannes Paul II, Benedikt XVI, Martin Luther und Johannes Calvin können ja eigentlich nicht aufeinandertreffen. Aber: In der Kunst ist alles möglich. Die vier Herren – Briefmarkenköpfe allesamt – bekommen Geschichte(n) angepasst. Klaus Cordes ist der Schöpfer dieser Eigenartigkeiten. Er sucht Bilder (zum Beispiel aus Zeitschriften) aus und passt die Briefmarkenköpfe ein. So entstehen neue Zusammenhänge, witzig, bedenkenswert und textunterlegt. Es entstehen Untrennnbarkeiten aus Dingen, die nie füreinander gedacht oder bestimmt waren. Wer die ‚Ge(k)lebte Ökumene‘ sehen will, muss Zeit mitbringen, denn es geht um viel Text.

Aphorismen zum Hinsehen

Eigentlich, denkt man, ist, was man sieht, ein an die Wand gehängtes Buch. Man setzt sich hin, schlägt die Beine übereinander, schenkt Kaffee ein oder (Mess)Wein und taucht ins Textcollagierte. Man ist mit Johannes Paul II, dem Reisepapst, unterwegs und erlebt krasse Geschichten. Keine Graphic Novel – eher eine Art Cartoonsammlung: Aphorismen zu Hinsehen. Cordes hat sie ausgedacht. Luther und Calvin verreisen in eigene Zitate.

Ein bisschen Busch

Am Ende erinnert all das ein bisschen an die Welt eines Wilhelm Busch: Da zeigt sich einer frech und leuchtet mit der Handkurbeltaschenlampe Abgründe aus. Klamauk ist das überhaupt nicht.
Ein Augenzwinkern ist aber erlaubterwünscht, wenn beispielsweise Johannes Paul II auf einem Hexenbesen unterwegs ist. Cordes’ Humor ist feingrätig und nicht abschätzig. Er zeigt das kleine Kino der großen Dinge und man wünscht sich, demnächst das Treppenhaus zwischen Buchdeckeln. Man möchte die Bildergeschichten mit nach Hause nehmen oder ins Café, in den Zug, in die Welt.

Kleve, Brokamp, Treppenhaus-Ausstellung