Schreibkraft
Heiner Frost

Das Glück ist flüchtig

Foto: Rüdiger Dehnen

So schnell kann‘s gehen mit dem Wiedersehen. Gerade der Bericht über die Selimis aus Bedburg-Hau und ihre Essensspende für die Klever Klosterpforte im Rahmen des Fastenmonats Ramadan.

Der Wert der kleinen Dinge

Faik Selimi möchte nachlegen. Das hat etwas mit dem Zuckerfest zu tun. Zuckerfest? Das Zuckerfest beendet den Fastenmonat Ramadan. Faik Selimi: „Das wird normalerweise groß gefeiert. Die Familie kommt zusammen. Wir feiern das Ende des Fastens. Man beschenkt sich, isst und trinkt zusammen und betet. In Corona-Zeiten findet aber das meiste nur in verkleinerter Form statt.“
Auch zum Ende des Ramadan möchten Selimi, seine Frau und die drei Kinder noch einmal etwas Gutes tun. „Wir haben auch diesmal beim Fasten wieder den Wert der vermeintlich kleinen Dinge zu schätzen gelernt. Wenn vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang gefastet wird, lernen sie täglich, dass Wasser ein Segen – etwas unglaublich Schönes und Wichtiges ist. Das wird einem erst dann wieder richtig bewusst.“

Die Freude der anderen

Und noch eines ist den Selimis – stärker als sonst – noch einmal klar geworden: „Uns geht es gut. Wissen Sie, wir sind nicht reich, aber es geht uns gut und wir haben alles, was wir zum Leben brauchen. Das gilt aber für viele Menschen nicht – egal, ob man dabei an Deutschland denkt oder an die ganze Welt. Eines ist auch klar: Die schönste Freude ist die, die man anderen Menschen machen kann.“
„Während des Fastenmonats“, so Selimi, „sparen wir ja zwei Mahlzeiten am Tag. Das Geld, das dabei übrig bleibt, möchten wir weiter geben.“ Das sieht nicht nur der Papa so – das ist für alle in der Familie klar. „Wir werden uns zum Zuckerfest nicht nur gegenseitig beschenken. Wir möchten, dass von unserer Freude etwas abstrahlt. So zeigen wir am Ende auch unseren Kindern, was Hilfe bewegen kann. Und wir zeigen ihnen, wie viel Wärme es im eigenen Herzen erzeugt, anderen eine Freude zu machen.“

Selimi und seine Familie wollen – wie es zum Zuckerfest üblich ist, Süßigkeiten verschenken – wahrscheinlich an die Klever Klosterpforte –, „aber wir möchten zusätzlich noch Geld für Waisenkinder, Krebskranke und alleinstehende alte Menschen spenden.“

Spenden als Säule des Glaubens

Am Ende des Ramadan beginnt das dreitätige Zuckerfest. Selimi ist es wichtig, auch darauf aufmerksam zu machen, „dass nicht nur unsere Familie etwas tut. Viele Muslime unterstützen weltweit soziale und karitative Einrichtungen. Wir sind gerade dabei, einer Roma-Familie in Rumänien zu helfen.“ Selimi ist selber Roma – er kennt sich aus im Elend.
„Du brauchst immer Ziele im Leben“, sagt Selimi, „und eines meiner Ziele war, ist und bleibt, anderen etwas von dem zurückzugeben, was mir an Hilfe zuteil geworden ist.“ Es geht darum, Gutes weiterzugeben. „Wissen Sie – das Leben ist doch mehr als das Sparen für den nächsten Urlaub. Und wenn man den Wert eines Schluckes Wasser erkennt und das nicht als Selbstverständlichkeit ansieht, dann ist man ein ganzes Stück weiter. Glück ist etwas, das man nicht festhalten kann. Glück ist etwas, das man weitergeben sollte.“

Die Waisen in Bangladesh

Morgen jedenfalls werden die Selimis das Zuckerfest feiern: sie werden sich beschenken, essen, trinken und beten und dabei immer auch an Menschen denken, denen es nicht so gut geht.
Faik Selimi zeigt zum Abschluss einen Film auf Whatsapp: Zu sehen ist eine Waisenspeisung in Bangladesh. Die Kinder halten ein Plakat. Darauf steht: Waisenspeisung 2021 zum 21. Tag des Ramadan: Muslimische Jugend Kleve. Darunter: Mit Spenden Häuser erreichen, die keiner kennt. „Die Jugendlichen aus Kleve haben dafür gesorgt, dass 400 jugendliche Waisen in Bangladesh etwas zu essen bekommen haben.“ Das Glück ist flüchtig. Gib es weiter. Niemand kann es festhalten.

Jede Menge Süßes: Ein Geschenk zum Zuckerfest. Mit der „Auslieferung muss freilich noch bis morgen gewartet werden. Die Selimis freuen sich auf das Fest: Sara, Junior Raim, Mutter Marta, Samuel und Vater Faik (v. l. n. r.). NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Das Zuckerfest

Das Fest des Fastenbrechens oder Eid al-Fitr ist ein islamisches Fest im unmittelbaren Anschluss an den Fastenmonat Ramadan in den ersten drei Tagen des Nachfolgemonats. Je nach Land und Region gibt es Unterschiede in der Art des Festes. Höhepunkt des Festes ist der erste Tag, der mit der Sichtung des Neulichtes nach dem Neumond beginnt. Im Türkischen wird das Fest als „Ramazan-Fest“ oder Zuckerfest bezeichnet. […] Da die Muslime sich bei ihren religiösen Festen nicht am Gregorianischen Kalender, sondern am Mondkalender orientieren, hat das islamische Festjahr nicht 365, sondern 354 Tage. Infolgedessen verschiebt sich das Fest des Fastenbrechens wie die anderen islamischen Feste gegenüber dem Sonnenkalender jedes Jahr um elf Tage nach vorn, wird also jedes Jahr früher gefeiert, in Schaltjahren (je nach Kalender) auch zehn oder zwölf Tage. […] Die Vorbereitungen für das Fest beginnen bereits während der letzten Ramadan-Tage, an denen die meisten Muslime große Mengen an Süßwaren und andere Spezialitäten für das Fest kaufen oder selbst zubereiten. Textil- und Schuhhändler führen während der letzten beiden Wochen des Ramadan eine Art Schlussverkauf durch, der obral lebaran genannt wird. Auch das Haus wird während dieser Zeit vollkommen aufgeräumt und gesäubert. [Quelle: Wikipedia]