Schreibkraft
Heiner Frost

Cloud Museum

Foto: Rüdiger Dehnen

Valentina Vlasic denkt das Ding vom Ende aus: „Stellen Sie sich das einmal vor: Alles, was sie hier in den Schränken sehen, wird für jeden abrufbar im Netz sein“, sagt sie. Wir sitzen in einem Raum des Depots des Museums Kurhaus Kleve.
Alles, was Sie sehen – das sind am Ende rund 30.000 Datensätze. Ein virtuelles Museum mit allem, was dazu gehört. „Wir haben am Ende ja nicht nur die Abbildungen von Kunstwerken – dazu gehören auch alle Informationen, über die wir verfügen.“

Gigantisch

Manche Baustellen sind gigantisch, denkt man. 2018 entstand die Idee von der Digitalisierung – ein Jahr später erfolgte die Bewilligung. Merke: Ideen kosten nichts – anders ist es, wenn sie ausgeführt werden. Es ist nicht der Punkt, über Geld zu sprechen. Und dann wieder doch. Am Rande. 2/5 der Kosten trägt das Ministerium, 2/5 werden vom Landschaftsverband übernommen, 1/5 finanziert die Stadt.
Die Rohdatenbank: MuseumPlus. Das ist gewissermaßen der Motor. Das gesamte Auto entsteht dann in Kleve. „Lutz Issler ist unser Programmierer“, erklärt Vlasic, „und Ingo Offermanns ist für die Oberflächengestaltung zuständig.“ Das sagt sich so leicht und klingt so einfach, aber im Hintergrund ist die Sache kompliziert. Es geht eben nicht allein darum, Datensätze zu erzeugen. „Es geht ja auch darum, wie das am Ende ausschaut“, sagt Vlasic. Merke: Auch die Verpackung zählt.

Neue Herausforderungen

Googelt man unter MuseumPlus, findet sich folgende Beschreibung: „Museen und Sammlungen sind immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen komplexe Abläufe effizient verwalten und den wachsenden Anforderungen und Ansprüchen aus allen Arbeitsbereichen gerecht werden. Sammlungsverwaltung, Forschung, Dokumentation, Ausstellungsplanung, Leihverkehr, Publikationen, Veranstaltungsplanung, Adressverwaltung, mobile Anwendungen, Digital Asset Management, Online-Sammlungen, Portale und vieles mehr müssen durch ein modernes Collection Management System unterstützt werden. Die flexible und webbasierte Applikation MuseumPlus ist genau auf diese Anforderungen zugeschnitten und bietet alle notwendigen Funktionen und Möglichkeiten, um jede Art von Sammlung sowie alle damit verbundenen Workflows schnell, einfach und sicher zu bearbeiten. Ein großer Vorteil ist dabei, dass der Zugriff auf MuseumPlus und damit auf alle aktuellen Daten und Informationen problemlos von jedem Ort und zu jeder Zeit erfolgen kann.“ Angeboten wird MuseumPlus von „zetcom – Informatikdienstleistungs AG“, deutscher Standort ist Berlin.

Foto: Rüdiger Dehnen

Zwei Scanner

Derzeit läuft die Erfassung. Zwei Din-A-3-Scanner stehen für die „Flachware“ zur Verfügung: Grafiken, Fotos, Zeichnungen – was halt so anfällt. Jedes Stück muss bewegt werden. Merke: Der Scanner kommt nicht zum Objekt – umgekehrt wird ein Schuh draus.
Apropos Schuh: Objekte, Plastiken, Schmuck, Keramik – alles also, was auch die dritte Dimension erreicht, kann nicht gescannt werden: Fotografieren ist dann das Mittel der Wahl. „Wir sind froh, dass wir dafür Anne Gossens aktivieren konnten“, sagt Vlasic. Unterm Dach – ebenfalls im Depot: ein eigens aufgebautes Fotostudio.

90 Prozent Flachware

Wie ist das Verhältnis von „Flachware“ zum Rest? Vlasic: „Ich würde mal schätzen, dass ungefähr 90 Prozent dessen, was wir erfassen müssen, gescannt werden kann.“
Wer da denkt, dass im geschlossenen Museum die Corona-Starre herrscht, könnte sich, wenn er denn hinein käme, eines Besseren belehren lassen. Beim Scannen helfen Gerd Borkelmann, Alexandra Eerenstein, Xing Xie, Carmen Gonzales und Stella Hufschmidt. „Auch unsere Empfangsdamen Susanne Seidl und Regine Witt sind mit im Boot.“

Foto: Rüdiger Dehnen

2021 geht’s „auf Sendung“

Zum Jahresbeginn 2012 soll die Datenbank, „egal, wie weit wir dann sind“ ans Netz gehen. Ein Mammutprojekt, das übrigens erweiterbar ist, denn „für die anderen Häuser der Region besteht dann die Möglichkeit, mit in das Projekt einzusteigen und ihre Sammlungen einzupflegen.“ Auf dem letzten Arbeitskreis Regionalkultur hat Vlasic das Projekt vorgestellt.
„Am Ende werden wir ein einzigartiges Archiv anbieten können“, sagt Valentina Vlasic – „the lord of the things“. Ein Teil des Projektes: Das Konvertieren bereits vorhandener Access-basierter Daten.

Kostenfrei und für alle

Zurück zum Anfang, der ja das Ende beschreibt: „Wir werden am Schluss Kunstwerke mit allen notwendigen Informationen in einer drucktauglichen Auflösung anbieten können. Dazu haben wir die Möglichkeit, die Herkunft eines Kunstwerke in einer Karte zu markieren. Wenn dann ein Kurator von irgendeinem Punkt der Welt auf etwas aus unserer Sammlung zugreifen und sich informieren möchte – kein Problem.“ Aber nicht nur Kuratoren werden diese Möglichkeit erhalten. „Auf unsere Datenbank kann am Ende jeder kostenfrei zugreifen“, freut sich Valentina Vlasic. Neben der Datenerfassung wird derzeit auch am finalen Erscheinungsbild gearbeitet. „Wie gesagt: Das liegt in den Händen von Ingo Offermanns, der das Design besorgt und Lutz Issler, der es dann umsetzen wird.“

Alle, was nicht Flachware ist, muss fotografiert werden. NN-Foto: Rüdiger Dehnen