Herr Kaiser arbeitet für keine Versicherung. Aber mit der Sicherheit kennt er sich aus. Herr Kaiser heißt vorne Uwe, und wenn er zur Arbeit geht, hat er den Adler auf dem Arm. Über dem Adler steht „Polizei“. Herr Kaiser ist dienstgradmäßig ein PeHaEmm. Das steht für Polizeihauptmeister. Auf seiner Karte steht oben rechts: Kriminalpräventionsbeamter. Okay — die Kinder aus der 3b der Grundschule können mit dem Begriff „Präventionsbeamter“ wenig anfangen. Den Mann finden sie allerdings o.k. Prävention — na ja — das ist halt: Dafür sorgen, dass gefährliche Sachen erst gar nicht passieren. Herr Kaiser hat eine Kollegin. POM Maren Kuhnen. Und POM steht für Polizeiobermeisterin. Ende der Einleitung.
Dreimal 80
Herr Kaiser erklärt den Tag. „Erst mal werden wir hier ein bisschen lernen. Dann fahren wir mit dem Zug.“ Angebote dieser Art werden gern genommen. Aber: Vor dem Spaß kommt das Lernen. Was gibt es für Schilder, die mit der Bahn zu tun haben? Was ist ein beschrankter Bahnübergang und was ein unbeschrankter. Ein bisschen Kopfrechnen darf es auch sein. „Was bedeuten denn die Barken auf den Hinweisschildern?“ fragt Herr Kaiser. Eine Frage, die — Hand aufs Herz — nicht jeder Erwachsene richtig beantworten würde. Die roten Striche auf den Hinweisschildern stehen für Entfernungen. Jeder Strich bedeutet 80 Meter. Mit drei Strichen fängt es an. Wer weiß, wie weit das ist? Freiwillige vor. „240 Meter“, sagt ein Mädchen. So viel zum Thema: Mädels und Mathe. Die Lehrerin ist zufrieden. Herr Kaiser auch.
Wie schwer ist ein Zug
Jetzt geht es um Gewicht. Wie schwer ist wohl ein Zug? Herr Kaiser erklärt, dass da einiges zusammenkommt. Er zeigt ein Bild mit gaaanz vielen Lieferwagen. Jeder wiegt tausend Kilo. Tausend Kilo — das ist ziemlich viel. Und je nachdem, wie lang ein Zug ist, hat er das Gewicht von bis zu 280 dieser Wagen. Und warum ist das so wichtig? Herr Kaiser erklärt: „Das hat was mit dem Bremsweg zu tun.“ Wenn ein Rennwagen bei 100 Stundenkilometern eine Vollbremsung hinlegt, kommt er nach knapp 30 Metern zum Stillstand. Damit lässt sich rechnen. Ein Regionalexpress braucht 500 Meter. Das ist eine Stadionrunde und noch mal die Huntertmeterstrecke. Ein Güterzug steht erst nach zwei Kilometern. Oh Mann.
Das macht die Züge gefährlich. Und genau deswegen ist Vorsicht so wichtig. Mit einem Zug ist nicht zu spaßen. Und mit den Gleisen auch nicht. Ein Bahnhof ist kein Spielplatz.
Auf zum Bahnhof
Dann kommt die Praxis: Kurzer Spaziergang zum Bahnhof. Herr Kaiser und die Kollegin erklären auch kurz noch mal, wie man sich auf der Straße zu benehmen hat. Und dann: Die weiße Linie auf dem Bahnsteig. Solange der Zug nicht angehalten hat, soll niemand näher als bis zur weißen Linie an die Bahnsteigkante gehen. Schnell könnte was passieren. Herr Kaiser und Frau Kuhnen kennen traurige Geschichten. Nicht nur im Straßenverkehr gibt es Tote. Nein — sie wollen den Kindern keine Angst machen, aber die Kleinen sollen schon wissen, was passieren kann, wenn man nicht aufpasst.
Einmal Kleve und zurück
Dann rollt der Zug ein. „Vorsicht an der Bahnsteigkante.“ Und Vorsicht auch beim Einsteigen. Die Fahrt für die Kleinen hat die Bahn spendiert. („Das können Sie ruhig erwähnen.“ Wird gemacht.)
Was den Normalreisenden nicht erlaubt ist — die Kinder dürfen es heute: „Aus-nahms-wei-se“. Dem Lokführer über die Schulter schauen. Uwe Kaiser: „Die Kinder sollen das Bahnfahren auch einmal aus der Perspektive des Lokführers erleben.“ Später werden sie noch einen Blick ins Stellwerk werfen. „Ich dachte immer, die Polizei ist für die Straßen da“, sagt einer.
Nun ja — die Bundespolizei muss sich auch um die Bahn kümmern. Kaiser und Kuhnen, die Präventionsbeamten haben einen großen Kundenkreis und betreuen (Kaiser seit acht Jahren, die Kollegen nicht ganz so lange) Grund- und Sonderschulen sowie Kindergärten in den Kreisen Viersen, Wesel und Kleve. Da kommt einiges zusammen. In einem normalen Monat (wenn keine Praktikanten bei der Bundespolizei sind) gibt es gut und gerne 20 Präventionsauftritte. Aber natürlich würden die beiden ihr Programm beispielsweise nicht in Haffen-Mehr präsentieren, denn: „Da gibt es weder Zug noch Schienen.“
Bahnhofsbutterbrot
In Kleve angekommen, erklären Kaiser und Kuhnen dann wieder die Sicherheit am Bahnsteig. Als der Pendelzug Richtung Düsseldorf abfährt, winkt der Lokführer aus dem Führerstand. (Man kennt sich. Die Kinder winken zurück.) Während des Ausflugs sind die eigens mitgebrachten Polizeimützen natürlich bei allen Kindern gern gesehen: Vor allem auf dem eigenen Kopf. Und wenn Herr Kaiser Fragen stellt, recken sich viele Finger ziemlich hoch. Aber nicht nur Kaiser stellt Fragen. Auch die Kinder wollen viel wissen. Kaiser und Kollegin bleiben keine Antwort schuldig.
Dann bricht der Hunger durch. „Wir machen mal eine kurze Pause. Da habt ihr Zeit, was zu essen“, sagt Herr Kaiser. Dann der Zug: Zurück nach Goch. Zurück zur Schule. „Da bekommen dann alle Kinder für die Teilnahme eine Urkunde“, sagt Kaiser.
Und sie werden zuhause alle eine Menge zu erzählen haben — von dem Mann mit dem Adler auf dem Arm — vom Bremsweg eines Güterzuges — von der weißen Linie am Bahnsteig und von den roten Streifen auf den Hinweisschildern. Dreimal achtzig Meter.