Schreibkraft
Heiner Frost

50 Namen, 50 Leben, 50 Tode

Johannes van Lier (Mitte) bei der Vorstellung seines neuen Buches.

„Im Kampf für Grossdeutschland ist Ihr Sohn Oberschütze Robert Schmitz gefallen. Er wurde am 11. 2. 1942 mit einem Bauchschuss im Feldlazarett eingeliefert und verstarb heute an den Folgen seiner Verwundung.“

Schall und Rauch

Es begann mit 50 Namen. Namen, heißt es, sind Schall und Rauch. Eine Verbindung zur Wirklichkeit transportiert sie vom Zustand einer „optischen Tapete“ zum Teil einer erfahrbaren Geschichte.
„Ich spreche Ihnen und Ihrer Familie unser sehr herzliches Beileid zu dem schweren Verlust, der sie betroffen hat, aus.“
50 Namen finden sich auf einem Kriegerdenkmal an der Kirche in Mehr. 50 Namen – im wahrsten Sinne des Wortes in Stein gemeißelt und doch dem Vergessenwerden ausgeliefert.

Eine Stimme der Mehrer Geschichte

Johannes van Lier ist – wie soll man sagen – eine wichtige Stimme der Mehrer Geschichte. Zwei Bücher über das Dorf in der Düffel hat er bereits veröffentlich – hat sich auf die Spur der Historie begeben. Jetzt ist mit „Mehr – Erinnerungen an Schicksale in den Weltkriegen“ sein drittes Mehr-Buch erschienen. „Und wahrscheinlich wird es auch mein Letztes sein.“ Sag niemals nie.
„Die Beisetzung erfolgte in Amwrosijewka, etwa 20 Kilometer nordwestlich von von Uspenskaja, circa 600 Meter vom östlichen Bahnübergang, an einem Wiesenhang unter vier Eichen. Der Nachlass wird in etwa 14 Tagen übersandt.“
Robert Schmitz – ein Name von den 50 auf dem Kriegerdenkmal in Mehr, das zum Gedenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege errichtet wurde.

Ein Mahnmal

Johannes van Lier hat den Namen ihre Geschichte zurückgegeben – hat aus Buchstaben, die in Stein gehauen wurden, Lebensgeschichten gemacht; hat den Namen Gesichter gegeben und sie erlebbar gemacht; hat mit noch lebenden Zeitzeugen gesprochen, Quellen durchforstet und das von ihm gesammelte Material zu einem Mahnmal der anderen Art gemacht: Es ist ein Mahnmal (Denk mal!) in den Köpfen der Leser. „Ich denke, das ist gerade heute von großer Bedeutung“, sagt van Lier und meint den Krieg in der Ukraine und die Kämpfe im Gaza-Streifen.

Erschütternde Geschichten

Wenn man sich durch die 110 Seiten des Buches arbeitet (ja, Arbeit ist das richtige Wort, denn ein Lese-Vergnügen kann es nicht sein, all diesen Todesgeschichten hinterherzuspüren), wird ein Stück Geschichte lebendig. Nein – eigentlich wird nicht die Geschichte lebendig: Es sind die erschütternden Geschichten der handelnden Personen, die nur noch durch ein fernes Echo vernehmbar sein.

Jung gestorben – spurlos irgendwie

Es ist ein eindringliches Echo. Eines, das ander Seele nagt – vor allem dann, wenn man sich klar macht, wie jung da gestorben wurde. Menschen, die alle Zeit gehabt hätten, Lebensspuren zu hinterlassen: ausgelöscht. Man muss Danke sagen an einen, der sich mit all diesen Geschichten befasst und sie dem Vergessenwerden entrissen hat.

„Robert Schmitz erlag fünf Tage nach seiner Einlieferung in ein Feldlazarett seinen schweren Verletzungen. Seine Kameraden betteten ihn zur ewigen Ruhe. Sein Wunsch, seine Lieben in der Heimat wiederzusehen, ging nicht in Erfüllung“.

Herausgegeben wurde das Buch vom Heimatkundeverein „Die Düffel“. Gefördert wurde das Projekt vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte und dem Förderverein für Geschichte und Mundart „För Land en Lüj“.
Zu bekommen ist van Liers Buch (ISBN 978-90-827736-5-1, Preis: 10 Euro) am Tourist Info Center Alter Bahnhof in Kranenburg, beim Heimatkundeverein „Die Düffel“ und bei den Buchhandlungen Hintzen und Feldkamp in Kleve.