Schreibkraft
Heiner Frost

Münster, Moppäd und Kometen

Foto: Rüdiger Dehnen

Johannes Meurs ist am Ende seines Polizeilebens angekommen. Wenn jemand Überzeugungstäter war, dann wahrscheinlich er. Das ‚wahrscheinlich‘ können wir streichen.

Münster und Moppäd

Angefangen hat Meurs in Münster – er war gerade 16 geworden. Einmal die Woche ging es zurück an den Niederrhein. Für eine Führerscheinprüfung musste Meurs mit dem Zug nach Hause. „Da sagte unser Chef: ‚Na, dann hast du ja endlich ein Auto‘.“ So kann Mann sich irren. Meurs hatte die „Moppäd-Prüfung bestanden. Als der Spieß in die Papiere schaute, sagte er: „Mein Gott, die lassen ja jetzt auch Kinder zur Polizei.“
Fortan fuhr Meurs am Wochenende mit dem Moped gen Kranenburg. Meurs pendelte auch im Winter zwischen Münster und Kranenburg. „Ich hatte oft genug Schnee auf den Armen und die haben mich vom Moped gehoben, weil ich festgefroren war. “ Die Polizeikaserne – das war auch ein Stück Familie durch die Woche. „Ich war der Jüngste da und die haben mich aufgenommen und sich gekümmert.“ Polizeiromantik? „Das nicht. Aber es war eben eine wichtige Zeit.“

Schützengraben

Meurs und seine Kollegen waren die letzten, die eine ‚militärische Ausbildung‘ durchliefen. „Wir haben noch mit dem G3 im Schützengraben gelegen und wenn ein Schuss krachte, bin ich vom Rückschlag bald hinten rausgeflogen. Das kann man sich heute kaum vorstellen.“ Nächste Station: Linnich bei Aachen. Kleiner Unterschied: „Da war der Drill noch größer. Da mussten wir dann beispielsweise mit Maschinenpistole über eine Grenadierwand. Manchmal war ich da leicht überfordert.“ Auf dem Programm stand unter anderem das DLRG-Abzeichen. Ansage vom Chef: „Hier geht keiner raus, solange der Meurs nicht die 25 Meter getaucht hat. Und? Was machst du? Tauchst die Bahn, kotzt und gehst raus.“

Der „Echte”

Meurs machte ein Praktikum am Düsseldorfer Flughafen. Oberwachtmeister im Einzeldienst. „Das war zur Baader-Meinhof-Zeit.“ Es lief einer der ersten Terroristen-Prozesse. Mittlerweile hatte Meurs einen „echten“ Führerschein. Mit 17. „Ich durfte also auch Dienstwagen bewegen.“ Da ist es noch: Das Amtsdeutsch. Es folgte: Die erste Fachprüfung in Essen-Schellenberg. „Da wurde man Polizeihauptwachtmeister und wurde in den Einzeldienst versetzt. Ich habe Schwein gehabt: kam als junger Bengel in den Schutzbereich IV nach Düsseldorf und da ging die Post ab. Ich hab‘ mir ein Zimmer genommen – im ‚Bullenkloster‘. So nannten wir das. Da stand nur dein Bett. Ende, aus die Maus. Ich habe dann fast rund um die Uhr Dienst gemacht, weil ich solchen Spaß hatte. Mein Ziel war, Zivilfahnder zu werden. Ich habe mich angeboten, habe gesagt: Mich könnt ihr immer anrufen. Ich komm.“ Eine prägende Zeit, in der Meurs „wahnsinnig viel lernen“ durfte. „Das klingt vielleicht komisch, aber alles war irgendwie geprägt von Leichtigkeit.“

Wo wir sind, ist vorne

„Im Schutzbereich IV war damals auch das ‚horizontale Gewerbe‘ angesiedelt. Da sind wir schon mal morgens zum Kaffee hin. Ich war häufig derjenige, bei dem sich die Mädels ausgeweint haben. Die wussten: Ich wollte nichts von denen. Ich glaube, wenn die Situation in der Familie sich nicht so entwickelt hätte wie sie sich entwickelte, wäre ich da hängen geblieben. Das war mein Ding: Polizei und Streifenwagen und ‚wo wir sind, ist vorne‘. Das machte riesig Spaß.”

Kometenhaft

Anekdote am Rande: Als Meurs im Schutzbereich IV in Wersten anfing, waren da noch zwei andere, die mit ihm begannen. „Wir kommen in einen Raum: Da stehen drei Stühle. Einer für den Chef – dahinter noch zwei andere. Was macht der Meurs? Setzt sich auf den Stuhl vom Chef. Ich war 19. Unbedarft. Da kommt der rein – Lange hieß der – und seine gesamte Gesichtsfarbe muss sich wohl verzogen haben. Ich natürlich sofort aufgestanden. Platz geräumt. Freundlich gegrüßt … Zu spät. Das war natürlich das Allerletzte. Das ging gar nicht. Ich weiß noch, dass mein Dienstgruppenleiter mir damals sagte: ‚Berufsbeamter Meurs, Junge, hier hast du aber so was von verkackt. Wie kannst du dich auf den Stuhl vom Chef setzen?‘

Kohle und Jaguar

Dann bekamen wir einen Einsatz beim Abschleppdienst für die Polizei.” Meurs‘ zweite Chance. Da steht ein Typ und will seinen Wagen abholen. „Der war gut gekleidet – hatte aber kein Geld.” Immer, wenn ein solcher Fall auftrat, bekam die Polizei einen Einsatz. „Es ging dann darum, die Personalien aufzunehmen.” Der Mann, der seinen Wagen abholen wollte, sprach mit leicht englischem Akzent. Sein Auto: ein Jaguar. Das Geld: wahrscheinlich nachtsüber bei den ‚Horizontalen‘ gelassen. Meurs leiht dem Typen kurzerhand Geld und macht sich zum Gespött der Kollegen. Nie werde er die Kohle wiedersehen. Das sei doch wohl klar. „Die haben sich alle totgelacht.” Natürlich glaubte niemand dem jungen Kollegen, dass er sein Geld zurück überwiesen bekam. Abschließender Kommentar der Kollegen aus dem Schutzbereich IV: „Wie kann man so bekloppt sein?” Das Ganze natürlich eigentlich keine Frage – es war eher schon eine Zustandsbestimmung. „Jetzt fängt der an, Leuten, die ihr Auto abholen, Geld zu leihen.”

Ein Gentleman

Später stellte sich heraus, dass der Typ irgendein ziemlich hohes Tier aus dem Oberkommando der britischen Streitkräfte Nord, hassenichgesehn, war. Der „Jaguaner” schrieb an die Polizei und bedankte sich. „Das kam dann über zig Umwege beim Chef an.” Richtig – das war der mit dem Stuhl. „Herr Meurs”, sagt der und zieht den Namen in die Länge, „Herr Meurs, ich wusste gar nicht, dass Sie so sind.” Meurs direkter Vorgesetzter kommentiert: „Berufsbeamter Meurs, du kannst machen, was du willst, aber so kometenhaft ist hier noch keiner aufgestiegen.”

Rückkehr

1980: Meurs‘ Rückkehr nach Kleve. „Das hatte familiäre Gründe. Ich habe mich um meinen Vater gekümmert.“ Kleve war „erst mal ein Schock. Ich sag: Was ist denn hier los? Hier ist ja nichts los.“ Meurs ist zuerst im „Einsatztrupp“ tätig. Dann im Bereich Fahndung – hart erarbeitet.
„Das war meine Welt. Danach durfte ich die sogenannte Alarmgruppe aufbauen. Die wurde und wird bei besonderen Lagen eingesetzt.“ Meurs Ziel: „Die mache ich jetzt topfit.“
Meurs war mit der Mittleren Reife zur „Firma“ gekommen. Jetzt legte man ihm nahe: Abitur nachholen. Studieren. Ziel: Diplomverwaltungswirt. „Ich hab‘ da nie Bock drauf gehabt. Ich wollte auf dem Streifenwagen bleiben.“ Gemacht hat er‘s dann trotzdem. Ein bisschen Druck vom Chef war allerdings dabei.

Besser machen

„Ich war Mitte 30. Zwei Kinder zuhause.“ Das Motto jetzt: „Ich wollte es besser machen. Ich hatte über die Jahre viele Fehler entdeckt. Das wollte ich ändern.“ Meurs macht die erste Kollegenbefragung zum Thema „Arbeitszufriedenheit“ bei den Kollegen. Ergebnis: nicht berauschend. Meurs sagt: „Grottenschlecht.“ Meurs macht Verbesserungsvorschläge. Nach dem Studium kommt er über Krefeld wieder nach Kleve: die 90-er Jahre.

Querdenken

Die neue Auftragslage hatte etwas mit den hohen Unfallzahlen im Kreis zu tun. Über 50 Tote. (Zum Vergleich: 2019 starben 15 Menschen auf den Straßen des Kreises.) Es wurden „Querdenker“ gesucht. Das Wort war damals – wie soll man sagen – weniger belastet. Querdenken? Genau Meurs‘ Ding. Es entstand das Projekt „Ein Jahr danach“. Die Polizei befragte Menschen, deren Angehörige bei Unfällen ums Leben gekommen waren. Das Ergebnis: niederschmetternd. „Ein Jahr danach hat alle verändert, die mitgearbeitet haben.“ Die Resonanz der Betroffenen: „Was ihr mit uns macht, das geht so nicht.“

Klever Modell

Das war der Anstoß, aus dem sich das „Klever Modell“ entwickelte. Meurs: „Das Modell ist eine Struktur, in der es möglich ist, auf Ereignisse unmittelbar zu reagieren und den Menschen beizustehen.“ Das Stichwort: aktiver Kontakt. „Du kannst nicht warten, bis jemand anruft. Du musst anrufen. Die Menschen auffangen, ihnen die Informationen geben, die so wichtig sind.“ Parallel änderte sich auch der Umgang mit Opfern von Kriminalität. „Wir waren ja schon seit drei Jahren mit Tod befasst – egal, ob bei Kriminalität oder in Sachen Verkehrstote.“

Anders hinsehen

Es ist, wie es häufig ist im Leben von Meurs: Er meldet sich. Opferschutz wird sein Ding. „Es ging darum, anders hinzusehen – etwas Neues aufzubauen.“ Auftragslage seitens des Ministeriums: Kümmern um Kriminalitätsopfer. „Aber wir hatten schon einiges gelernt über den Umgang mit Krise und Tod.“ Ein paar Dinge mussten es sein: Erreichbarkeit 24/7 – rund um die Uhr also. „Nicht nur ein bisschen was.“ Das Motto: Was nützen 1.000 Flyer, wenn man nicht zugeht auf die Menschen? Das Stichwort: Pro aktiv in die Krise. „Das war ganz neu. Wir hatten gelernt: Wir müssen den ersten Schritt tun. Du kannst 1.000 Flyer drucken – das heißt nicht, dass dich jemand anruft.“ Weitere Erkenntnis in Bezug auf die Opfer: „Ich hab‘ die Bringschuld – nicht die.”

Um Akzeptanz wird geworben

Das Ganze war – im Hinblick zu den Kollegen von der Kriminalpolizei ein „Riesending”. „Die dachten doch erst mal: Da pfuscht uns jemand in die Arbeit.” Um Akzeptanz musste geworben werden. Heftig. „Heute fragt niemand mehr danach. Das macht mich glücklich.” Gerd Hoppmann, ehemaliger Leiter der Mordkommission Krefeld und noch nicht lange im Ruhestand, sagte mal zu Meurs: „Ihr seid die einzige Behörde, die über einen guten Opferschutz verfügt.” So geht Lob. Es begriffen dann alle ziemlich schnell: Was da in Kleve passierte, war konstruktiv. „Ich habe mir sicherlich nicht immer Freunde gemacht”, blickt Meurs zurück.

Fester Ort, feste Nummer

Er wollte, dass der Opferschutz seine Telefonnummer behielt. „Wir waren, glaube ich, die einzige Behörde, die 20 Jahre lang die gleiche Telefonnummer hatte.” Was Meurs noch wollte: Einen festen Standort. Es wurde: Goch. Gut erreichbar. Der Bahnhof in der Nähe. Alles „vom Kunden” aus gedacht. Alles kam aus der Ecke: Wir wollen es jetzt besser machen. Es ging darum: Wie geht man strukturiert vor? Es ging darum: Was braucht der Mensch in der Krise? „Das hat dann natürlich alle anderen Projekte auch voran getrieben – zum Beispiel das Thema ‚häusliche Gewalt‘. Der Ansatz: Wir rufen an, wenn eine Wohnungsverweisung stattgefunden hat.”

Zeugenbetreuung

Ein weiteres, mittlerweile erwachsenes Kind, das aus dem Tun hervorging: die Zeugenbetreuung an der Burg. „Ich hab‘ da einfach nur Glück gehabt. Die richtigen Leute getroffen. Allen voran Conny Zander. Zack! Die Frage: Was machen wir? In Köln gab es damals ein Projekt. Die hatten einen Zeugenraum. Geld wurde ausgegeben – für einen Tisch und ein paar Stühle. Aber: Die Menschen dahinter waren nicht da.” Meurs und Zander sind sich einig: Das geht so nicht. „Bei Verbrechen ist es ja so: Die Polizei hat den ersten Kontakt. Da geht es um vertrauensbildende Maßnahmen. Danach muss es nahtlos weitergehen, denn irgendwann muss ein sauberer Übergang stattfinden. Bis zu einer Hauptverhandlung vergeht oft viel Zeit.”

Rechtsgeschichte

In Kleve, so Meurs, habe man Rechtsgeschichte geschrieben: mit dem Gülsüm Urteil. „Da ruft der Vater seinen Sohn an und sagt dem: Bring‘ deine Schwester um. Ich denke, das war 2009. Der Vater wurde dann vor dem Landgericht zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann ist revisionsfrei verurteilt worden, aber nur, weil Zeugenbetreuung und unser System richtig funktioniert haben.”

Wir sind die Ersten

Im Bereich von Netzwerken war die Strategie ähnlich: Kontakte aufbauen, Vertrauen aufbauen, Kontakte halten, Netzwerk erweitern. „Die wussten alle: Wenn der uns jemanden schickt, ist das anmoderiert. Die wussten: Sie sitzen da jetzt nicht endlos und sprechen über Hänsel und Gretel. Und genau das ist der Punkt, den Polizei leisten kann: Wir sind in der Krise. Wir sind die Ersten. Die Menschen müssen dann anschließend nicht zu einem Therapeuten und sich durch die Schmach kämpfen, zu erzählen, was passiert ist.” All das haben Meurs und seine Kollegen über die Jahre gelernt. Immer wieder haben sie nachgefragt und aus den Antworten neue Lösungsansätze entwickelt.

Weltveränderung

Für Opfer von Straftaten oder Unfällen verändert sich die Welt. Ein Schlag und nichts ist mehr, wie es war. Meurs: „Wenn jemand umgebracht wird, kannst du wochenlang darüber lesen. Da werden alle Bedürfnisse nach Information nahezu lückenlos befriedigt. Aber was, wenn einer – sagen wir – vom Gerüst fällt und stirbt? Da nehmen sich die Angehörigen doch keinen Anwalt, um in die Akten sehen zu können. Wer versorgt die mit Informationen? Denn eines ist mal sicher: Fragen haben die jede Menge. Wer kann die Fragen beantworten? Wir. Die Polizei. Das haben wir gelernt.”

Suizid

Auch da haben Meurs und seine Leute viel mitbekommen. Beim Thema Suizid schwinge ganz häufig eine Schuldfrage mit. „Bin ich Schuld, oder wer ist sonst Schuld? Schuldige werden gesucht. Auch dafür ist Polizei da. Aber manchmal gibt es weder Schuld noch Schuldige. Es ist dann wichtig, dass wir den Menschen sagen: Da ist keine Schuld. Bei niemandem.” Am Ende gilt es dann, zu respektieren, dass jemand einen solchen Schritt gewählt hat und diesen Weg gegangen ist. Da ist dann kein Abschiedsbrief. Keinen Fingerzeig. Und noch etwas: Gerade wenn es um Suizid bei jungen Menschen geht, müssen wir da sein. Wir sind die Firma, die für Gefahrenabwehr zuständig ist.”

Im letzten Moment

Eine junge Frau bringt sich um: Tod auf den Schienen. Meurs forscht nach: Die junge Frau hatte Kontakt zu zwei Freundinnen. Gleiches Alter. Kennengelernt haben sich die drei in einer Klinik. Eine von den beiden Freundinnen bringt sich zur selben Zeit um. Irgendwo im Münsterland. „Die dritte haben wir gerade noch gerettet. Die stand in Düsseldorf auf den Schienen. Das hat uns tief geprägt.”

Verantwortung

Es gehe, vor allem für die Medien, um den verantwortungsvollen Umgang mit einem solchen Thema. Es gehe nicht um ein „ja” oder „nein”. „Wenn jemand sensibel und verantwortungsvoll mit einem solchen Thema umgeht, kann das sehr nützlich sein. Wahrscheinlich – das ist leider wahr – wird das niemanden abhalten, aber es kann für die, die danach weiterleben, eine Stütze sein, wenn sie erfahren, dass es auch anderen so geht – dass es viele Fälle gibt, in denen der Begriff Schuld keine Rolle spielen darf.

Lernende bleiben

Für alle Gebiete gilt: Wenn wir Lernende bleiben – und zwar in allen Bereichen –, dann werden die Ergebnisse unserer Arbeit sich verbessern. Im Umgang mit Krise sind die Dinge nie schwarz und weiß. Es gibt aber immer einen roten Faden. Es geht um Strukturen. Strukturen sind nicht dazu da, dass Arbeit verkrustet – das wäre genau das Falsche. Strukturen stellen die Freiheit zur Verfügung, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Darum geht es. Immer. Natürlich können in jeder Struktur auch Fehler passieren. Genau an diesem Tag war alles anders. Diesen Satz habe ich mir schon so oft sagen müssen. Ein Struktur ist keine Handlungsschablone und so klar, wie es scheint, gilt vor allem eines: Es gibt keine zwei Geschichten, die gleich sind.”

Ohne zeitliche Verzögerung

Ein letztes Mal die Frage danach, was eigentlich das Klever Modell ist. „Beim Klever Modell geht es um den Tod von Menschen, aber auch um lebensbedrohliche Situationen – Unfälle oder Unglücksfälle, längst auch um Suizide oder besondere Straftaten, wo ein Sachbearbeiter sagt, dass er uns braucht. Es geht um die Struktur eines Bereitschaftsdienstes, der ohne zeitliche Verzögerung mit Anbindung an das System Polizei tätig wird, um Betroffene im Umkreis des jeweiligen Opfers erstens zu benachrichtigen und zweitens pro aktiv aufzusuchen, um dabei auch zu sehen, wer für sich oder andere eine Gefahr darstellt.

Wir haben die Informationen

Man muss sich ja nur vorstellen, jemand wird zuhause angerufen und über den Tod eines nahen Angehörigen informiert. Der setzt sich in Panik ins Auto – verursacht schlimmstenfalls einen weiteren Unfall. Noch schlimmer: Jemand erfährt eine solche Nachricht übers Radio. Da ist ein Verwandter von der Arbeit nicht nach Hause gekommen und dann wird irgendwo gemeldet, es habe auf der Strecke einen schweren Unfall gegeben, an dem ein Fahrzeug bestimmten Typs und bestimmter Farbe beteiligt war. Das ist eine Katastrophe. Auch noch wichtig: Wir versorgen die Menschen mit Informationen und das rund um die Uhr und natürlich auch am Wochenende. Wir werden häufig reduziert auf das Überbringen von Todesnachrichten. Das ist zu wenig. Das Klever Modell steht für eine Struktur, die die Polizei des Kreises Kleve sich gegeben hat, um mit den speziellen Bedürfnissen der Menschen in solchen Ausnahmesituationen adäquat umzugehen.”

Abgedreht

Noch bis zu Meurs‘ Abschied am Freitag dreht ein ARD-Team eine Dokumentation über die Arbeit.  Danach ist „abgedreht“. Noch ist nicht klar, wann der Beitrag zu sehen sein wird, aber es wird darin auch um das „Klever Modell” gehen, das in seiner Form noch immer einzigartig ist. Opferschutz – es mag pathetisch klingen – ist Meurs‘ Lebensaufgabe. „Aber Karriere machst du damit nicht“, sagt Meurs. Was natürlich von der Definition abhängt. Meurs hat viel erreicht für den Opferschutz. Jetzt ist Schluss damit. Es bleibt: ein lachendes und ein weinendes Auge. Das Büro in Goch ist geräumt. Es wird ein leiser Abschied. Corona macht alles andere unmöglich. Und Tschüss.

Foto: Rüdiger Dehnen