Es hat ein bisschen gedauert, bis es geklappt hat mit dem Termin. Motto: Besuch bei alten Nachbarn …
Persönlich
Manchmal ist alles irgendwie persönlich – jetzt zum Beispiel. Ich bin in Aspel groß geworden. Klösterliche Umgebung als Heimat. Messdiener gewesen. Musik gelernt. Der Vater: Gärtner in Haus Aspel. Immer wieder der Satz: „Heiner, ich kannte dich, da warst du noch so klein.“ Da werden dann Körpermaße weit unter der Ein-Meter-Grenze angezeigt. Eigentlich reicht das Kennen bis ins Säuglingsstadium zurück – nicht auf meiner Seite, versteht sich. Bei den Besuchen im Kloster gab‘s immer auch Schokolade. Dann das Erwachsenwerden. Weg von Aspel. Besuche bei den Eltern.
Dann, irgendwann: der Schock. „Schon gehört? Die Nonnen verlassen Aspel.“ Alles längst Geschichte, denkt man. „Wo sind die eigentlich hin?“, fragt man. Vielleicht mal hinfahren … so fing es an.
Das klingt gut
„Kommen Sie doch zum Mittagessen“, sagt Maria Beate Reifenberg. Sie ist die Oberin. „Okay. Das klingt gut. Und wir bringen Kuchen mit fürs anschließende Kaffeetrinken“, sage ich. Wir – das sind meine Wenigkeit und meine Schwester.
Abfahrt 9.30 Uhr. „Sie werden mindestens zwei Stunden brauchen“, hat Maria Beate meiner Schwester gesagt. Also: auf – in Richtung Aachen. Adresse ins Navi getippt. Fertig, los. Zwei Stunden und zehn Minuten später: Ziel erreicht: Haus Maria im Venn: Senioren- und Pflegeheim. Man hatte im Vorfeld gegoogelt. Stichworte: Das neue Zuhause; Moderne Ausstattung; Barrierefreiheit an jeder Stelle.
Beim ersten Sichtkontakt springt der Vergleichsmotor an. „Aspel ist schöner“, sage ich und meine Schwester nickt …
Viel Lachen, viel Erinnerung
Maria Beate Reifenberg holt uns an der Pforte ab. „Wir gehen zuerst mal in unseren Speiseraum“, sagt sie. Es ist kurz vor zwölf. Mittagessenszeit. Im Speiseraum: Begrüßung. Viel Lachen. Viel Erinnerungen. „Da hinten – das ist unser Wohnbereich“, sagt Maria Beate Reifenberg und zeigt auf einen weiter hinten liegenden Gebäudetrakt. „Das zeige ich Ihnen dann nach dem Mittagessen.“
„Sind Sie mittlerweile angekommen?“, frage ich. „Ja.“ Ein klares Ja. „Es geht uns gut hier.“ Auf dem Weg zum Wohnbereich: Blick in die Kappelle: ein heller Raum mit reichlich Platz. „Wir haben zusätzlich eine kleine Kappelle in unserem Wohnbereich.“
Unwiederbringlichkeit
Dann der Gang ins neue Zuhause: Besuchsräume, Gruppenräume, Archivräume.“ Ein Blick ins Archiv: Abgeheftete Vergangenheiten. Irgendwo tief innen taucht ein Schmerz auf. Es ist der Schmerz im Angesicht der Unwiederbringlichkeit.
Ist Stolberg das neue Zuhause? „Ja. Geschrieben würde ich das ‚neue Zuhause‘ allerdings in Anführungsstriche setzen, denn Haus Aspel und der Niederrhein sind und bleiben in uns immer lebendig“, sagt Maria Beate und fügt hinzu: „Von diesem wunderschönen Haus Aspel aus und vom Boden der heiligen Irmgard von Aspel haben die Schwestern unserer Ordensgemeinschaft 172 Jahre an vielen Orten in Nordrhein-Westfalen im Dienst am Menschen, vom Kind bis zum alten Menschen, Leben und Liebe verschenkt, in der Sozialarbeit und bei Menschen mit Behinderungen, in der Kranken- und Altenpflege und in Krankenpflegeschulen, in Grundschulen und Gymnasien, in Bildung und Weiterbildungsangeboten.“
Das neue Zuhause: ebenfalls ein Kloster.
Gedanken über die Zukunft
Maria Beate erklärt: „Die Ordensgemeinschaft der Christenserinnen wurde in den letzten Jahren ebenso wie unsere Ordensgemeinschaft in Deutschland zahlenmäßig so gering, dass Gedanken über die Zukunft unerlässlich waren. Der Vorstand der Stiftung der Christenserinnen entschloss sich, das ehemalige und inzwischen leerstehende Mutterhaus in Stolberg-Venwegen für betreutes Wohnen umzubauen. In diesem ehemaligen, sanierten Mutterhaus wohnen wir nun zur Miete. Entlastend für uns ist es, dass dieses Haus so umgebaut worden ist, dass es auch, wenn wir den Platz nicht mehr brauchen, weiter für Menschen, für die ein betreutes Wohnen erforderlich wird, vermietet werden kann.“
Hin und her
Der Umzug fand zwischen Februar und Mai 2023 statt. 16 Mal ging es mit einem gemieteten 7,4-Tonner die 170 Kilometer hin und her. Irgendwie, denke ich, passen die Zahlen zueinander: 172 Jahre waren die „Töchter vom heiligen Kreuz“ am Niederrhein. Jetzt sind sie 170 Kilometer weg und je nachdem, welchen Weg man wählt, sind es auch ein paar Kilometer mehr. Zurück zum Umzug: Möbel, Kisten, Koffer – alles musste transportiert werden. Maria Beate: „Jede Schwester richtete sich mit unendlich viel Hilfe unserer Handwerker ihren Wohnbereich ein. Alles, was in den Zimmern und allgemeinen Räumen steht, kommt aus dem Aspeler Bestand. Jede Schwester hat ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer sowie Dusche und WC. Im Wohnraum ist die Möglichkeit für eine Küchenzeile vorbereitet. Da wir aber weiterhin in Gemeinschaft unsere Mahlzeiten einnehmen, brauchte diese Küchenzeile nicht voll installiert werden. Acht dieser Räumlichkeiten sind auf drei Etagen mit jeweils einer Teeküche, einem Vorratsraum und den Büros für Orden und Verwaltung. In der Parterre ist eine Kapelle. Dort steht der wunderschöne geschnitzte Altar aus dem Irmgardisstift – ein original Langenberger Altar, der für eine unserer Niederlassungen in Düsseldorf im Jahre 1905 erworben wurde. In der Parterre sind auch unsere Archivräume sowie ein kleiner Besprechungsraum. Die große Klosterkirche, in der an jedem Tag die Eucharistie gefeiert wird, steht uns zur Verfügung. Für die Seelsorge im Haus ist ein Steyler Pater zuständig, der außerdem vom Bistum Aachen für die Seelsorge im Klinikum Aachen angestellt ist.“
Drei Wohngruppen
Verpflegt werden von der Zentralküche insgesamt 115 Bewohner. „Das Frühstück und das Mittagessen nehmen wir gemeinsam ein in einem schönen Speiseraum mit den Möbeln, dem Porzellan, und Besteck von Haus Aspel ein. Der Raum ist unmittelbar an die Küche angrenzend. Zu Abend essen wir mit unseren Mitschwestern der drei Wohngruppen – jeweils fünf bis sechs Schwestern – in den Teeküchen der Etagen. Im Hinblick auf den Weggang von Aspel war es für uns von großer Bedeutung, dass wir als Gemeinschaft zusammenbleiben. Das ist uns mit dem Wechsel nach Venwegen geglückt und wir erleben das als Geschenk.“
Nachdenken über Abschiede
Auch über einen Abschied der anderen Art musste nachgedacht werden: „Unser Aspeler Friedhof bleibt erhalten. Unsere verstorbenen Mitschwestern werden seit mehreren Jahren auf unserer Klostergrabstätte auf dem Friedhof in Düsseldorf-Unterrath beerdigt. Während der 172 Jahre Töchter vom hl. Kreuz in Deutschland hatten wir die meisten Einrichtungen in Düsseldorf, somit auch eine eigene Grabstätte innerhalb des Kommunalen Friedhofs. Wir sind darüber hinaus sehr dankbar, dass wir weiterhin den Halderner Diakon Bernard Herbst für die Begräbnisfeier in Düsseldorf-Unterrath ansprechen können. Mit dem Aspeler PKW und einem unserer Mitarbeiter (Handwerker), die noch in und für Aspel tätig sind, ist die Autofahrt nach Düsseldorf probhlemlos möglich.“
Enger verbunden
Und wie sieht es mit der verkehrstechnischen Anbindung aus? „Da brauchen wir uns – verglichen mit Aspel – nicht besonders umstellen. Es gibt Busverbindungen nach Aachen und Stolberg. Jedoch sind in Bezug auf das Alter und die Mobilität der Schwestern unsere PKW und die Fahrerinnen oft zu Arztterminen unterwegs. Die ärztliche Betreuung sowie auch die Möglichkeit, Fachärzte in Anspruch zu nehmen, sind groß und sehr gut. Mit unseren Mitschwestern in Belgien sind wir jetzt verkehrsmäßig enger verbunden.“ Zeit für Kaffee und Kuchen. Zeit für alte Geschichten – Geschichten aus einer irgendwie anderen Zeit und von einem anderen Ort. „Kommen Sie gern wieder zu Besuch“. sagt Maria Beate zum Abschied.