Schreibkraft
Heiner Frost

Auch nur’n Mensch

Foto: Rüdiger Dehnen

Mensch ist Mensch
Polizeioberkommissarin Nicole Höpfner ist Hundeführerin und: Trainerin. „Wenn vom Auffinden von Personen oder Gegenständen die Rede ist, geht es zunächst einmal nicht um bestimmte Personen oder Gegenstände.“ Beispiel? Klar: In ein Gebäude ist eingebrochen worden. Die Polizei wird gerufen. Es gilt zu klären, ob eventuell noch ein Täter vor Ort ist. Allerdings unterscheidet der Hund nicht zwischen Täter und anderen Personen. Für den „normalen Schutzhund“ heißt es erst einmal: Mensch ist Mensch. Wenn der Hund nach Gegenständen sucht, gilt das gleiche. Der Hund wird Gegenstände finden, denen noch menschliche Witterung anhaftet.

Lehrberuf Schutzhund

Diensthund ist ein „Ausbildungsberuf“. Die beliebtesten „Lehrlinge“ sind in der Regel Schäferhunde – Belgische Schäferhunde. Ausgebildet wird in Schloss Holte-Stukenbrok. Das liegt zwischen Paderborn und Bielefeld.  Hier befindet sich das ‘Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen Bildungszentrum’. Jeder Hundeführer in Nordrhein-Westfalen kennt den Ort. Jeder ist mit seinem Hund schon mal da gewesen. Nicht nur in der „Abteilung Mensch“ bietet die Polizei Weiterbildung zum Spezialisten an. Das gilt auch für die vierbeinigen Kollegen. Zunächst einmal gilt: Jeder  Diensthund durchläuft die Grundausbildung zum Schutzhund.

Spezialisten

Es folgen Möglichkeiten der Spezialisierung in den Gebieten Rauschgiftspürhund, Sprengstoffspürhund, Brandmittelspürhund. Das Motto: Ausbildung ist immer. Jährlich müssen die Teams (Hund und Hundeführer) einen Test absolvieren. Immer wieder gibt es aber auch Trainingseinheiten.  Kürzlich rückten die Sprengstoffspürhunde nebst ihren menschlichen Kollegen zum Training im Wunderland Kalkar ein. Mit dabei: Uwe Kalina aus Gelsenkirchen mit seinem Hund Nico. Seit 1995 ist Kalina Hundeführer – hatte zunächst einen Drogenspürhund. Jetzt ist er mit Nico auf der Spur des Sprengstoffs. „Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Einsatzgebiete, nämlich Prävention und Praxis“, erklärt Kalina. „Prävention findet vor Großereignissen statt. Das können Sportereignisse sein wie die Fußball-WM vor vier Jahren oder der Besuch wichtiger Politiker sein.“ Dann rücken Kalina, Nico und ihre Kollegen (natürlich gibt es auch Hundeführerinnen) an und suchen nach Sprengstoff. Eben das wird im Training geübt. Sprengstoffe gibt es reichlich. Trainerin Nicole Höpfner:  „Das reicht vom Eigenlaborat bis hin zu gängigen militärischen Sprengstoffen.“ Die „Artenvielfalt“ ist groß. Die Anzahl der verschiedenen Sprengstoffe liegt irgendwo zwischen 50 und 70. Bei einem Training ist es wichtig, möglichst viele erdenkliche Variationen durchzuspielen. Häufig suchen die Hunde nach Kleinstmengen. Wichtig für einen Sprengstoffspürhund: Nur finden, nicht anrühren. Jede Berührung kann  Lebensgefahr bedeuten.

Finden, sitzen, warten

Die Aufgabe des Hundes lautet daher: Sprengstoff finden, hinsetzen, abwarten. In der Realität würde Herrchen Uwe dann seinen Nico kräftig loben und die Sache dem „Räumdienst“ übergeben. Im Training wird der Hund natürlich auch gelobt, der Kampfmittelräumdienst allerdings muss nicht einrücken. Das erledigen die Trainer. Beim Training will niemand jemandem schaden. Nichts würde explodieren. Damit das Training sich aber nicht zu weit von der Wirklichkeit entfernt, werden nicht immer nur Kleinstmengen versteckt. Wenn es hart auf hart kommt, würde kein Täter Milligramm-Mengen deponieren. Was das angeht, sind Hunde halt auch nur Menschen: Was in der Wirklichkeit vorkommen kann, muss auch Bestandteil des Trainings sein. Wo Otto Normalverbraucher denkt: Wenn ein Hund ein Milligramm findet, dürfte es bei einem halben Pfund kein Problem geben, sagt die Trainerin: „Für die Hunde ist es schon wichtig, dass wir ab und zu auch realistische Mengen verstecken.“ Wenn demnächst auf Schalke die Eishockey-WM eröffnet wird, ist eines schon jetzt sicher: Viele der Sprengstoffspürhunde mit ihren Hundeführern werden sich vor den Spielen im Stadion treffen. So viel zur Prävention. Und was ist Praxis?

Praxis ist das „Nachher“

Uwe Kalina: „Praxis meint das ‘Nachher’ in Bezug auf eine Tat.  Da geht es um das Auffinden von Schusswaffen. Es geht um Tatorte und deren Umgebungen. Es geht nicht nur um Tatwaffen – auch nach Projektilen wird gesucht. All das ist für die Klärung eines Tathergangs natürlich extrem wichtig.“ Auch das wird trainiert. Nicole Höpfner versteckt eine Schusswaffe. Uwe Kalina und Nico rücken an. Das Finden der  Waffe dauert nicht lange. Nico braucht gerade mal drei Minuten – dann sitzt er vor einem Strauch im Gelände des Wunderlandes – den Blick konzentriert auf einen Punkt am Boden gerichtet. Regungslos. Uwe Kalina durchsucht den Boden unterhalb des Strauches und wird schnell fündig. Operation gelungen. Lob für Nico. Ohne Lob geht nichts. Das ist wie im Menschenleben. Kann ein Sprengstoffhund alles finden? Natürlich nicht. Auch einer Spürnase sind Grenzen gesetzt. Das kann manchmal schlicht die falsche Windrichtung sein. Nähert sich ein Hund aus der falschen Richtung – trägt der Wind also die Witterung weg vom Hund – gibt es auch für die routinierteste Spürnase keine Chance. Uwe Kalina: „Da kann es sein, dass ein Hund einen halben Meter neben einem Objekt steht und nichts merkt.“ Die Formel: „Auch ein Hund kann nicht zaubern.“ Nicole Höpfner formuliert es so: „Ein Hund ist auch nur’n Mensch.“

Acht Bomben im Theater

Die Aufgabe beim Training im Wunderland: „Acht Sprengsätze im Theater.“ Die Teams rücken an und bearbeiten gleichzeitig verschiedene Areale des Theatersaals. Dass es acht Sprengsätze zu finden gibt, weiß nur die Trainerin. Für die Teams gibt es kein „Wo“ und kein „Wieviel“. „Wieviel habt ihr schon?“, fragt Nicole Höpfner zwischendurch. „Vier“, kommt die Antwort. Kommentar der Trainerin: „Schlecht.“ Es wird weiter gesucht. Am Ende haben die Hunde tatsächlich alle acht Verstecke gefunden. Antrainiert wird das Suchverhalten natürlich über den Spieltrieb. Für die Hunde ist ihre Arbeit immer ein Spiel, an dessen Ende die Belohnung steht. Gut, dass sie nichts von der Gefahr wissen. Für Nico und seine Kollegen gibt es wenig Unterschied zwischen Bonbon und Bombe.

40.000 – pro Minute

Gibt es eigentlich auch Hunde, die spezielle Menschen finden können? „Ja, die gibt es“, erklärt Nicole Höpfner. „Das sind dann die sogenannten Man-Trailer. Diese Hunde sind in der Lage, aufgrund von Geruchsproben die Spur eines bestimmten Menschen aufzunehmen.“ (Ein Mensch verliert ununterbrochen abgestorbene Hautzellen. Genau gesagt sind es circa 40.000. Pro Minute.  Macht 57,6 Millionen. Pro Tag. Geübte Hunde sind in der Lage, sich auf deren Spur zu setzen.) Außerdem im Einsatz: Leichenspürhunde. Bei den Polizeidienststellen werden allerdings nur Schutzhunde, sowie Drogen- und Sprengstoffspürhunde vorgehalten. Während bei den Polizeibeamten die Teams schon mal wechseln, sind Hundeführer und Hund eine Einheit, die immer zusammenbleibt. Für die Hundeführer endet die Beziehung zum Hund nicht mit Dienstschluss. Der Hund ist quasi Teil der Familie. Uwe Kalina: „Wenn ich Nico morgens begrüße, weiß ich, wie er drauf ist.“ Schließlich kann auch der „Kollege Hund“ krank werden. Dann fällt das Team aus.

Diensthundrentenalter

Von den rund 380 Diensthunden im Land sind 44 Sprengstoffspürhunde, 120 haben sich in Sachen Rauschgift spezialisiert – der Rest ist in der Abteilung Schutzhund tätig. Gibt es ein Diensthundrentenalter? Trainerin Nicole Höpfner: „Das kann man so nicht sagen. Wie lange ein Hund ‘dienstfähig’ bleibt, ist ganz unterschiedlich.“ Fest steht: Schafft er die jährliche Prüfung nicht, heißt das: E d K – Ende der Karriere. Alle Hunde werden vom Staat angeschafft . Für die Hundeführer gibt es monatlich eine Vergütung von circa 85 Euro für Futter und Leckerli. Und wenn der Hunde mal krank werden sollte, kommt die Behörde für die anfallenden Kosten auf. Das Sprengstoffspürhundtraining im Wunderland dauert für Herr und Hund jeweils zwei Tage. Am ersten Tag wird vor Ort gesucht, am zweiten Tag geht es dann ‘raus’. Wichtig ist immer: Möglichst viel unterschiedliche Situationen zu haben. Staatsfeind Nr. 1: Die Routine. Die Anforderungen ändern sich von Einsatz zu Einsatz. Trotzdem gibt es natürlich immer gleichbleibende Verhaltensregeln, und die meisten Kommandos sind wie im ganz normalen Herrchenhundealltag: Sitz, Platz. Wenn ein Diensthund allerdings das Kommando „Voran!“ hört, wird die Sache brenzlig. Dann zeigt er Zähne und gebraucht sie auch. Also nicht „Fass“? Nicole Höpfner: Bei „Fass“ würden die Kollegen höchstens fragen: „Alt oder Pils?“    Heiner Frost