Schreibkraft
Heiner Frost

Werkverzeichnis als Königsdisziplin

Ewald Mataré – Grasende Kuh. Foto: Rüdiger Dehnen

„Das Werkverzeichnis ist die Königsdisziplin der Kunstgeschichte”, sagt Harald Kunde, künstlerischer Leiter des ‚Museum Kurhaus Kleve‘.

Natürlich sagen Seitenzahlen nichts aus über die Qualität eines Buches – das Gewicht erst recht nicht. Trotzdem sei es erwähnt: Das soeben erschienene Werkverzeichnis zu Ewald Mataré umfasst zwei Bände mit insgesamt 862 Seiten und ist mit einem Gesamtgewicht von fünf Kilogramm eher nicht für einen Strandausflug geeignet.
Harald Kunde, Chef im Museum Kurhaus Kleve sagt: „Werkverzeichnisse sind die Königsdisziplin der Kunstgeschichte. So etwas zu erstellen braucht enorme Kenntnis und ungeheuer viel Arbeit. Sabine Maja Schilling und Guido de Werd verfügen über eine enorme Kenntnis (nicht nur) in Sachen Mataré. Bei einem Werkverzeichnis besteht natürlich der Anspruch, dass so vollständig wie irgend möglich alle Informationen zu den einzelnen Arbeiten eines Künstlers enthalten ist. Es geht darum, wo sind die Arbeiten, wem gehören sie, wie groß sind sie – es geht um eine möglichst vollständige Erfassung aller Daten zu jedem einzelnen Werk.“
Das jetzt erschienene Verzeichnis ist übrigens nicht der erste Anlauf. Schon 1987 veröffentliche Sabina Maja Schilling ein erstes opulentes Werkverzeichnis zu Mataré Arbeiten. Es war schnell vergriffen. 1994 erfolgte eine zweite Auflage. Warum jetzt ein neue Fassung des Werkverzeichnisses? Harald Kunde: „Natürlich kann es passieren, dass ‚neue‘ Werke auftauchen und auch Informationen.“ Im ersten Werkverzeichnis sind 589 Arbeiten gelistet, im jetzt erschienen Werkverzeichnis sind es 646.“ Das das neue Werkverzeichnis aus zwei Bänden bestehe, liege, so Kunde, daran, „dass es sozusagen einen ‚Essenzband‘ gibt, in dem die wichtigen Arbeiten groß abgebildet sind. Da kann man die Dinge genauer sehen – sich ein besseres Bild machen. Häufig ist es ja so, dass in akribischen Werkverzeichnissen die einzelnen Arbeiten quasi im Briefmarkenformat abgebildet sind. In dieser neuen Ausgabe stehen sich also Vollständigkeit und Genuss gegenüber – nein es ist ja kein Gegenüber, es ist eine wunderbare Ergänzung.“
Wie vervollständigt man den folgenden Satz: „Sabine Maja Schilling und Guido de Werd sind …“ Harald Kunde muss nicht lange nachdenken: „Die beiden sind die intensivsten Mataré-Kenner, die es überhaupt gibt. Die haben sich jahrzehntelang mit die Thema beschäftigt und durch diese Gemeinschaftsarbeit ist etwas entstanden, dass niemand anderes so hätte zuwege bringen können.“ Der vollständige Titel der Veröffentlichung verdeutlicht auch die zeitlichen Abläufe: „Sabine Maja Schilling, Ewald Mataré, Das plastische Werk, Werkverzeichnis, neu bearbeitet und ergänzt von Sabina Maja Schilling und Guido de Werd.“
Wichtig seien, so Kunde, „auch bestimmte Essays, die das Leben und Werk Matarés beleuchten.“ Es geht unter anderem um „Eine biografische Dokumentation“ und „Die Aktion ‚Entartete Kunst‘ und ihre Auswirkung aus das Werk von Mataré`(Schilling) oder Mataré Arbeitsstätten „In den Dünen und im Atelierhaus. Die Arbeitsstätten von Ewald Mataré“ sowie das Thema „Ewald Mataré – Ein Außenseiter der Moderne“ (Guido de Werd).
Kunde: „Es ist leicht nachvollziehbar, dass eine solche Veröffentlichung ohne Unterstützung von verschiedensten Institutionen unmöglich wäre.“ Zu nennen wären die Ernst von Siemens Kunststiftung, der Landesverband Rheinland, die Stadt Kleve, der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus, die Sonja Mataré Stiftung, sowie Marie Luise Becker.
Bis zum Ende der Ausstellung ist das Werkverzeichnis im Museum Kurhaus zum Preis von 58 Euro zu haben. „Danach liegt der Preis irgendwo um die 90 Euro“, sagt Harald Kunde und fügt hinzu: „Gewidmet ist dieses Werkverzeichnis der Tochter des Künstlers, Sonja Mataré [1926-2020], die das Erscheinen leider nicht mehr erleben durfte, aber unbeirrt von der Realisierbarkeit überzeugt war und erhebliche Mittel aus ihrer Stiftung bereitgestellt hat. Uns alle eint der Wunsch und die Gewissheit, dass durch dieses aktualisierte Werkverzeichnis das Schaffen Ewald Matarés tief im kollektiven Bewusstsein verankert bleibt und die formbewusste Schönheit seiner Schöpfungen auch künftige Generationen berühren wird.“