Nicht jeder Kreis ist rund, und ein Landrat trägt keine Uniform. Sonst noch was? Aber klar und vor allem: Der Reihe nach. Es war einmal ein Kindergarten, der lag an einem Hang in Materborn und hieß Kindergarten St Marien. Etwas höher am Kindergartenhang stand ein weißes Haus. Da wohnte zwar nicht der Präsident der Vereinigten Staaten, aber immerhin ein leibhaftiger Landrat. Wie wär’s, dachten sich die Leute vom Kindergarten, wenn wir einfach mal nachfragen, ob er nicht Lust hätte, den Kindern zu erklären, was ein Landrat so alles macht. Gesagt. Getan. Und siehe da: Fragenden Menschen kann geholfen werden. Der Nachbar Landrat, der auf den Beinamen Wolfgang hört, schaufelte ein bisschen im Terminkalender und kam zum Info-Besuch.
Das Protokoll
Das Protokoll: Kein roter Teppich, keine Body-Guards — nur ein netter Mann im Anzug. „Ich bin der Wolfgang.“ Hat denn der Wolfgang geübt für den Tag im Kindergarten? Geübt nicht. Gedanken gemacht schon. Am Schluss aber alles verworfen. Mal sehen, was kommt. Erster Gang: Einfach reinschauen bei den einzelnen Gruppen: Es gibt die Bären, die Elefanten und die Nilpferde. Na bitte: Das ist doch fast wie im wirklichen Leben. (Da gibt es die Parteien. Die haben auch Namen. Aber davon vielleicht später.) Der Landrat ist ohne Gepäck gekommen. Nur ein bisschen Papier hat er dabei und ein paar Broschüren. „Kann denn hier schon jemand lesen?“ Und ob. „Mensch, das das find ich aber klasse.“ Landratslob für Frühleser. Es wird zum Gesprächstermin in die Turnhalle geladen. „Die ganz Kleinen werden nicht dabei sein“, erklärt die Chefin. Der „Restkindergarten“ rückt ein: Erstaunlich ruhig. Erstaunlich interessiert. Landrat Wolfgang beschließt, dass der große Stuhl eher wie ein Thron wirkt und hockt sich auf den Boden: Schneidersitz auf Augenhöhe. Ihr seid das Volk.
Eine Art Bürgermeister für den Kreis
„Wer weiß denn, was ein Landrat macht?“ Es bleibt ruhig in der Turnhalle. Erster Erklärungsansatz: Das ist so eine Art Bürgermeister für den Kreis. Bürgermeister? Ist bekannt. Hat jeder schon mal von gehört. Aber was ist ein Kreis? Lernziel: Nicht jeder Kreis ist rund. Zwischenschritt: Der Landrat ist auch Chef der Polizei. Treffer. Polizei — das ist doch mal ein Wort. „Hast du denn auch eine Pistole?“ will einer wissen. Nein. Der Landrat ist unbewaffnet. Uniform trägt er auch keine. (Obwohl ja auch ein Anzug … aber das gehört nicht hierher.) Das Publikum ist erstaunlich gut über Radarkontrollen und Starenkästen informiert. „Und entwickelst du die Bilder aus den Kästen selbst?“ Nein, das macht der Wolfgang nicht. Es gibt Mitarbeiter. So ungefähr 1.000. Tausend ist ein Wort. Die Vorstellung dazu ist noch nicht vorhanden, aber Tausend — das muss irgendwie schon ganz schön viel sein. „Drei und drei und drei ist neun“, kommentiert einer. „Und zehn mal zehn ist zwanzig — eh — hundert“, echot es an anderer Stelle.
Loch im Kopf
Zurück zu den 1.000 Mitarbeitern. „Und von denen bist du Schäff?“ „Ja.“ „Meine Mutter arbeitet auch bei dir“, meldet sich ein Mädchen. Die ist Ärztin. Und beim Gesundheitsamt. Gesundheit ist auch so ein Wort. „Mein Opa hatte mal ein Loch im Kopf. Da ist er mit dem Rettungswagen gefahren. Die Nummer ist einseinszwei.“ Der Schäff ist begeistert. „Das ist eine ganz wichtige Nummer.“ Es gibt wichtige Nummern und große Nummern. Der Wolfagng ist eine große. Noch ein Leuchtturmwort: Feuerwehr. Das wär’s doch gewesen: Der Wolfgang fährt mit dem „Großen Roten“ vor — Drehleiter inklusive. Hat denn Wolfgang auch noch einen Chef? Hat er. Das sind die Bürger. (Grau ist alle Theorie und auch ein bisschen schwer zu erklären.) Das Thema kommt aufs Wählen. Ja, der Wolfgang ist gewählt worden.
Kreistag und Lichtjahr
Noch mal ein bisschen was zum Thema Kreis: 16 Städte und Gemeinden gibt es im Kreis. Geldern gehört auch dazu. „Das ist aber ziiiiiemlich weit“, weiß einer. Von der einen Ecke des Kreises zur anderen fährt man eine Stunde mit dem Auto. (Aha: Ein Kreis hat also auch Ecken.) Dann gibt es da noch den Kreistag. („Ist das so ähnlich wie Lichtjahr?“) Wolfgang ist übrigens auch für die Kindergärten zuständig: Wenn die nämlich in kleinen Gemeinden sind, die sich das sonst nicht leisten könnten. Wie viel Kindergärten gibt es denn? „Im Kreis sind es“, wenn Wolfgang richtig gezählt hat, „so um die 150.“ Der Landrat schickt auch Zahnärzte in die Kindergärten. Die zeigen dann, wie man sich richtig die Zähne putzt. Die Musikschule gibt es auch noch. „Wer macht denn Musik von euch?“ Es melden sich Pianisten, Flötistinnen und ein Schlagzeuger zu Wort. Will denn jemand den Wolfgang etwas fragen? Eher nicht. Nach „40 Minuten Landrat“ meldet sich der Bewegungsdrang bei vielen zu Wort. Erst einmal zurück in die Gruppenräume. Der Wolfgang schaut dann noch mal rein, bevor er wieder an die Arbeit muss. Eine Einladung wird er noch bekommen, denn am 6. Mai ist die große Geburtstagsfete. Der Kindergarten wird 25. Alle sollen kommen. Wolfgang auch.