Schreibkraft
Heiner Frost

Der mit dem Rad kommt

Das König der Räder

Es gehört zur guten Visitenkarte einer Kirmes und ist im wahrsten Sinne des Wortes ein herausragendes Ereignis: Das Riesenrad, „das König“ der Räder. In Kleve gehört das „Wonder Wheel“ seit Jahr und Tag zur Kirmesskyline. Der mit dem Rad kommt, heißt Thomas Schneider und entstammt einer Schaustellerdynastie. Schneider ist „auf dem Platz groß geworden“ und stieg mit 17 — gleich nach der Schule —  ins väterliche Geschäft ein. Schneider kennt sich aus auf den Kirmesplätzen und Festwiesen der Republik. Alljährlich im März beginnt die „Tour“ und endet im November.

Acht Tieflader transportieren das Rad durch die Republik

Ein paar Daten: Acht Tieflader, allesamt Sonderanfertigungen, transportieren das Rad von einem Ort zum anderen. Zum Aufbau gehört ansonsten auch noch ein 50-Meter-Kran. Sechs Mitarbeiter brauchen bei 13 Stunden am Tag rund drei Tage für den kompletten Aufbau. Was den Transport auf acht Tiefladern angeht, ist das heutzutage größtenteils nicht mehr der Standard. Thomas Schneider: „Heute gilt bei neuen Fahrgeschäften: Wenig Transportaufwand. Das ist bei unserem Riesenrad nicht möglich. Ohne die acht Tieflader läuft da gar nichts.“

 

Nostalgie in High-Tech

Der 45-Meter-Riese steht auf einer Grundfläche von 17,5 mal 22,5 Metern und wird über digitale Prozessoren angetrieben. Nostalgie in High-Tech. 120 Kilowatt versorgen das Rad mit Strom. Die meiste Energie wird übrigens nicht für den Antrieb verbraucht, sondern für die Lichtanlage. Die digital gesteuerte 24-Kanal-Lichtanlage verfügt über 20.000!!! Brennstellen. Gebaut wurde das Rad in Holland. Es ist zehn Jahre alt und würde heute rund 2,8 Millionen Euro (Neupreis) kosten. Versteht sich von selbst, dass Sicherheit groß geschrieben wird, wenn Schneider ‚am Rad dreht‘. Jeder Fahrgast, der in eine der Gondeln steigt, ist auf dem Weg zum Horizont und zurück versichert. Ist denn der Chef beim Aufbau auch schon mal ganz oben mit dabei gewesen? Klar doch. „Du kannst deinen Mitarbeitern nur dann etwas erklären, wenn du es auch vormachen kannst.“

Der mit dem Rad kommt

Normalerweise kommt Schneider mit seinem Rad mittwochs nach Kleve. Die Kirmes beginnt am Samstag — da reicht die Zeit für den Aufbau. Heuer war das Rad schon am Montag am Ziel. „Da konnten wir uns beim Aufbau mehr Zeit lassen und gleich auch kleinere Reparaturen ausführen.“ Reparaturen sind das eigentlich nicht — eher Säuberungsarbeiten an Stellen, die sonst „schon mal übersehen werden“. Und was hält Schneider von Kleve: „Wir kommen immer wieder gerne hier hin. Kleve hat noch ein großes Familienpublikum“, begründet der Chef seinen Hang zur Klever Kirmes und fügt hinzu: „Wenn du vorwiegend ein jugendliches Publikum auf dem Platz hast, dann ist die Interessenlage eine andere. Die sind mehr an den modernen Fahrgeschäften interessiert.“

Deutsche Eiche made in Holland — getestet in Frankreich

Das Riesenrad ist halt eine Attraktion für die Familie. Es geht ruhig zu auf dem runden Riesen. Was gibt es denn aus dem Nähkästchen eines Riesenradbetreibers zu erzählen? Schneider erinnert sich an einen Herbststurm vor vier Jahren. „Da standen wir auf einem Platz in Frankreich. Als der Sturm kam, gab es keine Möglichkeit mehr zu reagieren. Der Platz wurde geräumt, und wir konnten nur warten. Der Sturm war wirklich heftig, aber das Rad stand wie eine Eins.“ Eine deutsche Eiche made in Holland im französischen Sturm. „Die Konstrukteure sind dann zum Platz gekommen und meinten: „Wir können die Statik zwar berechnen, aber das hier war die Wirklichkeit.“ Haltungsnote: Sehr gut. Wie sieht es denn mit den Kosten aus? Wenn Energie immer teurer wird, kann man schließlich nicht alles an die Kunden weitergeben. „Das geht ohnehin nicht. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit Ihrer Familie auf dem Platz sein und eine einzige Fahrt würde acht Euro kosten. Das kann man nicht machen.“ Wie ist denn da wirtschaftliches Arbeiten überhaupt möglich? Thomas Schneider: „Zunächst einmal sind wir zu fast 70 Prozent ein Familienbetrieb. Dazu kommt, dass wir Arbeiten, die früher  außerhalb vergeben wurden, jetzt selbst übernommen haben. Für den Transport wird keine Spedition mehr angeheuert. Meine Frau macht die Buchführung und ist gleichzeitig für den Haushalt zuständig.“

„Uns siehst du schon von weitem“

Und natürlich muss der Chef selbst mit ran. Auch der Nachwuchs arbeitet mit. Eines aber ist für Thomas Schneider wichtig: „Bevor es auf den Platz geht, muss zuerst mal eine solide Schulausbildung her.“ Der ruhige Riese ist die Visitenkarte einer Kirmes. „Uns siehst du schon von weitem“, begründet Schneider den Stellenwert. Und so kommt es immer häufiger vor, dass er von Veranstaltern auch gebucht wird.  „Bei einer Kirmes wie hier in Kleve bewirbst du dich. Aber es kommt immer häufiger vor, dass wir angerufen werden, um bei einem Fest aufzubauen.“ Die Schneiders sind nicht nur in Deutschland unterwegs. Wenn die Klever Kirmes ihre Pforten schließt, heißt es für Schneider: Abbauen und auf zum nächsten Platz. Zeit, dass sich was dreht.

Micky Kleve