Vielleicht muss gefragt werden, wie „Erfolg“ zu definieren ist. Vielleicht gibt es einen Unterschied zwischen Erfolg und Anerkennung. Manche definieren Erfolg über Kontostände, andere darüber, wie willkommen sie sind in der Welt. Da sitzt also Klaus Ebbers – in der Hand ein Stück Papier. Eine Pressemeldung zum „German Design Award“. Ebbers gehört zu den Preisträgern. Preise können Eintrittskarten sein, Starthilfen, Aufmerksamkeitserzeuger.
Schublade
Ebbers ist … – da fängt es ja schon an: Was hat einer gelernt? Als was ist er bekannt? Die Dinge trennen sich. Ebbers hat Tischler gelernt. („Ich mache, also bin ich.”) Er hat im Messebau gearbeitet. Dann kamen Hans van der Grinten und der Katharinenhof in Kranenburg – später das Museum Schloss Moyland. Ebbers: Chef der Holzwerkstatt. Die Arbeit mit den van der Grintens: Ein Dreh- und Angelpunkt. Kunstkontakt. Ebbers war Galerist, leitete das Kranenburger Museum im Katharinenhof, kuratierte Ausstellungen – all das auf der zweiten Lebensschiene: ein Nebenbei als Hauptsache.
Hierarchie des Sehens
Ebbers kennt sich aus mit dem Ausstellen: hat sich jahrzehntelang mit den „Hierarchien des Sehens“ beschäftigt. Und jetzt: Möbel. „Vielleicht geht es ja um den kleinen Unterschied, der am Ende hoffentlich ein feiner Unterschied ist. Vielleicht geht es darum, sich abzuheben und Flagge – also Farbe – zu zeigen.“ So steht es in einem Infoblatt.
Bildmöbel
Das Bett zum Beispiel: Farbflächen im Raum. Vielleicht sollte man es aufhängen: Bildmöbel. Möbelbild.
Flächen sind in den Raum gewachsen – haben die Leinwand verlassen und sind – wie soll man sagen? – schlafmanifest geworden. Klaus Ebbers spricht von Ehrlichkeit und meint, dass nichts dieses Möbel verschleiert. Es gibt kein Netz und keinen doppelten Boden. Da sind nur Form und Farbe. Alles liegt offen. Ein Bett als Bild. Ein Bild als Bett. Jeder soll sofort wahrnehmen, wie alles zusammenhängt. Wahrhaftigkeit ist ein großes Wort.
Steine auf dem Lösungsweg
Was da im Raum steht, ließe sich auch zurück auf eine Leinwand projizieren. Der Hintergrund: ein Gedankengebäude. Vielleicht könnte man es Philosophie nennen. Da ist ein ordnender Geist am Werk – einer, der nach Kombinationen sucht: Flächen, Farben, Räume … Ebbers‘ Skizzenbücher: ein Wirrwarr. Da könnte einer auch Staudämme gemeint haben oder Karosserien. Beim Hinsehen spürt man das Gewöhntsein an Endpunkte, Endprodukte. Wer weiß schon etwas über die Steine auf dem Lösungsweg? Da steht ein Bett: natürlich. Man sieht‘s ja. Daneben ein Regal. Na und? Man realisiert erst beim X-ten Hinsehen die Besonderheiten des Einfachen. Man kann einordnen, was schön ist, aber beim Gedanken an den Lösungsweg schwindet das Vorstellungsvermögen: ein Schrumpfungsprozess.
Weltchenschaffer
Vielleicht, denkt man, sollten Ebbers‘ Möbel nicht einfach fotografiert werden als seien Möbel gemeint. Vielleicht müsste man den Kontext verschieben. Vielleicht Bettstuhlregallampen an die Wand hängen, damit klar wird, dass Bilder zu Eroberern geworden sind. Eine Lautverschiebung des Sehens.
Haltstoppjetztmal. Das klingt doch alles viel zu verschroben. Man muss Ebbers‘ Kreationen nicht schönschreiben. Sie sind es ja von sich aus. Man muss nichts dazuerfinden. Man muss kein Bild im Bett sehen – eher schon ein Bett im Bild. Da hat einer ein Weltchen erschaffen – ein Denkensemble. Trotzdem nistet sich der Gedanke ein: Was man sieht, ist nicht einfach Design. Es ist irgendwie mehr. Und trotzdem: Ebbers hat ja nicht das Möbeldesign neu erfunden. Vielleicht ist die Palette erweitert worden um etwas, das immer schon da war.
Denkerfahrungen
Irgendwie greift am Ende alles ineinander – alles hängt zusammen. Ein Bett ist nicht einfach ein Bett. Es ist entstanden aus der Summe gestalterischer Gedanken – gespeist von Seherfahrungen, die ja auch Denkerfahrungen sind. Man kann nicht sehen, was nicht gedacht werden kann. Ebbers‘ Möbel – so viel ist sicher – sind nicht einfach nur Möbel, aber: Formen und Farben sind einfach – scheinbar nur, aber nicht anscheinend.
Es geht um Lösungen, Ordnungen, Einordnungen. Es geht – obwohl ja Möbel der Endpunkt sind – nicht um Schubladen. Denkschubladen sind nichts als Verunmöglichungsmaschinen. Was einmal dort gelandet ist, verschwindet vom Horizont der Wahrnehmung – es ist ja eingeordnet, abgespeichert, abgeheftet, eingetütet. Auch Worte machen Schubladen: Man schreibt Bett und erschafft eine Vorstellung.
Versuchsanordnungen
Ebbers‘ Möbel sind Versuchsanordnungen im besten Sinn. Es geht um die Räumlichmachung von Farben und Flächen auf der Grenze zwischen Bild und Zeichnung, Skizze und Realität. Farben fürs Horizontale, Farben fürs Vertikale. Wegweiser ohne Beschriftung. Nichts ist für jeden – Ebbers‘ Möbel wollen keine Ausnahme sein. Man muss diesen Exkurs in die möbelgewordene Bilderwelt nicht mögen, aber man kann sich verlieben in die Einfachheit.
Einfach – so viel sei gesagt – ist nicht simpel. Nicht einfältig. Vielleicht ist ‚einfach‘ das falsche Wort. Es geht um Schlichtheit. Es geht um die Notwendigkeit des Schönen und das Schöne der Notwendigkeit. Es geht am Ende um Wendigkeit und nicht um Not. Wer sich in den Ebberskosmos einlebt, einsieht, einfühlt, wird belohnt mit Antwortvorschlägen, die am Ende aber immer noch Raum für Fragen lassen. Die Möbel: Gesänge. Klänge aus Raum und Farbe. Wunderbare Erfindungen für das Zwischendurch. Nichts ist endgültig. Das Bett zum Beispiel: eine vorläufige Endlichkeit – man sollte es an die Wand hängen – Rahmen drum: fertig. Aber: es schläft sich schlecht in der Senkrechten …
Quittung
Und jetzt also eine Art Quittung: Preise sind auch Urteile. In der Jury des „German Design Award“ sind 16 Nationalitäten vertreten. Sie setzt sich aus renommierten Experten aus Wirtschaft, Lehre, Wissenschaft sowie der Gestaltungsindustrie zusammen. Na bitte. Ein Gewicht wird spürbar. „Der German Design Award legt die höchsten Ansprüche an die Ermittlung seiner Preisträger.“ Ebbers gehört zu eben jenen. Erfolg? „Natürlich“, möchte man sagen. Ebbers sagt: „Wahrscheinlich.“
Er sagt auch: „Es geht darum, nicht unterzugehen im ergrauten Alltag. Farben locken. Die Natur macht es vor. Wohnen ist keine Tätigkeit – es ist im besten Fall eine Idee vom Leben.“ Kürzlich war Ebbers bei einer Messe in Wien: „Es war ein tolles Erlebnis, dass da Leute an deinen Stand kommen und sich wirklich für das interessieren, was du machst.” Vielleicht ist ja Erfolg das Gefühl, wertgeschätzt zu werden …
Wer Lust auf Erkundung hat, der könnte am Samstag, 30. November in Kranenburg vorbeischauen: Im Siep 7. Gezeigt werden ab 15 Uhr Arbeiten von Klaus Ebbers und Christoph Heek.