Herr Knupp ist leicht adipös aber ansonsten lieb, nett. Zuvorkommend. Ruhig. Herr Knupp mag Kunst. Das Problem ist nur: Man lässt ihn nicht ins Museum. Ein Notstand ist entstanden. Aber: Für Abhilfe ist gesorgt. Die Lösung: Ein eigenes Museum für Herrn Knupp – ein Haus der Kunst …
Zeit, über Manfred Knupp zu sprechen und Dinge aufzuklären. Manfred Knupp ist Herrn Knupps Herrchen. Zweibeiner der eine, Vierbeiner der andere. Manfred also ist gelernter technischer Zeichner und Künstler – irgendwie von Geburt an. Mindestens. Knupp stellt aus. Der Ort: seine Treppenhausgalerie an der Emmericher Straße 265 in Kleve.
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Das Haus an der Emmericher Straße. Foto: Rüdiger Dehnen
Tratsch im Treppenhaus
Anruf zwecks Terminvereinbarung. Ich lasse reichlich schellen – niemand geht ran. Als ich längst im nächsten Gespräch bin, folgt der Rückruf. „Ich war oben im Haus”, sagt Knupp und fügt hinzu: „Ist ein ziemlich großes Haus.” Ebendort hat Knupp – schon am 13. Oktober – eine Ausstellung mit seinen Werken eröffnet. („Einleitende Worte: Horst Eckert, Pablo Picasso, Manfred Knupp”, lese ich auf der Einladungskarte.) Es folgt: Ein kurzer Tratsch im Treppenhaus. Wie lange ist die Ausstellung zu sehen? „Bis ich hier raus muss”, sagt Knupp. Zur Ausstellung gibt es jetzt auch einen Katalog. 171 Seiten. 20 davon: Fotos. Janna Nielen hat sie gemacht. Schwarzweißdokumentarisch. In Knupps ehemaligem Atelier. Das Haus, in dem Knupp lebt und ausstellt, sei – sagt der Künstler – eine Art Spekulationsobjekt. „Der Vermieter will mich am liebsten raus haben. Aber: Solange wir hier noch wohnen – solange wird die Ausstellung zu sehen sein.” Wir, schlussfolgere ich, das sind Herr Knupp und sein Herrchen.
Parallelgalaxie
Fragt man Knupp nach einer Definition des Künstlers, nennt er zuerst drei Begriffe: „Mut, Eigensinn, Wildheit”. Es folgen: Naturverbundenheit, Vielseitigkeit, Ausdauer. Knupps Treppenhausgalerie: eine Art Parallelgalaxie. Bunt, schrill und – was es vielleicht am besten trifft: schräg. Echt schräg. Irgendwie auch chaotisch. Im Haus: der Geruch von Farbe. Beim Gang durchs Treppenhaus begleitet mich Herr Knupp. Ein Zeppelin auf zu kleinen Beinen. Aber liebenswert. Ganz wie Herrchen. Die beiden sind, denke ich, ein Traumpaar. Und dann denke ich noch: Herrn Knupps Beine sind eigentlich nicht zu klein – der Körper darüber ist einfach mal zu wohlgenährt. Die Proportionen geraten außer Kontrolle. „Herr Knupp”, sagt Manfred Knupp, „wird mich überleben.”
In den Süden oder zum Nordpol
Wenn die beiden raus müssen aus dem Haus an der Emmericher Straße, würden sie gern in den Süden gehen: gemäßigtes Klima. „Oder an den Nordpol”, sagt Manfred Knupp und Herr Knupp schweigt. Er wird wenig wissen vom Nordpol.
Gesichter für alle
Knupp ist ein Geschichtenerzähler. Die Geschichten: seine Vergangenheit. Einst –
er war noch technischer Zeichner – sollte Knupp für ein Projekt Piktogramme einbauen. „Es ging um Piktogramme von Menschen.” Knupp waren die Piktogramme zu seelenlos: zu abstrakt. Er versah sie mit Gesichtern. Aber: Persönlichkeiten waren nicht gefragt. Ende des Jobs.
Autodidakt
Knupp, Niederrheiner vom Jahrgang 1958, ist seit 1983 Autodidakt und freischaffender Künstler: Filme, Bilder, Klanginstallationen. So steht es im Katalog. Im Treppenhaus: Ölbilder, Objekte. Manches schrill, anderes verhalten – zurückgenommen. Erste Diagnose: Da mag sich einer nicht festlegen oder vielleicht besser: Da mag einer nicht festgelegt werden – nicht in den Denkschubladen der anderen verschwinden.
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„Vergangen”, Öl auf Nessel Foto: Rüdiger Dehnen
Umgebungsbefreit
Knupp ist einer, der nicht vermarktbar ist in seiner Getriebenheit und seinem Unterwegssein in zu vielen unterschiedlichen Dialekten der Kunst. Man sucht die eine Handschrift. Überhaupt, denke ich, als ich zuhause im Katalog blättere – entfalten Knupps Arbeiten umgebungsbefreit auf Katalogseiten eine irgendwie größere Wirksamkeit. Man ist mit ihnen allein – nichts lenkt ab.
Wann die Ausstellung zu sehen ist, möchte ich wissen – also Öffnungszeiten und so … „Eigentlich immer“, sagt Knupp. „Und wenn nachts um 11 jemand klingelt?“ „Wenn’s ein netter Mensch ist – kein Problem.“ Ein schöner Satz.
Gruppenbild
Wer die Knupps besucht, darf auch Tiere dabei haben. Gesellschaft für Herrn Knupp. Der hat sich längst auf einem Sofa niedergelassen. Wie wärˋs denn mit einem Gruppenbild? Knupp und Knupp. „Kriegen wir hin”, sagt Mensch Knupp. Hund Knupp residiert unbeeindruckt auf dem Sofa. In die Denkblase würde man schreiben: „Keine Ahnung, was ihr von mir wollt.” „Geht nur mit Leckerli”, sagt Mensch Knupp und holt entsprechendes Bestechungsmaterial. Schon kehrt Leben in Herrn Knupp zurück. „Am besten, ihr stellt euch vor eines deiner Bilder”, sagt Rüdiger, der Fotograf. Es folgt: Innigkeit mit Knupps und Leckerlis.
Die Himmelstreppe
Eines von Knupps Traumprojekten: Die Himmeleiter. Stairway to Heaven, denke ich. „Ich habe damit an einem Ideenwettbewerb für Kleve teilgenommen”, sagt er und zeigt eine optische Simulation. Irgendwie beeindruckend – dieses Monument der Kommunikation, das hundert Meter in den Himmel strebt und am Fußende mit einer Bühne versehen ist. Im Katalog: Das „Bewerbungsschreiben”, Presseartikel und eine Reaktion von Franz Joseph van der Grinten. Irgendwo steht auch: Viele Bewerbungen, viele Absagen. Eine Realisierung der Himmelsleiter käme – schreibt Knupp-Freund van der Grinten – „der jeweiligen Lebenswelt dauerhaft zugute”.
Seifenblasenschatten
Wer sich auf den Weg ins Knupp-Treppenhaus macht, sollte sich auf Chaos einrichten. Wer eine schnieke Galerie erwartet, dürfte zumindest irritiert sein. Herr Knupp hat längst wieder auf dem Sofa Platz genommen. Ach ja: Eine halbwegs realistische Besuchszeit bei den Knupps läge zwischen 17 und 20 Uhr. Und wer an einem Katalog interessiert ist (es gibt noch 20 Exemplare zum Preis von jeweils 40 Euro), könnte anrufen: 02821/9734658. Auf dem Umschlagrücken ein Abschiedsgedanke: „Seifenblasenschatten sind bunt.”
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Foto: Rüdiger Dehnen