Schreibkraft
Heiner Frost

verschwundet

Foto: Rüdiger Dehnen

Man reibt sich die Augen. Gerade noch war sie da – die Webseite des Museums Schloss Moyland und zeigte erstaunliche Neuigkeiten: Dr. Bettina Paust, las man verwundert, ist stellvertretende Direktorin.
Das hatte man anders in Erinnerung. Vielleicht noch mal nachschauen, ob‘s stimmt. Da blockiert Firefox die Seite. „Diese Verbindung ist nicht sicher“, heißt es, und es heißt auch: „Der Inhaber von moyland.de hat die Webseite nicht richtig konfiguriert. Firefox hat keine Verbindung aufgebaut, um Ihre Informationen vor Diebstahl zu schützen.“ Schön wär‘s, wenn es Informationen gäbe, aber die Welt schweigt. Was könnte passiert sein? Vielleicht mal jemanden vom Kuratorium anrufen.

Kuratorium

[Das Kuratorium besteht derzeit aus: Hannelore Kraft (Ministerpräsidentin), Christina Kampmann (Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport), Norbert Meesters (Mitglied des Landtages und Kulturausschusses), Prof. Klaus Schäfer (Staatssekretär a.D.), Nadia van der Grinten (Vertreterin der Familie van den Grinten), Rene S. Spiegelberger, Friedrich Freiherr von der Leyen (Vertreter der Familie von Steengracht), Hans Geurts (Vorsitzender des Fördervereins des Museums), Peter Driessen (Bürgermeister der Gemeinde Bedburg-Haus), Wolfgang Spreen (Landrat des Kreises Kleve), Ptrof. Barbara Schock-Werner (Fachfrau für Denkmalpflege).

Man könne, heißt es, dazu nichts sagen. Korrektur: Man könnte schon, aber: Was nicht darf, darf nicht. Könnte es denn sein, dass sich hinter der – wie soll man sagen – Zurückstufung – eine nicht erfolgte Vertragsverlängerung verbirgt. Kein Kommentar. Aber: Es könnte sein. Am besten mit der zur Zeit stellvertretenden Direktorin sprechen. Die ist ja nicht Mitglied des Kuratoriums und darf sich natürlich äußern. Eine stumpfe Spitze.

Vorzimmer

Man beginnt im Vorzimmer. „Frau Dr. Paust“, heißt es, „ist bis Dienstag nicht im Hause.“ Ob man die Nummer des Diensthandys haben wolle. „Oh, bitte. Ja. Bitte eine SMS schicken. Bin gerade mit dem Auto unterwegs.“ Worum es denn gehe? „Nun ja, es geht um eine ‚Neuigkeit‘ auf der Museumwebsite, derzufolge Frau Dr. Paust stellvertretende Direktorin ist.“ Das würde man gern hinterfragen.
Zehn Minuten später der Rückruf. Unter den gegebenen Umständen bitte um Verständnis dafür, dass die Sache mit der Nummer des Diensthandys vielleicht doch keine gute Idee ist. Dafür ein Angebot: „Schreiben Sie doch ihre Frage per Mail an unsere Pressestelle. Oder fragen Sie die Kultusministerin.“
Das scheint dann ja doch ein größeres Ding zu sein. Ja – warum eigentlich nicht die Kultusministerin anrufen und mal fragen, was denn los ist in Moyland. Vorher noch mal ein Blick/Klick auf die Seite: „Dem Zertifikat wird nicht vertraut, weil es vom Aussteller selbst signiert wurde. Das Zertifikat gilt nicht für den Namen moyland.de. Das Zertifikat ist am Donnerstag, 2. Februar 2012 18:54 abgelaufen. Die aktuelle Zeit ist Donnerstag, 2. Februar 2017 13:25.“

Web Archiv

Noch mal im Web-Archiv nachsehen. Da steht‘s, respektive – da stand‘s: „Museumsleitung Dr. Bettina Paust, Künstlerische Direktorin.“ Jetzt steht – mittlerweile ist die Museumsseite wieder ansteuerbar – unter „Museumsleitung“: „Johannes Look, Verwaltungsdirektor“ und darunter: „Dr. Bettina Paust, Leiterin des Joseph Beuys Archivs, Stellvertretende Künstlerische Direktorin“.

Ministerium

Ein Anruf beim Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Freundlich wird man empfangen und bekommt die Nummer einer Nebenstelle der Pressestelle („Auf dem Apparat wird gerade gesprochen – versuchen Sie‘s in ein paar Minuten. Ich hoffe, die werden Ihnen weiter helfen.“)
Ein zweiter Anruf: Man erklärt den Sachverhalt. Moyland schweigt und empfiehlt einen Anruf bei der Kultusministerin, sagt man. „Na toll. Jetzt schieben die‘s auf uns.“ Die freundliche Dame bittet darum, die Frage als Email zu schicken und dazuzuschreiben, bis wann eine Antwort gebraucht wird. Kein Problem.
„Betrifft: Telefonat vom 2. Februar, 14.07 Uhr mit der Telefonnummer XXXXX.
Sehr geehrte Damen und Herren. Bin auf der Suche nach Informationen zum Thema Museum Schloss Moyland. Dort findet sich seit kurzem die vormalige künstlerische Direktorin Dr. Bettina Paust als stellvertr. künstl. Direktorin. Mich interessiert der Hintergrund. Ich schreibe einen Text für die Samstagsausgabe, die bei uns morgen früh produziert wird. Es wäre also gut, wenn ich noch im Laufe des Nachmittags Informationen bekommen könnte.“ Jetzt heißt es warten.
Zeit für Rückblicke. Immerhin: Die Paust ist noch da. Man hat in Moyland – zwei Mal schon – Direktoren beim Verschwinden erlebt. Wortlos waren sie weg. Das Schloss: Spezialunternehmen in Sachen Führungspersonalentsorgung. Kein Sprungbrett – eher schon eine Fallgrube. Auch Prozesse vor Arbeitsgerichten hat es in der Schlossgeschichte reichlich gegeben. Moyland – die Klagemauer …

Immerhin: Dr. Bettina Paust ist noch da. Aber wen vertritt sie eigentlich jetzt? Vertreterposten ergeben ja nur dann einen Sinn, wenn es jemand zu vertreten gilt. Vielleicht gibt‘s ja im weiteren Verlauf des Nachmittags

Neuigkeiten aus Düsseldorf.

Damals, am 4. Mai 2009, teilte die Staatskanzlei mit: Die Kunsthistorikerin Dr. Bettina Paust wird neue Künstlerische Direktorin der Stiftung Museum Schloss Moyland. Kulturstaatssekretärs Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff sagte heute (4. Mai 2009) im Rahmen ihrer Vorstellung in Düsseldorf: “Ich freue mich sehr, dass wir mit Frau Dr. Paust eine gute Lösung für die Stelle der Künstlerischen Direktorin der Stiftung Museum Schloss Moyland gefunden haben. Sie hat mit ihrem überzeugenden Konzept die Grundlage für einen von allen drei Stiftungspartnern (Familien van der Grinten, von Steengracht, Land Nordrhein-Westfalen) einhellig getragenen Weg in die nun hoffnungsvolle Zukunft des Museums gelegt.“ Überzeugt habe auch ihre langjährige hervorragende Arbeit für die Stiftung Schloss Moyland. Das 1997 eröffnete Museum Schloss Moyland gehört mit seiner weltweit größten Beuys-Sammlung zu den bedeutenden Häusern Nordrhein-Westfalens. Das Kuratorium der Stiftung Museum Schloss Moyland hat Frau Dr. Paust zur neuen Künstlerischen Direktorin der Stiftung Museum Schloss Moyland mit Wirkung zum 1. Mai 2009 gewählt. Ihrem Konzept zufolge kann das Museum Schloss Moyland aus seiner mo­mentanen Situation heraus nur durch eine kontinuierliche, international ausgerichtete und in die Zukunft gewandte Arbeit geführt werden. Das dreistufige Konzept von Frau Dr. Paust sieht eine grundlegende Neu­gestaltung der Präsentation des Museums Schloss Moyland und mit diesem Neuanfang verbunden eine Konzentration auf die Arbeit mit den eigenen Beständen vor.

Email vom Schloss

4.46 Uhr – eine Mail aus Moyland: „Sehr geehrter Herr Frost, wie ich hörte, hatten Sie sich heute Vormittag in der Stiftung Museum Schloss Moyland nach der Funktionsbezeichnung der Frau Dr. Bettina Paust erkundigt beziehungsweise um eine Stellungnahme gebeten. Ich möchte Sie im Auftrag des Sprechers des Stiftungsvorstandes, Herrn Franz Rudolf van der Grinten, höflich bitten, solche Anfragen mit Bezug auf die Museumsleitung ausschließlich an ihn zu richten und nicht an ein Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Museum Schloss Moyland. Sie können für solche Anfragen gerne die Rufnummer der Galerie xxx in Köln nutzen. Mit freundlichen Grüßen.“ Man versucht, den Ton dieser Mail aufzuspüren. „Wir möchten Sie höflich bitten … ausschließlich …“ Klingt das nach … nein. Alles höflich. Alles freundlich.

Jetzt ist es (r)aus

18.10 Uhr Ein Telefonat mit Franz Rudolf van der Grinten. Frau Paust ist auf ihre alte Stelle zurückgefallen. Man habe ihr seinerzeit einen Sieben-Jahres-Vertrag (nach dem sogenannten Intendantenmodell) angeboten. Ein guter Vertrag mit der Garantie, im Falle einer Nichtverlängerung (siehe oben) die vormalige Stelle wieder einzunehmen. Bereits im April des vergangenen Jahres sei die Entscheidung gefalle, den Vertrag nicht zu verlängern.
Frau Paust habe – wogegen nichts einzuwänden sei – Rechtsmittel eingelegt, wodurch sich nun leider die Neuausschreibung der Stelle solange verzögern werde, bis die Situation geklärt sei.
Die Ansprüche bezüglich der Führung des Hauses hätten sich – auch das nichts Ungewöhnliches – nicht erfüllt. Jetzt ist es also raus. Man bedankt sich für Gespräch und Informationen –  wünscht einen schönen Abend. Aus dem Ministerium: Nichts.  Also: Die Sache läuft.

Freitag, 3. Februar, 11 Uhr: Das Ministerium schweigt.

Foto: Rüdiger Dehnen

 

Nachsatz

Vielleicht müsste mal jemand die Frage klären, warum es in Moyland nicht klappt mit den Chefsesselbesetzern. Spötter würden sagen: Im Chefbüro, das in Moyland übrigens unterhalb des Burggrabenwasserspiegels liegt, hätten sie (die Kuratorienten) am liebsten Very Big Names. (Merke: Ein Kurator kuratiert Ausstellungen. Ein Kuratorium kuratiert Direktoren.) Aber: Wer will denn schon nach Moyland? Ist man am Ende nicht zum Frühstücksdirektordasein verdonnert? Vielleicht muss jemand kommen und den Kampf aufnehmen – mit denen, die glauben, sie wüssten alles besser. Aber solche Leute kosten Geld. Wer will schon für „teuer Geld“ jemanden holen, der sich dann zum Bestimmer aufschwingt und den Tanz auf Kuratoriums- und Stifternasen wagt? Gesucht wird ein Diener/eine Dienerin im Interesse des Allheiligen. Was aber heilig ist, bestimmen am Ende andere. Auch im Museumsbetrieb wird Jagd auf eierlegende Wollmilchsäue gemacht. Über Beuys wird viel geforscht – leider nicht über diejenigen, denen die Knüppel nicht auszugehen scheinen, die sie all denen zwischen die Beine werfen, die nicht der gewünschten Norm entsprechen. Längst ist (für „teuer Geld“) ein museales Leitbild erstellt worden. Leitbilder sind Kontrollnebelkerzen. Alles klingt schön. Nichts ändert sich. Und man weiß mit Leitbild eigentlich nicht mehr als ohne. In Moyland müssten sie das Direktorenwunschbild veröffentlichen und nicht am Museumsleitbild arbeiten. Gesucht wird eine mutige Leitung. Wer aber mutig ist, dem werden  – scheint‘s – gern Kompetenzen entzogen oder gleich ganz abgesprochen. Oder ist es genau umgekehrt: Kriegt man für kleines Geld auch nur kleine Kompetenz? Es ist noch ein Stück hin bis zum Weltruhm. Oder ist es am Ende doch realistisch, was immer wieder behauptet wurde: Dass Mächte am Werk sind, die das Beuys‘sche Oeuvre in der Hauptstadt verortet wissen wollen und nötigenfalls die Burg so lange mit allerlei Hindernissen belagern, bis alles, was noch kreucht und fleucht, ausgehungert weiße Laken in die zugenagelten Burgfenster hängt? Die großen Dinge in die Hauptstadt – vor Ort bleiben ein Kräutergarten, Skulpturen im Park und Ausstellungsflächen für Künstler von Kuratoriumsgnaden. Schwer zu sagen. Gesagt wird wenig. Die bisherigen Chefsesselbesetzer wurden irgendwie lautlos verschwundet. Richtig: Es gibt dies Wort nicht, aber für das Schloss sollte es erfunden und in den permanenten Wortschatz aufgenommen werden.

Wenn drei kuratoriale Kandidaten (Schaden, Dehring, Paust) am Ende den Ansprüchen nicht genügen, könnte natürlich auch die Frage nach der Kompetenz der Entscheider gestellt werden. Aber das ist Konditionalmusik …