Schreibkraft
Heiner Frost

Und wenn die Welt voll Teufel wär‘

Kurt Kluge: Der Fallende

Vielleicht sollte man, was im Ausstellungssaal von Museum Schloss Moyland ab Sonntag zu sehen ist, nicht einfach Ausstellung nennen. Vielleicht sollte man von einem Plädoyer sprechen.

Vielleicht sollte man Entscheider in Sachen Weltfrieden für ein paar Tage in die Vorburg einsperren, damit sie zur Besinnung kommen. „Der Große Krieg im Kleinformat“ zeigt – zu Kunst geronnen –, was Kriege anrichten: Sie hinterlassen Spuren. Bei den Siegern. Bei den Verlierern. Bei den Tätern. Bei den Opfern. Und – bei den Künstlern, denn die gehören ja immer zu einer der oben genannten Gruppen.
Krieg? Gibt‘s doch im Fernsehen und im täglichen Leben. Muss man damit ins Museum? Ja. Die Kunst stellt, egal, worum es geht, Extrakte her, Verdichtungen und kann dabei – wie hier – zum Protokoll eines gigantischen Irrsinns werden. „Der Große Krieg im Kleinformat“ (gemeint ist der Erste Weltkrieg) ist keine erbauliche Bilderschau – nichts, das einen sonnigen Sonntag mit Erbaulichem füllt. Nichts, das man sich standpunkts- und haltungslos ansieht und dann zur Tagesordnung zurückgeht als sei nichts gewesen. „Der Große Krieg im Kleinformat“ protokolliert, dass da etwas gewesen ist – etwas, das den Blick auf das Existieren in seinen Grundfesten ummodelliert hat. Nicht, dass es nicht schon vorher Kriege gegeben hätte – aber: Wovon hier erzählt wird, in Grafiken, Plastiken und Medaillen, dokumentiert ein industrialisiertes Erschrecken, Zerstören, Vernichten. Und eben darum ist „Der Große Krieg im Kleinformat“ anders als das, was man sich sonst unter einer Ausstellung vorstellt. Natürlich, alles, was hier zu sehen ist, ist Kunst, aber: Es geht auch um das Protokoll eines Makels. Die Autoren sind selbst Zeitzeugen und manches, was sie sahen und dann nacherzählt haben, lässt sich nur schwer aushalten. Eine Grafik ist übertitelt mit: Und wenn die Welt voll Teufel wär. (Ein Zitat aus Luthers „Ein feste Burg‘ ist unser Gott“. Da steht man und denkt: Dass der Konjunktiv doch gestrichen werden könnte. Vielleicht ist die Welt voll Teufel und „Der Große Krieg im Kleinformat“ ist der Beweis für die zeitweise Abwesenheit des Guten, was natürlich nicht stimmt.
„Der Große Krieg im Kleinformat“ ist eine nachhaltige Schau – nachhaltiger als einem lieb sein kann, denn alles, was dort zu sehen ist, lässt sich nicht einfach abschalten, wenn man, die Ausstellung verlassend, wieder ins Freie tritt und das Freie vielleicht anders buchstabiert als beim Eintritt.
Welchen Mehrwert allerdings die auf den Wänden angebrachten fast wie aus einem Comic stammenden „Dekoflecken“ bringen sollen, die wohl Explosionen versinnbildlichen sollen, lässt sich nicht erschließen. Sie lösen den kompromisslosen Denkansatz komplett auf und zerstören ganz nebenbei die Nüchternheit des Raumes.
Alles andere in der Ausstellung ist konsequenter- und richtigerweise sich selbst überlassen. Hier greift ein Kurator als Störfaktor in die Welt seiner Ausstellung ein und zerstört durch dekoratives Kommentieren den Kern der Darstellung. Und noch eines: Man sollte das Publikum seinen eigenen Weg durch die Ausstellung finden lassen und kein Bändchen spannen, das den Weg des Kurators zum irgendwie Einzigmöglichen diktiert. Wer glaubt, genau so müsste rezipiert werden, entmündigt sein Publikum.