Eigentlich könnte Steffi Artz sich auf den Weg machen. Die Etappe des Tages: Kranenburg – Maasbommel. 37 Kilometer. Eine Kleinigkeit. Eigentlich.
Das Klapprad steht bereit – der Anhänger: Beladen. Das Navi steckt schon an der Lenkstange, aber dieser ver… Schlüssel. Steffi Artz will ans Meer. Sie will nach Amsterdam. Kann doch nicht sein, dass 137 Kilometer und fünf Tage vor dem Ziel das Unternehmen ins Straucheln gerät. Natürlich: Ein Schloss lässt sich knacken. Aber Steffi hat anders geplant: Gespräch mit dem Journalisten. Öffentlichkeitsherstellung. Tue Gutes und sprich darüber. Danach: Etappe machen.
Aber wo ist der Schlüssel? Ein bisschen Frust legt sich auf Steffis Miene. Sie nimmt den Helm ab. Vielleicht denkt es sich dann besser. Keine schlechte Idee – die Sache mit dem Helm, denn es stellt sich heraus, dass Steffi, als sie ihr Restgepäck in den Fahrradanhänger gepackt hat, den Schlüssel in den Helm gelegt hat. Merke: Da kommt er nicht weg. Stimmt. Frau muss nur dran denken. Oder der Zufall macht sich bemerkbar … Jetzt also kann es losgehen. Die Dame aus dem Navi gibt erste Anweisungen. Steffi hat nach dem Frühstück noch einen Kakao mit Sahne getrunken. Kalorien? Kein Problem. Die verstrampeln sich.
Das Eigentliche
Zeit für die eigentliche Geschichte. Steffi Artz arbeitet im wirklichen Leben für die EDV Support Hotline des Landeskirchenamtes Kurhessen-Waldeck. Das hier ist ihr Urlaub. Sie ist unterwegs für eine Idee. „Im Oktober 2015 habe ich mich auf eine spannende zwölftägige Wanderung von Kassel nach Neuharlingersiel [350 Kilometer] begeben, um für meine krebskranke Kollegin und Freundin Spenden für einen Herzenswunsch zu sammeln“, erzählt sie. Die Aktion wurde zu einem großen Erfolg. 28.000 Euro kamen zusammen. Das Dramatische: Steffis Kollegin konnte sich ihren letzten Wunsch nicht mehr erfüllen. Sie starb, bevor sie die Reise antreten konnte. Das Ende der Geschichte? Ganz und gar nicht. Steffi Artz spendete das Geld an den Verein „Hand in Hand“, der wiederum krebskranken Kindern letzte Wünsche erfüllt. 28.000 Euro landeten im Wunschtopf – kein Pappenstiel. Der Topf leerte sich. Wünsche wurden erfüllt. Jeder Wunsch: Die Verbindung zu einer Geschichte, die einem das Atmen schwer macht. Es ist an der Zeit, Steffis kompletten Namen zu buchstabieren: Steffi Artz-Wohlfahrt. So steht es auch auf dem Flyer, den sie dabei hat – und natürlich könnte nichts besser passen als dieser Name.
Steffis Wohlfahrt
„Eigentlich müsstest du ja wieder was tun“, sagten die Leute von „Hand in Hand“, als klar wurde, dass das Geld im Wunschtopf zur Neige geht. Ein Satz – irgendwie halb im Scherz geboren. Aber Steffi überlegte sich die Sache und kam auf die Klapprad-Idee: 425 Kilometer von Liebenau-Haueda nach Amsterdam. Ziel: Das Passagier-Termninal im Hafen. Da starten Menschen zu ihren Traumreisen. Das hier ist Steffis Wohlfahrt. Die Reise: Zwölf Etappen von jeweils ungefähr 40 Kilometern Länge. Keine Herausforderung. Eigentlich. Aber Steffi ist mit dem Klapprad unterwegs und muss dazu noch einen Anhänger ziehen. Das Rad hat sechs Gänge – aber leicht ist die Sache nicht. „Ja, manchmal leide ich“, sagt Steffi. Vor allem, wenn das Wetter sich quer und der Wind sich in den Weg stellt. Steffi spricht von einer Herausforderung. Was sagt eigentlich der Gatte? Steffi lächelt. „Der unterstützt mich auf der ganzen Linie und momentan ist er wahrscheinlich auch froh, dass ich unterwegs bin.“ Zuhause in Liebenau-Haueda wird das Fachwerkhaus saniert. Da passt es prima, dass die Dame des Hauses unterwegs ist.
Sie werden nicht überleben
Für Steffi Artz ist es wichtig, Menschen zu unterstützen. „Wir haben ein gesundes Kind und mussten uns nie Sorgen machen“, sagt sie. Sie möchte was tun. Und sie tut es. Es bleibt nichts im Denken stecken. Man kann nur den Hut ziehen und …. natürlich spenden, denn darum geht es. Eines hat Steffi auf ihrer neuen Tour schon gemerkt: „Vor zwei Jahren haben die Menschen mehr gespendet. Das lag vielleicht daran, dass es um eine konkrete Geschichte ging. Es gab ein Gesicht und einen Menschen.“ Diesmal geht es nicht um einen bestimmten Menschen – es geht um Kinder, die ihre Krankheit, den Krebs, nicht überleben werden. Es gibt keine konkreten Gesichter – keine konkrete Geschichte. „Damals haben elf von zwölf Hotels mich kostenlos übernachten lassen“, sagt Steffi. Das ist diesmal anders. 400 Euro wird Steffi in ihre Reise investieren. „Das zahle ich natürlich selbst“, sagt sie, „aber ich hoffe eben darauf, dass ich Menschen bewegen kann, etwas zu tun.“ Und da nicht jeder sich aufs Rad setzen und losfahren kann, hilft jede Spende.
Möglichkeiten
Was kann man tun? „Ich habe eine Facebook-Seite, auf die man auch gehen kann, ohne Mitglied bei Facebook zu sein. Da finden sich alle Informationen für Menschen, die das Projekt mit einer Spende unterstützen möchten.“ (https://www.facebook.com/steffigehtbisansmeer/). „Man kann sich aber auch direkt an den Verein Hand in Hand wenden“, sagt Steffi. (Hand in Hand, 63674 Altenstadt, Telefonnummer: 06047/986836. Email: . Homepage: www.hand-in-hand.it)
„Die Menschen, die diesen Verein gegründet haben, haben alle ein Kind an den Krebs verloren“, sagt Steffi und längst spürt man die Dringlichkeit, mit der sie unterwegs ist. Es geht ums Eingemachte – um Menschen, denen nicht mehr viel Zeit bleibt. „Ich würde mich freuen, wenn wir wenigstens 10.000 Euro zusammenbekommen und damit den Wunschtopf wieder auffüllen können“, sagt sie, steckt den Schlüssel ins Schloss, öffnet es, setzt den Helm auf, zieht die Fahrradhandschuhe an und schiebt „Klappi“ Richtung Fahrradweg. „Am Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nehmen“, sagt die Navi-Dame. Es geht über Nimwegen nach Maasbommel. Noch vier Tage bis nach Amsterdam.