Schreibkraft
Heiner Frost

Kunst und Trost

"Claus auf Gut Trostenhof" – Carla Gottwein 2024. Foto: Rüdiger Dehnen

Alles begann mit einem Buch. Der Titel: „Warum wir Trost brauchen. Auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses“. Der Autor: Jean-Pierre Wils. Was als Text begann, ist mittlerweile zu einem Projekt geworden. Elf Kunstschaffende haben sich mit dem Thema Trost beschäftigt und zeigen vom 21. bis zum 29. September im ArToll Kunstlabor die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung.

Eine Frage – elf Antworten

In der Ausstellung: ein großer Papierbogen. Darauf eine Frage und elf Antworten: „Kann Kunst trösten?“ Irgendwie, denkt man, ist das eine rhetorische Frage. Aber wie so oft hängt wahrscheinlich wieder einmal viel vom Standpunkt ab. Vielleicht muss man Zusatzfragen stellen. Wer soll getröstet werden? Trösten sich die Künstler selbst? Richtet sich Trost an das Publikum?

Totenzettel

In einem der Ausstellungsräume: Totenzettel. Man kennt diese kleinformatigen Bildchen – früher wurden sie (man hatte noch eigene Gebetbücher) ins Gebetbuch eingelegt: Trost und Erinnerung. Schnell wird klar, dass in einem solchen Fall der Trost nicht unmittelbar durch die Abbildung gespendet wird, sondern durch den Glauben, der sie umweht. Geht man durch die Ausstellung, wird schnell klar, dass Trost eine vielschichtige „Angelegenheit“ ist – schwer zu fassen und lebendig irgendwie nur im Rezipienten. Trost – das ist der nächste Gedanke – sucht Halt im Erinnern und spendet – im besten Fall – einen veränderten Blick auf das Danach. Trost – das kann ein Raum sein, ein Gedanke, ein Geräusch, eine Aktion, die Gestaltwerdung eines Gedankens.

Auskleiden

Wie elf Kunstschaffende ein Wort auffassen, einen Gedanken umkreisen, auskleiden und zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes ausmalen, wird im Rahmen des „Trostprojektes“ im ArToll Kunstlabor eindrucksvoll eingekreist. Es geht um Beständigkeiten. Muss jemand, der die Werke ansieht, den Trostgedanken denken? Gewiss nicht – und auch in diesem Gedanken liegt ein Trost, denn Kunst, die nur durch Erklären Sinn bekommt, ist eine eher trostlose Angelegenheit.

Elf Künstler

Was Rita Beckmann, Klaus Boegel, Carla Gottwein, Setsuko Fukushima, Casper ter Heerdt, Iris Hoppe, Gudrun Kattke, Viola Michely, Niki Murphy, Johannes Reißmüller und Elaine Vis zeigen, ist im allerbesten Sinne eine Sammlung von Denkansätzen in Richtung eines Themas, das – wie wenige sonst – durch die Geschichte jedes einzelnen geprägt, wenn nicht bestimmt wird.

Daseinsbatterie

Beim Anschauen entsteht ein Schnittpunkt aus zwei Leben, die sich erst im Moment des Wahrnehmens berühren: Da ist das Kunstwerk und da ist der Rezipient. Am Ende entsteht ein Dialog, wenn – ja, wenn sich parallele Denkströme entwickeln, wenn ein Nachspüren entsteht. Im ArToll Kunstlabor wird das Thema Trost ausbuchstabiert: mal in ruhigen Bildern – mal in dringlichen Darstellungen. Kunst – denkt man am Ende – ist ein Ausdruck des Lebendigen; ist immer ein Lösen von Fesseln; immer Herausforderung und Bestätigung zugleich; immer Anstrengung und Daseinsbatterie; immer offen für das Angefülltwerden mit den Gedanken des anderen. Kunst atmet und niemand sollte denken, ein Kunstwerk spürte den Betrachter nicht. So wird das Projekt zum Trost für die Sinne und natürlich ist es wie immer im Leben: Nicht jeder findet in allem Trost. Noch eines lernt man: Trost im besten Sinne ist nicht zu fassen – kann eine Landschaft sein, ein Gedanke, ein Klang, ein Wort, ein flüchtiger Augenblick. Und manchmal ein Pflaster. All das findet sich in einer Ausstellung, die noch lange im Kopf spukt.

Zu Eröffnung am Samstag um 16 Uhr gibt es, neben der Begrüßung von Casper ter Heerdt, Musik, gespielt von Karl von Betteray, Clemens Drissen und Markus Reuber. Die Ausstellung im ArToll Kunstlabor, Zur Mulde 10 in Bedburg-Hau ist bis zum 29. September (samstags und sonntags zwischen 14 und 17 Uhr) geöffnet. Ebenfalls Teil des Trostprojektes ist eine Filmvorführung am Sonntag, 22. September, um 12 Uhr in den Tichelpark Cinemas in Kleve. Gezeigt wird der Film „Lievalleen“. Eintritt: 7,50 Euro. Und wer sich für den Ausgangspunkt des Trostprojektes interessiert, kann am Mittwoch, 25. September, um 19.30 Uhr zu einer Lesung ins Theater mini-art in Bedburg-Hau, Brückenweg 5, gehen. Jean-Pierre Wils liest aus seinem Buch: „Warum wir Trost brauchen. Auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses.“ Der Eintritt kostet sechs Euro. Heiner Frost