Die Kurzversion zum 42. Haldern Pop geht so: 7. bis 9. August. Es gibt noch Tickets.
Gestern, heute, morgen
Wer Interesse hat, guckt sich die Trailer im Internet an, macht schon mal Pläne in Bezug auf „waswillichsehenundwasnicht“, denn so viel ist klar: Alles mitnehmen geht nicht. Ach ja: Was kosten die Karten? Das Dreitageticket inklusive Camping (es wird auch Heute-Ticket genannt) ist für 162,80 Euro zu haben. Das Gestern-Ticket für Schüler und Studenten und Auszubildende kostet 132,80 Euro. Und dann wäre da noch das Morgen-Ticket: Durch den Kauf werden die Gestern-Tickets freigeschaltet“, heißt es auf der Festival-Homepage. Das Morgen-Ticket ist für 192,80 Euro zu haben.
Der Junge auf der Schaukel
So weit, so gut. Eigentlich müsste man anders beginnen. Vielleicht mit Bild vom Jungen auf der Schaukel, der gerade auf dem Weg zum Himmel ist. Das Bild stiftet Zusammenhang. Es gibt das Oben nicht dauerhaft. Vielleicht ist das die Botschaft. Wer nach oben möchte, muss unten starten – muss in Schwung kommen. Und wenn es ein nächstes Oben geben soll, dann nicht ohne Mitarbeit. Wer nicht für den Schwung sorgt, endet im Stillstand … ja – so vielleicht.
Maschinenraum fürs Miteinander
Und dann ist da dieser Satz: „In der Küche brennt noch Licht.“ Er ist das 2025-er Festivalmotto und sorgt für die Definition des an sich Undefinierbaren. Küche als Synonym für (niederrheinische) Gemütlichkeit. Für das Irgendwieursprüngliche. Merke: Im Wohnzimmer sitzt du nur an Feiertagen oder Rundgeburtstagen. Die Küche ist der Maschinenraum fürs Miteinander.
Ein Festival, das sei mehr als 40 Jahren am Markt ist, bringt Vergangenheiten mit. Vergangenheit ist Erfahrung, aber sie kann auch Klotz sein: „So haben wir es immer gemacht“ – das ist der Schaukelbremssatz. „Tradition“, soll Gustav Mahler einst gesagt haben, „ist die Bewahrung des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“
Strategie-Poker
Ein funktionierendes Jetzt braucht Rückblick und Vorschau. Dazu die Frage: Was bringt jemanden dazu, als Novize auf ein Festival zu gehen? Vielleicht hat man was gehört. Freunde fahren hin. Sprechen von toller Stimmung. Oder man durchsucht das Line-Up. Oder. Findet einen Trailer im Netz. „In der Rasanz dieser Zeit ist die Vorstellungskraft der Gewissheit immer einen Schritt voraus. Unser Vertrauen wächst vom Gestern zum Heute für Morgen.“ Das wäre dann mal einer dieser Stefan-Reichmann-Sätze. Pardon – für die Novizen: Reichmann ist quasi der Chefkurator des Festivals. Reichmann sieht Festivals in einem Strategie-Poker. „Wir müssen uns fragen: Was wollen wir eigentlich?“ Die Frage geht an die Macher – bei den Besuchern muss etwas anderes ankommen: eine Idee. Eine Haltung bestenfalls. „Wir möchten mit dem Festival alt werden“, sagt Reichmann. Ist Haltung vererbbar? Ist Stolz eine Transferleistung?
Haldern Pop geht anders
Und was ist mit den Jungen? Manche sagen, sagt Reichmann, dass man die Alten weglassen müsse, um die Jungen anzusprechen. Nein, nein, nein. Haldern Pop geht doch anders, oder? Haldern ist, auch wenn Reichmann es nicht mehr hören mag, ein kleines Festival. Innovativ sind die Halderner trotzdem. Sie bieten nicht nur Morgen-Tickets an, sondern auch Morgen-Acts. Haldern, so sagt es ein Besucher in einem der Trailer, sei „das Festival der sanften Sensationen“. Du wirst nicht mit der Nase drauf gestoßen. Du musst dich auf den Weh machen. Reichmann ist sicher:
Die Halderner Melange
„Was das Festival ausmacht, ist die Summe aus Line-Up und Publikum.“ Erst beim Aufeinandertreffen dieser beiden entsteht die Halderner Melange. Ist das nicht bei jedem Festival so? Vielleicht hängt es von der imaginären Mitte ab. Sie sollte nicht in der Vermarktung liegen. Natürlich muss am Ende die Bilanz stimmen, aber eigentlich gibt es zwei Bilanzen: die Äußere, monetäre und die Bilanz der Haltung. Haldern muss nicht nur nach außen abstrahlen, sondern auch nach innen. Im Kern sind all diejenigen, die Haldern möglich machen. Eigentlich werden, denkt man, ihre Geschichten viel zu selten erzählt.
Sudden Death
Und wie war das mit den Jungen? Dass es – neben fast schon episch anmutenden Trailern – auch Sekundenvideos gibt, darf als Zugeständnis ans Morgen gewertet werden. „Die Leute geben dir eine Sekunde. Dann wischen sie weiter“, sagt Reichmann. Sudden Death am Smartphone. Natürlich kann es sich auch Haldern Pop nicht leisten, die Trends auszublenden, aber es geht eben darum, wie man das Heute ins Morgen transportiert – transformiert.
Essenz hinter den Klängen
Was im Hintergrund eines Festivals gedacht wird? Das muss sich während der drei Festivaltage spüren lassen. Das ist die Essenz hinter den Klängen. Darum geht es. Und es geht darum, den Menschen Lust zu machen. Haldern Pop ist ein Wagnis, das man sich leisten wollen muss – auf beuden Seiten des Vorhangs. Haldern Pop ist und bleibt eine Wundertüte der besonderen Art. Ein Spielplatz.
Ein neues Karussell
Und auf diesem Spielplatz gibt es ein neues Karussell. Das beginnt sich in diesem Jahr bereits am Mittwoch zu drehen. Stefan Reichmann: „Wir bieten am Mittwoch Lesungen an. Beispielsweise wird Christoph Peters zu den Autoren gehören, die nach Haldern kommen.“ Das Vorglühen à la Haldern Pop kommt ohne Musik aus: Es geht um Literatur, Denkfutter, Kennenlernen und Kommunikation.
Auch Ausstellungen soll es geben. Zurück zum Anfang – zum Jungen auf der Schaukel. Zeit, über Andrea Fontanari zu reden. Der Mann ist Maler und Stefan Reichmann hat eines der Bilder des Italieners gekauft. Das Bild – die Veranschaulichung des Halderner Konzepts: Lust machen. Abheben. Schweben.
Klangmarken
Auch DJs werden auflegen. DJs sind – wie soll man sagen – Sound- und Plattenkuratoren. Legt auch jemand Stille auf? Das wohl eher nicht. Vielleicht muss man aufhören, die Dinge definieren zu wollen. Andererseits: Wer den Kundenkreis erweitern möchte, muss Anreize ausstreuen, Duftmarken ausbringen. Vielleicht besser von Klangmarken sprechensingenschreiben.
Vielleicht noch mal ein Reichmann Satz: „Die Tradition ist ein lebendiger Fluss regelmäßiger Ereignisse im Bett des Bekannten mit der mäandernden Wucht des Gegenwärtigen.“ Okay. Ein bisschen parfümiert kommt die Sprache daher. Haldern, das kanndarf auch nach mehr als 40 Ausgaben konstatiert werden, hat ein besonderes „Aroma“. Das wird sich – darf man prognostizieren – wohl auch in diesem Jahr bewahrheiten. Am Ende bleibt der Hoffnungssatz, der auch Einladung ist: In der Küche brennt noch Licht.