Schreibkraft
Heiner Frost

Helden, Hilfe und kein Haken

René Jurack. Foto: Rüdiger Dehnen

René Jurack ist 37 Jahre alt. Er arbeitet bei den Emmericher Stadtwerken, aber er kennt sich auch bestens mit 3-D-Druck aus. Schon vor Jahren hat er – quasi nebenbei – eine Firma gegründet: well-engineered. Zu seinen Kunden gehören BASF oder die Bundeswehr, aber jetzt geht es um etwas anderes.

„Ich möchte helfen“

Jurack druckt derzeit Schutzmasken – und zwar die, die in Arztpraxen und Krankenhäusern dringend gebraucht werden. „Ich möchte helfen“, sagt er und man denkt: Wo ist der Haken. Wie verdorben man doch ist. Fest steht: Es gibt keinen Haken. Jurack hat Arztpraxen angeschrieben und Krankenhäuser. Bei dem, denkt man, steht das Telefon nicht mehr still. „Das ist leider nicht so“, sagt Jurack. „Bisher hat sich nur das Klever Krankenhaus bei mir gemeldet. Ich habe denen 50 Masken gedruckt. Jetzt haben die nach 200 weiteren gefragt.“

Hier werden die Halterungen für die Visiere gedruckt. Foto: Rüdiger Dehnen

Materialpreise explodieren

Juracks Masken sind kein Mundschutz – es sind Masken mit einem Visier aus PE beziehungsweise PET-Folie – nicht stärker als 0,8 Millimeter. Das Problem: „Momentan explodieren die Preise.“ Jurack schrieb auch an Geschäfte, um nach Folien (Overheadfolien beispielsweise) zu fragen. „Die einzigen, die geantwortet haben, waren bueroboss derksen in Kleve“, sagt er. Dort konnte er Folien abholen. Geschenkt. Und genau so geht es weiter. „Ich biete meine Masken kostenfrei an, aber wenn jemand sich an den Kosten beteiligt, ist das natürlich super.“ Nein – Jurack ist keiner, der aus der Krise ein Geschäft machen möchte. Mittlerweile tun sich überall Menschen zusammen, die mit ihren Druckern helfen und Masken produzieren wollen. Jurack verweist auf die Seite https://www.makervsvirus.org. Wer die Seite ansteuert, findet drei Buttons: „Ich habe Bedarf“, „Ich kann produzieren“, „Spenden“. „Bitte beachten: Wir führen nur Initiativen auf, die ihre (selbst) produzierten Artikel kostenlos oder zum Selbstkostenpreis anbieten“, steht darunter.

Der Safe-Grabber zur kontaktlosen Bedienung beispielsweise von Türklinken. Foto: Rüdiger Dehnen

Halterung für die Folie

Was eigentlich wird im Drucker hergestellt? Es ist die Halterung, mit der die Folie zur Maske wird. Rund 20 bis 30 Minuten werden für die Produktion gebraucht. Jurack: „3-D-Drucker sind in der Regel nicht für die Massenproduktion.“
Allein die 200 Masken, die das Klever Krankenhaus bestellt hat, benötigen eine Produktionszeit von einer Woche. Da erschließt sich die Makervsvirus-Initiative sehr schnell. Je mehr Menschen in die Produktion einsteigen, um so mehr kann hergestellt werden. Noch mal: Es geht gerade nicht um den Wucher – es geht um schnelle Hilfe. Jurack: „Wenn jetzt jemand in Ihrer Zeitung von dieser Initiative liest und, sagen wir, in Köln wohnt, kann er über www.makervsvirus.org sowohl mitarbeiten als auch Masken anfordern oder spenden. Damit das Projekt möglichst gut läuft, werden an drei Punkten Menschen gebraucht. „Und wenn es Menschen oder Firmen gibt, die Material spenden oder zu einem fairen Preis anbieten, dann sind die herzlich willkommen.“

Der Safety-Grabber – geeignet zum kontaktfreien Bedienen von Türklinken. „Das Design ist nicht von mir“, betont Jurack. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Safety Grabber

Jurack druckt derzeit nicht nur Masken sondern auch einen Griff, mit dem sich ohne Materialkontakt Türklinken öffnen lassen. Auf Anregung des Klever Krankenhauses hat Jurack an seiner Maske noch „eine Kleinigkeit“ geändert. „Die haben mich gebeten, die Masken in Weiß zu drucken. Da sieht man Verschmutzungen besser.“ Die Masken –vielleicht sollte man besser von einem Visier sprechen, sind wiederverwendbar, „denn man kann die natürlich desinfizieren und dann erneut gebrauchen“, erklärt Jurack. Auch das ist also möglich. Jurack: „Zusätzlich zu den Masken tragen die Ärzte und Pfleger natürlich noch einen Mundschutz sowie eine Schutzbrille.“ Erst in dieser Kombination ist der Eigenschutz optimal. „Die Masken sind in erster Linie Spuckschutz, halten die Träger aber auch davon ab, sich ins Gesicht zu fassen.“

Juracks 3-D-Drucker. Rund 20 Minuten braucht er für eine Visierhalterung. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

„Makervsvirus“

Wer „makervsvirus“ ansteuert, findet eine Liste der Anbieter, die Zahl der jeweils vorhandenen Drucker und die Adressen. Jurack: „Ich bin derzeit für die Koordination in den Kreise Wesel und Kleve zuständig.“ René Jurack ist unter zu erreichen.

René Jurack mit einem Schutzvisier. Wer es – zum Beispiel in einer Arztpraxis – einsetzt, braucht trotzdem einen Mundschutz. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Dass es „da draußen im Netz“ Menschen gibt, denen es darum geht, Hilfe zu bieten, sorgt irgendwie für ein gutes Gefühl. Dass es – inwiefern Jurack ein allgemeingültiges Beispiel ist, kann man nicht wissen – eigentlich erschreckend wenige Anfragen gibt, erschließt sich nicht. Jurack: „Ich hatte in den Niederrhein Nachrichten gelesen, dass es schwer ist, an Masken zu kommen. Daraufhin habe ich Praxen und Krankenhäuser angeschrieben, aber es kamen – das Klever Krankenhaus in Sachen Bedarf und Bueroboss Derksen in Sachen Materialspenden – keine Anfragen beziehungsweise Angebote.“ Das könnte sich jetzt ändern. Wichtig: Wer einen Mundschutz braucht, um dann zum Einkaufen zu gehen, gehört nicht in die Zielgruppe. Juracks Masken sind für den Einsatz in Praxen und Krankenhäusern gedacht.

Maker vs. Virus im Netz

 

Hilfe findet derzeit überall statt. Erna Kleinstabel näht daheim für Nachbarn oder beispielsweise auch für den Briefträger Mundschützer. Bisher hat sie 97 handgenähte Exemplare verschenkt.

Erna Kleinstabel: Mundschützer für Freunde und Nachbarn. NN-Foto: Rüdiger Dehnen