Schreibkraft
Heiner Frost

Gute Reise!

Die Reisegruppe Tönisen.

Thorsten Tönisen lacht. Warum auch nicht? Schließlich geht es um den Urlaub. Er und seine Familie haben es hinter sich. Am Ende werde ich an die Woody-Allen-Gleichung denken: Tragödie+Zeit=Komödie.

Sechs Personen

Es ist Samstag, der 25. Juni. Es ist der erste Ferientag. Haltstop – das könnte Ärger geben. Der 25. Juni ist der erste Tag nach dem letzten Schultag. Die Tönisens haben gebucht: Ein Haus auf Mallorca. „Cala d‘Or – idyllisches Urlaubsparadies“ – das ist der erste Eintrag, wenn man den Namen googelt. Na bitte. Die Tönisens – das sind Thorsten Tönisen, seine Frau Katharina und zwei Töchter: Maya und Sina. Die Mädels sind 17 und 14. Ziemlich selbständig. Die ‚Reisegruppe Tönisen‘ besteht aus sechs Personen. Die Sache ist schnell erklärt: „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass unsere Mädels je eine Freundin mitnehmen. Im Haus auf Mallorca ist Platz genug.“

Urlaub eben

Tönisen hat einen Billigflieger gebucht – lange im voraus. Start- und Zielflughafen: Weeze. Merke: Wenig Stress bei der Anreise. Kein Chaos bei der Abfertigung. Urlaub eben. Der Flug startet um 17.50 Uhr. Das ist doch mal eine gastfreundliche Startzeit. Zum Flughafen wird die Reisegruppe von Eltern der Freundinnen gebracht. „Da muss ich dann nicht mein Auto 14 Tage lange am Flughafen stehen lassen“, sagt Tönisen. Gut geplant. Der Weg zum Flughafen: ein Katzensprung. „Wir haben uns zweieinhalb Stunden vorher bringen lassen. Man hatte ja im Vorfeld in der Zeitung gelesen, dass viel los sein würde“, erinnert sich ‚Reiseleiter‘ Tönisen. Die Reisegruppe hat online eingecheckt und die entspchenden Codes auf den Smartphones abgespeichert. „Wir mussten nur noch unser Gepäck aufgeben. Ich habe einen Bekannten, der am Airport arbeitet. Den hatte ich noch gefragt, wie dort die Situation ist.“ Antwort: Ruhig. Entspannt. Und so war es dann auch: „Da standen vielleicht 40 Leute am Check-In. Wir waren 90 Minuten vor dem Abflug mit allem fertig.“ Diagnose: Zeit satt. Also einfach mal ins Restaurant setzen. Entspannt abwarten. Die Stimmung: entspannt. Vorfreudig.

Nä, ne?

Während die Sechs im Restaurant sitzen und hin und wieder auf den Info-Monitor blicken, kommt Unruhe auf. „Meine Frau sagte irgendwann: ‚Da steht, dass unser Flug gestrichen wurde.‘ Ich habe gedacht: Das kann ja gar nicht sein.“ Später wird sich der Grund für die Streichung herausstellen: „Auf Mallorca streikt das Personal der Fluggesellschaft“, sagt Tönisen. Jetzt aber sind Reisende erst einmal verunsichert, geschockt, verzweifelt, sauer. „Da sind ja Leute, die haben auf ihren Urlaub gespart: und dann das.“ Tönisen ärgert sich: „Warum nehmen die unser Gepäck an und dann wird der Flug gestrichen?“ Die Informationspolitik seitens der Fluggesellschaft? Tönisen: „Wir haben nichts erfahren. Wir haben uns dann aufgeteilt. Meine Frau und ich sind zum Info-Schalter – die Kinder haben am Gepäckschalter gewartet, um zu sehen, ob sich da was tut.“ Die Dame am Info-Schalter des Airports tut Tönisen leid. „Die musste sich einiges anhören und glauben Sie mir: Das war nicht alles freundlich.“ Die Schlange am Info-Schalter ist lang. Irgendwann sind noch fünf Leute zwischen Tönisen und der Dame am Schalter. „Da sagt die, dass der Schalter jetzt geschlossen wird.“ Tönisen sorgt dafür, dass es nicht so ist. „Neben uns stand eine Mutter mit vier Kindern. Die hat geheult. Vier kleine Kinder: Da kannst du dich ja nicht aufteilen. Die war wirklich verzweifelt.“

Schiphol

Tönisen erfährt: Der Flug ist tatsächlich gestrichen. Noch kennt er den Grund nicht. Die Fluggesellschaft wird die Kosten erstatten. Aber was hilft das? Wie soll die Reisegruppe Tönisen nach Mallorca kommen? „Wir haben dann die Eltern von Marie und Mareen angerufen und gebeten, dass die uns wieder abholen.“ Zuhause setzt sich Tönisen an den Rechner und schafft das Unmögliche: Er findet einen Flug nach Mallorca – ab Schiphol, Amsterdam. Der Flug geht am Folgetag. „Diesmal bin ich dann mit dem eigenen Auto hingefahren.“ Immerhin: Der schlimmste Fall ist nicht eingetreten: „Preislich hat sich da so gut wie nichts getan.“ Schiphol, 26. Juni: Die Reisegruppe ist jetzt dreieinhalb Stunden vor der Zeit am Terminal. „Da stand eine unglaublich lange Schlange. Ich habe gedacht: Das schaffen wir nie. Eine Viertelstunde vor dem Boarding waren wir am Gate.“ (Nervlich einigermaßen unten.) „Wir haben übrigens von der Flugesellschaft eine Mail bekommen.“ Drin stand, dass die Kosten binnen fünf Tagen erstattet würden. Drin stand nicht, warum der Flug gestrichen worden war. Tönisen: „Das mit der Erstattung hat dann zehn Tage gedauert. Ich stelle mir vor, wie das für Leute sein muss, die ihr letztes Geld für einen Urlaub ausgegeben haben. Dann sollen sie einen neuen Flug buchen und haben die Erstattung für den ursprünglichen Flug noch nicht erhalten.“

Infos wären gut

Ist Tönisen sauer auf die Streikenden auf Mallorca? „Nein. Bin ich nicht. Was ich nicht gut finde: Man steht da in bekommt erst einmal keine Info von der Fluggesellschaft. Das Gepäck ist weg. Da kommt dann keine Freude auf – das kann ich Ihnen sagen. Und es ist ja auch nicht klar, wie es den anderen ergangen ist. Mit tut auch die Frau am Info-Schalter leid. Bei der wurde alles abgeladen und die konnte ja nun wirklich nichts dafür.“
Und wie ging es weiter? Tönisen: „Wir haben dann einen schönen Urlaub gehabt – abgesehen davon, dass wir später noch ein Problem mit dem Leihwagen hatten.“ (Kleinigkeit, oder?) Und dann der Rückflug. Probleme? Sagen wir so: „Man musste sich 24 Stunden vorher einchecken. Das war aber nicht möglich.“ Nur mal fürs innere Tagebuch: Tönisen hatte Hin- und Rückflug gebucht. Jetzt sagt ihm jemand, es sei noch nicht sicher, ob die Sache mit dem Rückflug klappen würde. Der Flug sei überbucht.

New York? Bitte nicht!

Es bereitet keinerlei Probleme, sich das Zerzaustsein vorzustellen. Same procedure as last time? Die Reisegruppe ist seeehr zeitig am Flughafen. Alles geht glatt. Sie sind beizeiten eingecheckt. Und jetzt: Jede Menge Zeit ist zu ‚verbrennen‘. Warum nicht einen Happen essen gehen? Da sitzen sie im Schnellrestaurant und warten aufs Essen. „Papa, kann es sein, dass Flüge früher starten als geplant?“ „Nein.“ Und dann steht auf der Tafel, dass der Rückflug nach Amsterdam früher startet. Die Reisegruppe sprintet zum Gate. „Der Flug hatte dann 60 Minuten Verspätung.“ Längst ist man vom Zuhören kurzatmig geworden. Da ist es wieder – das Woody-Allen-Zitat: Tragödie+Zeit=Komödie. Wie groß ist die Vorfreude auf den nächsten Urlaub? Tönisen lächelt. „Ich könnte Ihnen noch die Geschichte von New York erzählen. Auch nicht schlecht.“ Man winselt um Gnade. „Vielleicht beim nächsten Mal.“