Schreibkraft
Heiner Frost

Die literarische Veranda

Muss man „Veranda“ erklären? Vielleicht. Also: „Überdachter, oft verglaster Anbau an einem Gebäude, der als halb-offener Übergang zwischen Innen- und Außenbereich dient.“ Das Haldern Pop bekommt – so könnte man es auch formulieren – einen Vorbau. Das Motto: Ankommen, aufbauen, zuhören …

Wortpräludium

Es geht um ein Präludium aus Worten – einen literarischen Anlauf. Vormals begann das Haldern-Pop mit donnerstäglicher Anreise der Gäste, Eroberung des Campgrounds und ersten Konzerten in der Kirche. Ab sofort kann der „Einzug“ ins Festival schon mittwochs (ab 15 Uhr) stattfinden und bevor am Donnerstag die Klänge regieren, werden es jetzt am Mittwoch (ab 16 Uhr) Worte und Texte sein. Der literarische Teil beginnt um 16 Uhr in der Pop Bar mit einem Gespräch zwischen Harald Kunde, seines Zeichens Chef des Museums Kurhaus Kleve, und dem vom Niederrhein stammenden aber längst in Berlin lebenden Schriftsteller Christoph Peters.

Ein Taubenschlag

Stefan Reichmann, Kurator des Haldern Pop Festivals: „Wir warten in Haldern immer erst das Schützenfest ab, bevor wir dann in die Infos über das Festival einsteigen.“
Die Ausgangslage bei Musikern und Literaten: ein Taubenschlag. Man wisse, so Reichmann, oft bis zuletzt nicht, wer ein- oder ausfliege. „Früher habe ich bei jeder Absage Panik bekommen. Jetzt bin ich resilient und sage ich mir: Ruhe bewahren. Es wird trotzdem gut.“

Postkarten

Bevor Reichmann die Liste der am Präludien Beteiligten preisgibt, findet ein Exkurs ins Bewerben eines Festivals statt. Es gebe Menschen, die Pressekonferenzen für überholt hielten. Die Frage, die gestellt würde: Wie erreichst du Menschen? Erreichst du sie überhaupt? Natürlich sind auch die Haldern-Pop-Leute im Netz unterwegs – bespielen die „sozialen“ Medien. „Aber wir veranstalten auch immer montags einen Postkartenabend“, erklärt Reichmann. Das Witzige daran: Die Angeschriebenen reagieren fast immer. Freuen sich. Und teilen ihre Freude meist elektronisch mit: Emails, Whatsappnachrichten. Irgendwie schräg. Aber schönschräg.

Das Programm

Zurück zu literarischen Veranda. Das Programm. Veronika Peters (Nackt war ich am schönsten; Das Herz von Paris; Was in zwei Koffer passt), 18 Uhr in der Pop Bar. Christoph Peters (Innerstädtischer Tod; Der Sandkasten; Krähen im Park; Tage in Tokio), 19 Uhr, Pop Bar . Julia Holbe (Man müsste versuchen, glücklich zu sein; Unsere glücklichen Tage) 17 Uhr, Remise Catja Schulze-Böckinghoff. Alina Herbing, (Niemand ist bei den Kälbern; Tiere, vor denen man Angst haben muss),18 Uhr, Remise . Dallach, Dorau, Thomalla, (Die Wahrheit über kid p), Pop Bar, 20 Uhr. Max Czollek (Desintegriert euch; Versöhnungs Theater; Gute Enden), 21 Uhr, Pop Bar. Pfarrkirche St Georg, 22 Uhr: Vincent Moon`s Live Cinema. Für alle Veranstaltungen gilt das Festivalbändchen als Eintrittskarte.

Kleingroßanders

Haldern Pop, das zeigt sich einmal mehr, ist kleingroßanders – irgendwie alles gleichzeitig. „Wir haben damals dieses Festival ins Leben gerufen, weil wir den Leuten zeigen wollten, was wir gut finden“, sagt Stefan Reichmann, „und das ist noch immer so. Wir verkaufen Tickets, um ein Festival zu machen. Wir machen kein Festival, um Tickets zu verkaufen.“ Haldern war ist und bleibt ein Schaukasten für das Mögliche. „Natürlich sagen viele aus der Rückschau: Früher habt ihr große Namen gehabt. Dabei wird dann gern gesehen, dass die Leute, als sie bei uns gespielt haben, noch nicht bekannt waren.“ Es ist wie mit dem Kunstsammeln: Du kannst dich auf die großen Namen konzentrieren oder dem Neuen einen Platz einräumen, ohne dabei an Werststeigerungen zu denken. Reichmann: „Manche wünschen sich ‚Vorfreude mit Geländer‘ – das dient dann als Sicherheit.“

Kein schriller Vogel

Auch bei den Machern werde gestritten – diskutiert. „Das gehört einfach dazu.“ Wie die literarische Veranda angenommen wird, muss sich zeigen. Haldern ist unter den Festival kein schriller Vogel – eigentlich mehr das, was paradoxerweise Geheimtipp zu nennen wäre. Muss man zurück in die Zeit, da am zweiten Vorverkaufstag alle Tickets weg waren? Die einen sagen so – die anderen so. Vielleicht muss es auch darum gehen, Haltung zu zeigen und durchzuhalten. Gewonnen haben am Ende die, die gekommen sind und bereichert die Heimreise antreten.