Parkplatz gesucht
Längst sind die letzten Achttausender (mit und ohne Sauerstoffgerät) bezwungen, der Mann im Mond bekam schon 1969 Besuch, das Wort zum Sonntag wird in Farbe und Stereo über Satellit ausgestrahlt, und der Mann als Hebamme gehört zur Arbeitswirklichkeit. Kurz gesagt: Es gibt keine Abenteuer mehr. So weit des Elends erster Teil. Und dann waren da noch die Frauen. da ist es dann doch: das letzte wirkliche Abenteuer: Es hört auf den Namen Geschenkidee. Längst versehen mit allem Nötigen und Unnötigen dieser Welt, sieht sich der moderne Mann mittelalterlicher Prägung angesichts von Geburts- und anderen Feiertagen vor den leer geräumten Regalen der eigenen Phantasie. Aber das gibt es ja das Kunstschloss am Niederrhein und somit die Möglichkeit, der Angebeteten eine Nacht auf dem Parkplatz zu spendieren. Richtig gehört.
Endlich gehen Abenteuer und Romantik die so lange verschollen geglaubte Verbindung ein. „Im Kunstschloss steht ein Bett im Park, und niemand außer uns wird da sein“, gehe ich in die Vorlage. „Um 21.15 Uhr werden wir eingelassen und dann bis zum Morgen den Park und das Bett für uns haben.“ Romantik pur. Wann hat mich zuletzt eine Frau so angesehen und ist mir um den Hals gefallen? Ein Traumsommer. Am Abend darf ich endlich die vier Koffer zum Auto tragen. Frau möchte schließlich nicht unvorbereitet dastehenliegensitzen.
Das Bett ist frisch bezogen
Am Kassenhäuschen werden wir empfangen und zum Parkplatz geleitet. Wir bekommen eine Taschenlampe und die Erklärungen für den Ablauf. (Frühstück ab halb zehn.) „Falls was sein sollte: Sie erreichen mich auch über Handy“, beruhigt der Nachtwächter. Na, dann is ja gut. Das Bett ist frisch bezogen — für gekühlte Getränke ist gesorgt. Einfach super! „Und wie gefällt’s dir hier, mein Schatz?“ möchte der edle Spender wissen und wähnt sich längst mit einem Lächeln beglückt, als die Wirklichkeit plötzlich und blitzhaft einschlägt: „Papa, du hast mein Malbuch vergessen.“ Ich werde von einem strafenden Blick durchbohrt. Gerade zucke ich zusammen, als mir die zum Idyll gehörenden Enten zu Hilfe kommen. „Sind die aber süß“, lässt sich mein Schätzlein herab, um gleich danach allerdings anzumahnen, dass ich keine Futtermittel für das Schlossparkgeflügel eingepackt habe. Punktabzug. „Schön ist es aber trotzdem“, ändert sich die höchsttöchterliche Meinung, als ich beweisen kann, dass ich an Naschwerk für den Nachwuchs gedacht habe. Schön, so eine Nacht im Park. Und vor allem: Dergleichen hat ja nun nicht jeder zu bieten. „Papa, wo ist denn dein Handy?“ Wir können ja mal Mama anrufen.“ Mammamal anrufen, denke ich, und bekomme kurz nach dem Abheben noch einmal eine Zusammenfassung der vorschläflichen Pflichten.
Papa beschützt dich
Es dunkelt. „Papa, erzähl mir eine Geschichte.“ Klar doch. „Wie wär’s mit der Geschichte von den Kokusratten?“ „Gibt’s die hier wirklich?“ „Ja, aber sie kommen erst spät nachts, wenn es überall ganz dunkel ist. Du musst aber keine Angst haben — Papa beschützt dich.“ Eigentlich genial: Man erfindet eine Bedrohung, deren einziges Gegenmittel man selbst ist. (Fast ein bisschen wie in der Pharmaindustrie.) Gegen 23 Uhr schläft die Tochter. Der Wald steht schwarz und schweiget. Schlossparkplatzromantik. Das eine oder andere Auto ist in der Ferne zu hören. dazu ein Uhu. Fehlt nur noch der morgendliche Dämmerungsnebel über dem Schlossteich. (Mal abwarten, was so alles geboten wird.) Bis dahin: Nachtlektüre unterm Mosquitonetz.
Federspende
Zwischendurch schreckt man hoch. Es knackt im Unterholz. (Vielleicht doch die Kokusratten?) Übrigens: Außer der väterlichen Anwesenheit helfen auch Entenfedern unterm Kopfkissen. Das jedenfalls habe ich verlauten lassen und die watschelnden Parkmitbewohner gleich um eine Federspende gebeten. Kein Problem also: Entenfedern unterm Kissen lassen die Tochter friedvoll schlummern. Wie schön doch so eine Nacht im Park sein kann, wenn der Sommer sich nicht lange bitten lässt …
Luftkühlung
Garantiert liegen die Hühner noch im Tiefschlaf, als die Frau meiner Träume mich wach tritt, ohne allerdings selbst das Bewusstsein wieder zu erlangen. Also aufgestanden und mal eben kurz einen Spaziergang durch den Skulpturenpark gemacht. Luftkühlung ist doch wirklich eine feine Erfindung. Morgenstund hat kühlen Schlund. Auf dem Stuhl vor dem bebaldachinten Bett nicke ich noch ein wenig ein, bis — ungefähr gegen 6.57 Uhr — die Traumfrau erwacht und das Arsenal ihrer Spielsachen im Bett aufzutürmen beginnt. Nachdem die Spielzeit beendet ist, werde ich angewiesen, das Gepäck in der Reisetasche zu verstauen und Mammamalebenanzurufen. Die soll schon mal Frühstück machen. „Papa, waren denn die Kokusratten da?“ Ja. Aber sie haben die Entenfedern gesehen und auf dem Absatz kehrt gemacht. (Tragen die denn Schuhe?) „Schön war’s, Papa.“ Na dann is ja gut. „Papa — da unterm Netz: Ist das eine Kokusratte?“ Nein. Nur eine Heuschrecke. (Die tut nix. Die will nur spielen.) Wir halten fest: Das Moyländer Parkplatzabenteuer ist eine echtschönruhige Sache. Schade nur, dass das Hotel Skulpturia bereits für den ganzen Restsommer ausgebucht ist. Kaum ein Hotelzimmer hat übrigens so viele Sterne wie dieses — klarer Himmel vorausgesetzt. Der Sache mit den Kokusratten muss allerdings noch weiter nach gegangen werden.