Alles fängt mit einem Kaffee an. Beim Bezahlen die alles entscheidende Frage: „Möchten Sie einen Beleg?“ „Nö.“ Jetzt könnte die Geschichte beendet sein …
Sie sind doch von der Presse
… ist sie aber nicht. „Sie sind doch von der Presse!?“ „Ja.“ „Dann können Sie mir vielleicht sagen, ob ich mich strafbar mache, wenn ich jetzt keinen Beleg ausdrucke.“ Ich denke: Woher soll ich das wissen? Ich habe keinen Laden, ich bin nicht beim Finanzamt oder bei der Steuerfahndung. Aber: Man kann sich ja mal umhören. Ab Januar – das weiß auch ich mittlerweile – gilt die Bonpflicht. Aber macht sich jemand strafbar, der keinen Bon ausdruckt, wenn der Kunde keinen Bon möchtebrauchwill?
Muss!
Anruf beim Finanzamt: „Ja, der Bon muss ausgedruckt werden.“ Wenn aber der Vorgang (also mein Kaffee) „ordnungsgemäß“ in die Registrierkasse eingegeben wurde und ich den Bon ohnehin wegschmeiße (Bons auf Thermopapier – auch das weiß ich – dürfen nicht in die Papiertonne), was macht dann den Unterschied?
„Ich kann Ihnen das nicht sagen. Ich bin technisch nicht versiert“, heißt es am Telefon. Ich auch nicht, denke ich, aber: Es muss mir doch jemand erklären können. „Was wäre“, frage ich, „wenn Sie beim Bezahlen neben mir stünden, das Gespräch mitbekämen und dann sehen, dass ich bezahle, aber für mich kein Bon ausgedruckt wird?“ Das sei jetzt aber irgendwie hypothetisch, heißt es. Das finde ich nicht. Genau das, denke ich, findet täglich 20 Millionen Mal und mehr statt. Der Rat: „Ich gebe Ihnen mal die Nummer der Finanzverwaltung in Münster. Rufen Sie Frau X. an.“
Bitte schriftlich
Frau X. möchte, nachdem wir circa sechs Minuten telefoniert haben, dann doch bitte eine schriftliche Anfrage per Mail. Wird gemacht. Ich schreibe an FV („Das steht für Finanzverwaltung“)@….: „Betreff: Telefonat vom 16. Januar, 14.45 Uhr mit Frau X. bezüglich der Belegausgabepflicht von Kassenbons. Sehr geehrte Frau X. Bezugnehmend auf unser Telefonat (siehe Betreff) hier also die Schilderung eines Sachverhaltes, von dem ich gern wüsste, wie er einzuordnen ist. Hypothese: Ich frühstücke in einem Café. Beim Bezahlen werde ich gefragt, ob ich einen Beleg brauche. Ich verneine die Frage. Muss der Bon trotzdem ausgedruckt und gegenbenenfalls vom Betreiber entsorgt werden, weil ich den Bon ja nicht mitnehmen will? Die Besitzerin erzählte mir, dass die Kasse ohnehin mit einem Chip versehen sei, der die Kassendaten ans Finanzamt übermittelt. Die Frage also: Was macht am Ende den Unterschied? Es ergibt ja – laienhaft betrachtet – wenig Sinn, einen ausgedruckten Bon wegzuwerfen. (Das ist ja noch dazu „Sondermüll“.)
Ein Unterschied?
Es muss ja – wenn der Ausdruck des Bons vorgeschrieben wird – einen Unterschied zwischen der einfachen Erfassung und der Erfassung plus Ausdruck geben. Worin genau besteht dieser Unterschied? (Es würde für mich einen Sinn ergeben, wenn ich verpflichtet wäre, den Bon in meinen Akten aufzubewahren. Das ist aber glücklicherweise nicht der Fall.)
Letztendlich aber geht es um die Klärung der Eingangsfrage: Macht sich jemand, der einen vom Kunden nicht gewünschten Bon nicht ausdruckt, strafbar und wie genau sieht es mit den Strafen aus? Wo sind die niedergelegt? (Das muss ja in einem entsprechenden Gesetz irgendwo und irgendwie Erwähnung finden.) Mit freundlichen Grüßen …“
Antwort
Um 17.14: die Antwort der FV Münster. Sehr geehrter Herr Frost, vielen Dank für Ihre Anfrage, die die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen wie folgt zusammenfassend beantwortet: Die Belegausgabepflicht (§ 146a Abs. 2 Abgabenordnung –AO-) ist Bestandteil des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 (Kassengesetz).
Die Vorschrift regelt ab dem 01.01.2020 die Pflicht, einen Beleg über den Geschäftsvorfall [das ist ein schönes Wort, denke ich] auszustellen und dem an diesem Geschäftsvorfall Beteiligten (Beleg-Empfänger) zur Verfügung zu stellen (Belegausgabepflicht).
Belegausgabepflicht, Nachschau, Betriebsprüfung
Die Belegausgabepflicht tritt neben die bestehenden Instrumente der Kassen-Nachschau oder Betriebsprüfung und kann Teil dieser sein. Als Ergänzung der bestehenden Prüfungsmaßnahmen kommt ihr insbesondere eine präventive Wirkung zu, da der Unternehmer nicht weiß, ob eine Überprüfung tatsächlich stattfindet. Es ist davon auszugehen, dass Verstöße künftig schneller und effektiver aufgedeckt werden können. Durch die Belegausgabe mit den gesetzlich geforderten Sicherheitsmerkmalen kann nachgeprüft werden, ob das Kassensystem lückenlos genutzt und die erforderliche Sicherheitseinrichtung des Systems korrekt eingesetzt wurde. Zudem hat dies für die Unternehmen zur Folge, dass die von der Finanzverwaltung durchzuführenden Kontrollen hierdurch verkürzt und die erforderlichen Eingriffe in den Betriebsablauf reduziert werden.
Bußgelder bis zu 25.000 Euro
Werden die elektronischen Kassensysteme nicht oder nicht richtig verwendet, können Verstöße als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Dabei können […] Bußgelder von bis zu 25.000 Euro Bußgeld verhängt werden – und zwar unabhängig davon, ob es tatsächlich eine Manipulation oder Steuerverkürzung gegeben hat. Verstöße gegen die Belegausgabepflicht sind hiervon jedoch nicht betroffen.
Ergänzend möchte ich auf folgendes hinweisen: Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren zur Belegausgabepflicht die Pflicht zur Kontrolle der Aufzeichnung eines Geschäftsvorfalls mit der folgenden Begründung gefordert (BT-Druck. 18/9957, 2): ‚Ohne Belegausgabepflicht und ohne zentrale Registrierung der Sicherheitskomponenten lässt sich der Steuerbetrug durch die beiden anderen Betrugsszenarien nicht wirksam bekämpfen. […]
Einzeln festgehalten
Eine Belegausgabepflicht ist notwendig, da allein auf diese Weise leicht nachprüfbar ist, ob der Geschäftsvorfall einzeln festgehalten und aufgezeichnet wurde und ob der Geschäftsvorfall die Sicherheitseinrichtung durchlaufen hat. Nur so lässt sich feststellen, ob das Sicherheitssystem benutzt wird und nach Maßgabe der Zertifizierungsvorgaben funktioniert. Daher gibt es in fast allen Ländern mit sogenannten Fiskalkassen auch eine Belegausgabepflicht. Die unverwechselbare Zuordnung einer Sicherheitseinrichtung und der damit aufgezeichneten Daten zu einem Steuerpflichtigen ist eine weitere notwendige Komponente. […] Ohne eine Personalisierung dieser Art wird das Erkennen von Zweitkassen-Systemen unmöglich gemacht.‘
Bis zu zehn Milliarden
Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Kassengesetz sind Schätzungen angestellt worden, die bundesweit von einem jährlichen Steuerausfall von mindestens fünf bis zehn Milliarden Euro ausgingen. Dieses stellt eine signifikante Wettbewerbsverzerrung dar, die im Interesse eines fairen Wettbewerbs für steuerehrliche Unternehmen nicht akzeptabel ist. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass es in Deutschland keine allgemeine Registrierkassenpflicht gibt. Von der Belegausgabepflicht sind nur elektronische Aufzeichnungssysteme, also elektronische Registrierkassen und computergestützte Kassensysteme betroffen.
Ausnahmen
Für sogenannte offene Ladenkassen (manuelle Einzelaufzeichnungen ohne Einsatz technischer Hilfsmittel) gilt die Belegausgabepflicht nicht. Damit sind insbesondere kleinere inhabergeführte Betriebe ohne Fremdpersonal oder zum Beispiel Betreiber von Marktständen, die häufig eine offene Ladenkasse nutzen, auch künftig nicht verpflichtet, Belege auszugeben. Zudem ist davon auszugehen, dass die in der KassenSichV für Registrierkassen bereits vorgesehene Möglichkeit der Ausgabe von Belegen in elektronischer Form im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung künftig erheblich an Bedeutung gewinnen dürfte. Zu den genauen technischen Anforderungen an die Kassensysteme finden Sie Erläuterungen auf den Seiten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/DigitaleGesellschaft/Grundaufzeichnungen/FAQ/faq_node.html
Weitere Hintergrundinformationen zu der Thematik finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen.
Fragen und Antworten zum Kassengesetz
Nicht betroffen
Erstes Zwischenergebnis also: „Werden die elektronischen Kassensysteme nicht oder nicht richtig verwendet, können Verstöße als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Dabei können Bußgelder von bis zu 25.000 Euro Bußgeld verhängt werden – und zwar unabhängig davon, ob es tatsächlich eine Manipulation oder Steuerverkürzung gegeben hat. Verstöße gegen die Belegausgabepflicht sind hiervon jedoch nicht betroffen.“ Aha: Belegausgabepflicht einerseits – Bußgeld bei Nichtausdruck: Fehlanzeige.
Elektronisch oder in Papierform
Auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums heißt es am 8. Januar: „Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016, das „Kassengesetz“, führte die Pflicht zur Ausgabe von Belegen zum 1. Januar 2020 ein. Der Beleg kann elektronisch oder in Papierform ausgestellt werden. Das Erstellen des Belegs muss in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang erfolgen. Bei den FAQs findet sich folgende Frage: „Gibt es eine Bagatellgrenze für die Belegausgabepflicht?“ Die Antwort fällt kurz aus: „Nein.“ Immerhin wichtig: Der Beleg kann elektronische oder in Papierform ausgestellt werden.
Andere Lösungen
Die Pressesprecherin vom Vectron, einem führenden Hersteller von Kassensystemen, Daniela Franka Tünte: „Wir arbeiten derzeit an einer Lösung ohne Papier, die auf der Gastonomiemesse Internorga im März präsentiert werden soll. Mittels eines QR-Codes, der auf dem Kassendisplay erscheint, können Käufer an der Kasse mit ihren Handy die Daten digital erhalten. Sie müssen nur den Code scannen. Neben der Entlastung der Umwelt hilft dies auch dem Einzelhändler, Kosten zu sparen.“
Zwischen Baum und Borke
Nächste Frage: „Was passiert, wenn der Kunde keinen Beleg haben möchte?“ Antwort: „Der Beleg muss in jedem Fall auf Papier oder elektronisch (zum Beispiel PDF) erstellt und dem Kunden angeboten werden. Möchte der Kunde den Beleg nicht mitnehmen, kann dieser vernichtet werden.“ Nicht geklärt ist nach wie vor die Frage: Was genau macht den Unterschied zwischen einem vernichteten zuvor ausgedruckten Bon und einem nicht ausgedruckten Bon: Beide sind ja irgendwie physikalisch nicht existent. Irgendwie scheint es da ein Terrain zwischen Baum und Borke zu geben.
„Nur so dumm“
Was passiert, wenn (falls das überhaupt möglich ist) der Betreiber den „Geschäftsvorfall“ zwar erfasst, aber keine Rolle in die Kasse einsetzt, dann auf „Drucken“ geht und der Bon quasi nur virtuell entsteht? Was, wenn alle Betriebe – sagen wir im Kreise Kleve – „nur so dumm“ einen Container mieteten und ihn mit sämtlichen – sagen wir im Lauf einer Woche – pflichtgedruckten Bons, die aber niemand wollte, beladen und nur zum Zwecke des optischen Demonstration einer fragwürdigen Praxis den Container beim Finanzamt abliefern ließen?
Wir haben außerdem etwas über die präventive Wirkung erfahren, die sich hinter der Belegausgabepflicht verbirgt oder eben genau genommen nicht verbirgt: Als Ergänzung der bestehenden Prüfungsmaßnahmen kommt ihr insbesondere eine präventive Wirkung zu, da der Unternehmer nicht weiß, ob eine Überprüfung tatsächlich stattfindet. Es ist davon auszugehen, dass Verstöße künftig schneller und effektiver aufgedeckt werden können.
Überraschung
Merke: „… da der Unternehmer nicht weiß …“. Das erinnert an die „Starenkästen“ an unseren Straßen: Niemand weiß, welcher Apparat mit einer Kamera bestückt, also scharfgeschaltet ist. Man kann das nachvollziehen, aber muss nicht ohnehin jeder Unternehmer mit Steuerprüfungen nach dem Motto „ihr wisst weder Tag noch Stunde“ rechnen?
Und was – die Frage bleibt erhalten – macht bei dieser Prüfung den Unterschied zwischen einem Bon, der vernichtet wurde (den es also nicht mehr gibt) und einem, der nicht gedruckt wurde (den es also nie gegeben hat)?
P.S. Besuch im Café. „Na, haben Sie was rausgefunden?“ „Klar. Jede Menge. Ob Sie sich allerdings strafbar machen, wenn Sie den Bon, den ich nicht möchte, nicht ausdrucken und was eigentlich der Unterschied zwischen einem nicht ausgedruckten und einem weggeworfenen Bon ausmacht … ehrlich gesagt … Fürs Erste nehm ich mal einen Mokka.“