Manche Dinge sind so einleuchtend, dass ihr Fehlen – so paradox es klingen mag – nicht auffällt.
Premiere
„Das ist tatsächlich das erste Sommerlabor in der Geschichte von ArToll, das sich mit dem Thema Fotografie beschäftigt“, sagt Carla Gottwein, die für ArToll zum Rundgang eingeladen hat. „Und es ist – glaube ich – auch das erste Mal, dass wir zur Eröffnung einer Ausstellung einen fertigen Katalog anbieten können“, fügt Gottwein hinzu. Natürlich hat man im ArToll Kunstlabor schon Fotografie gesehen: na-tür-lich. Aber es ist das erste Mal, dass gleich eine ganze Fotoklasse „anrückt“. Vor Ort: Judith Samen, Professorin für Fotografie an der Kunsthochschule Mainz und ihre Studenten.
Helle Nächte & Wassereis
Was die 13 Kunstschaffenden während ihres Aufenthaltes im Kunstlabor produziert und inszeniert haben, wird ab Samstag, 17. August, 16 Uhr (Ausstellungseröffnung) und anschließend bis zum 1. September (jeweils samstags und sonntags zwischen 14 und 18 Uhr) unter dem Titel „Helle Nächte & Wassereis“ zu sehen sein.
Fotobestückte Wandstrecken? Eher nicht.
Und wer jetzt angesichts des Wortes Fotografie mit der Erwartung anreist, gerahmte Ästhetik zum Genießen vorzufinden, sollte sich darauf einstellen, dass es viel Großartiges aus dem Grenzbereich zu sehen gibt. Fotobestückte Wandstrecken – eher nicht.
Gegenüberstellungen
Natürlich: Menschen, die erstmals in die Räumlichkeiten des ArToll Kunstlabors kommen, sind immer fasziniert vom morbiden Charme dessen, was aus dem klinischen Alltag von einst zurückgeblieben ist. So findet verständlicherweise Kontaktaufnahme mit dem Vergangenen statt, aber die Spannung der Arbeiten entsteht durch die Gegenüberstellung. Da werden vermeintliche Kleinigkeiten wie die Struktur einer weißen Wand unversehens zum Mittelpunkt einer Arbeit, die sich auf die Spur von Licht und Schatten begibt (Lorenz Kerkhoff). Da wird das Außen zum Innen – Zitate aus der unmittelbaren Umgebung (eine Straßenlaterne) werden zu Taktgebern.
Wirkungen, Auswirkungen
Die Arbeiten: so vielschichtig wie tiefgründig. Da wird im besten Sinn viel inszeniert. Da geht es nicht ums Abfotografieren – es geht um das Sichtbarmachen von Wirkungen und Auswirkungen. Da entsteht ein großdimensionales Protokoll, das sich an den Grenzen des Fotografischen zu schaffen macht. Da werden Räume zu Darstellern. Da wird die Phantasie des Betrachters nicht angekettet – die entstandenen und inszenierten Situationen der Ausstellung haben vielmehr beflügelnde Wirkung. Das ist der Zauber des Kunstlabors: Immer denkt man, dass alle, die schon da waren, diese Räume komplett durchdrungen hätten – dass es nichts mehr zu entdecken gäbe – dass alles „weggesehen“ und also optisch abtransportiert wäre … und dann entsteht eine wiederneue Sichtweise auf Räume und Zeiten und Zusammenhänge. Bewusstseinserweiterung findet statt. Am Ende geht man: lächelndstaunend und … vom Gesehenen beschenkt.
Zu sehen sind Arbeiten von: Yawei Chen, Hannah Glaser, Mona Heß, Hetty Hollm, Rasaq Jurhat, Lorenz Kerkhoff, Laura De Luca, Mykyta Manuilov, Kora Riecken, Judith Samen, Daiaana Sergucheva, Laura Walker, Elisa Weikert.