Schreibkraft
Heiner Frost

Gruß aus der Küche

Das Menu hat 14 Gänge – es hängt ein bisschen von der Zählung ab – und ist trotzdem, von den Ei-Tempera einmal abgesehen, kalorienarm. „Gruß aus der Küche“ heißt die Ausstellung, die in der Kranenburger Galerie Ebbers am Sonntag eröffnet wird und vorwiegend neuere Arbeiten des in Kleve lebenden Malers Jürgen Paatz zeigt.
Paatz` Bilder leben von, aus, mit und in der Reduktion. Sie sind – je nach Lesart, Testate des Verschwindens oder Wiederauftauchens. „Irgendwann sagte ein Bekannter in Bezug auf meine Arbeiten: ‚Ich sehe nichts mehr‘“, erinnert sich Paatz. Er malte monochrom, was man – je nach Lesart – als die äußerste Grenzregion der Reduktion sehen und verstehen kann oder als die Explosion des Zentralen. Paatz jedenfalls dachte über den Satz nach und die Bilder änderten sich – begannen, wieder Details zu zeigen; kamen aus ihrem Versteck. Malen bedeutet bei Paatz am allerwengisten den Umgang mit Farbe und Pinsel. Genauer: Farbe – ja. Pinsel – eher nicht. „Ich bearbeite die Leinwand auch mit den Händen.“  Wenn einer Ei-Tempera zum Malen verwendet, ist Zeit das, was er nicht hat. Was da aufgetragen wird, trocknet schnell. Nein – einen Plan gebe es nicht beim Malen, wohl aber die Erfahrung der Jahre. Man kann das glauben. Man kann das so nehmen. Man kann es interpretieren: Einer wie Paatz muss nicht mehr konstruieren. Es konstruiert aus ihm. Mensch und Materie spielen das große Duett.
Materie – das ist die Farbe. Gruß aus der Küche ist eine eindrucksvolle Dokumentation feiner Zeichen auf der Leinwand. Manchmal wirkt Paatz‘ Malerei wie gezeichnet. Es liegt an den feinen Spuren, den Aufteilungen, dem Spiel mit dem Raum. Früher habe er, so Paatz, Bilder für einen Raum gedacht. „Gruß aus der Küche“ scheint das Ablegen dieser Fessel zu bedeuten. Was da zu sehen ist, ist nicht an den Raum gebunden, in dem es auftritt, was – nebenbei bemerkt – in einer Galerie auch eher kontraproduktiv wäre. („Sie können die Bilder gern kaufen, aber sie funktionieren nur in diesem Raum.“) Paatz’ Arbeiten haben Allgemeingültigkeit. Natürlich lässt sich für alles eine Schublade finden, aber Schubladen sind – bezieht man sie auf die Kunst – ideologische Gefängnisse und Empfindenserleichterungsmaschinen nach dem Motto: Die Schublade erspart das Nachdenken. Grüße aus der Küche, so Paatz, seien manchmal diese kulinarischen Kleinigkeiten, die den Appetit anregen sollen oder die Langeweile bis zum Hauptgang überbrücken. Die Arbeiten, die in der Galerie Ebbers zu sehen sind, haben keinen Vorspeisencharakter – sind nicht Vorspiel zum großen Fressen. Sie sind keine Langeweilevertreiber – sie sind das Eigentliche. Der Gruß aus der Küche ist die Küche selbst. Ab und an tragen die Bilder Spuren. Was dann wie ein Muster daherkommt, ist die Spur des Küchenkrepps, mit dem Paatz die Farbe aufbricht und den Farbraum nicht neu definiert, aber vielleicht seine Grenzen umdeutet. Paatz‘ Bilderwelt ist weder laut noch schrill, aber sie ist eindringlich und gibt bei jedem Hinsehen andere Spuren frei.
Nichts für den Holzfällergaumen. Paatz‘ ist einer, der den Gourmets eine Freude bereitet. Soll er ruhig sagen, er hätte keinen Plan – damit lässt sich leben. In der Kunst ist Leben Sehen. Keinen Plan zu haben ist allemal besser als keine Ahnung. Wer sich „Gruß aus der Küche“ anschaut, wird schnell merken, dass Ahnungslosigkeit hier nirgends zu finden ist. Da ist einer am Werk, der sich von den Zutaten inspirieren lässt und dem Duft der Farben folgt. Man freut sich auf den Nachschlag.