Schreibkraft
Heiner Frost

Mach mal laute Pulle

Der Tag endet um 17 Uhr. Am Grillplatz. Gegrillt wird nicht. Stattdessen gibt‘s Fingerhypnosenyoga und danach: Das Lied. Regina dirigiert das Orchester. Das Orchester kommt aus der Steckdose und ist eine Band. „Mach ma laute Pulle“, sagt einer von den Jungs. Es gibt noch einen. Und 22 Mädchen. Viereinhalb Tage haben sie Zeit. Dann geht‘s auf die Bühne: SOS  in Feuerland. Na dann.

… sturmerprobt

SOS Feuerland ist ein Musical. Für Kinder. Und: Gespielt von Kindern.Eine solche „Nummer“ in fünf Tagen (eigentlich sind‘s ja nur viereinhalb) einzustudieren, ist etwas, das mit dem Wort Herausforderung nur kümmerlich umschrieben werden kann. Die 24 Teilnehmer, die sich am Tag eins treffen, sind nicht das, was man eine eingespielte Truppe nennen würde. Das macht das Unternehmen Feuerland nicht eben einfacher. Immerhin: Mit Bernd, Regina und Stella sind drei Spiel- und Theaterpädagogen am Start, die mit derlei Situationen reichlich Erfahrung haben. SOS in Feuerland ist zudem ein „sturmerprobtes“ Stück, das seit X Jahren gespielt wird. Bernd ist von Anfang an dabei. Das hilft. Für die Aufführung werden gebraucht: Ein Chor und lauter Hauptrollen, denn: Nebenrolle klingt irgendwie unbefriedigend. Natürlich: Theater macht Spaß.Aber es ist auch mit Arbeit verbunden. Stella, Regina und Bernd haben Feuerland-Bücher mitgebracht. Da steht alles drin: Die Texte und Songs des Stückes, aber auch jede Menge zu Konzept und Kostümen – das Kleingedruckte gewissermaßen.

Ökumene am Herd

Gespielt wird täglich von 10 bis 17 Uhr.Zwischendurch wird gegessen. Hanni und Steffi kochen.Die beiden sind eigentlich Jugendleiterinnen. Beide in
Haldern. Hanni arbeitet für den Papst, Steffi für die andere Firma. Ökumene auf der Bühne also. Und: Am Herd. „Wenn die Kinder abends nach Hause gehen, sind die ziemlich fertig“, sagt Steffi. Also doch Arbeit. Apropos Arbeit: Außer Regina, Stella, Bernd, Hanni und Steffi sind noch fünf
Betreuerinnen mit dabei. Zu tun gibt es reichlich am Rande eines Musicals.

Zusammen arbeiten

Langsam aber sicher wächst das Stück zusammen. Meist wird in drei Gruppen parallel geprobt.Anders wär‘s wohl auch nicht zu schaffen, denn so viel
steht fest: Donnerstag um 16 Uhr ist Showtime. Erst im Endspiel wird das Training sichtbar. Und worum geht‘s? Natürlich geht es um das Anders-Sein, um das Zusammenleben, um zwei Cliquen, die gegeneinander antreten – kurz: Um das wirkliche Leben. Ist doch klar, dass es nicht nur um das Theater geht. Es geht um die Reproduktion der eigenen Welt mit anderen Mitteln. Erst wenn das Normale theatralisch wird, sieht man es mit dem nötigen Abstand. Das ist der Trick bei Feuerland. Ein guter Trick. Und irgendwie ist ja doch der Weg das Ziel:Auch Theater geht nur, wenn alle zusammen arbeiten und: zusammenarbeiten. Am Ende werden auch die Helfer integriert und sorgen für die Beleuchtung. Keiner ist alleine ein Star. Erfolg – das sind immer auch die anderen.

Playback – Payback

Jeder Tag endet – siehe oben – mit dem Feuerlandlied. Aus dem Blaster spritzt das Halbplayback, und die drei von der Musicalstelle bringen  Animation dazu. Halbplayback kommt aus der Steckdose, Payback gibt‘s am Finaltag. Von Tag eins an verkauft Steffi Karten. „Kommen unsere Eltern da nicht umsonst rein?“, fragt eines der Mädchen? Nö. Kommen sie nicht. Immerhin geht alles andere auf‘s Haus. Die Kinder müssen nichts
bezahlen. Es gibt Unterstützung vom Kreisjugendamt. Am Finaltag gibt‘s die Generalprobe: Jetzt findet erstmals Endmontage statt.„Ich wünsche uns allen eine tolle Probe“, sagt der Bernd und fügt hinzu:„Was jetzt danebengeht, klappt später in der Aufführung.“ Na das ist doch mal beruhigend.
Die Generalprobe lässt in der Tat den einen oder anderen Wunsch offen. Es gibt „Stellungsprobleme“, und ab und an hakt es beim Text, ein Song wird
vergessen („Wir spulen mal eben zurück“), und das Ganze wirkt noch einen Tick unterzuckert. Aber Bernd hat ja gesagt, dass bei der Aufführung alles in Ordnung kommt.

Lecker warm

Apropos kommen: Es kommen 150 Zuschauer. Der “große Sendesaal“ im katholischen Jugendheim platzt aus allen Nähten. Alle Fenster zu. Alle Vorhänge zugezogen. Draußen ein Sommerhitzetag mitten im Frühling. Mit anderen Worten: Lecker warm. Aber: Macht nix. Nach dem Playback kommt das Payback. Schließlich ist Applaus des Künstlers Brot. Und Applaus gibt es reichlich. 24 Kinder schreiben Musicalgeschichte und gehen – nebst Fanclub – stolz nach Hause.