Schreibkraft
Heiner Frost

Inside Kurhaus oder: Lachmalwieder

Man hat sich an das Sommertagsaugenzwinkern im Kurhaus gewöhnt. Man weiß, dass der Weg sich lohnt. Und eines ist mal sicher: Daran hat sich nichts geändert. Wenn „Inside Intensity – The Anniversary Show“ heute abend „auf Sendung geht“, dann ist, wer beim Durchstöbern der Ausstellung nicht mindestens einmal lacht (lachen – nicht lächeln) wahrscheinlich an einer Griesgrämi a maxima (Schwere Griesgrämie) erkrankt. Zehn Räume, zehn Künstler, zehn Ansätze, die Welt und den Wahnsinn zu betrachten.

Pablo Helguera ist Chef der Bildungsabteilung des MoMA (nein, es handelt sich nicht um das Morgenmagazin im Ersten – die Rede ist vom Museum of Modern Art.) Dass dort offensichlicht auch gelacht werden darf, zeigen Helgueras Kunst-Cartoons. (Oder ist der Mann vielleicht wegen groben Unfugs längst entlassen?) Helguera ist einer, der das Kunstbusiness mit einem zynischen Lächeln bis auf die Knochen seziert. Für‘s Kurhaus hat der Mann nicht einfach Cartoons geschickt – er hat sich auch mit dem Phänomen Beuys befasst. Enstanden ist ein waldliches Stillleben: Zwei Verzweifelte klammern sich in zweidrei Metern Höhe in Panik an einen Baumstamm. Unten kleffen zwei Kojoten. „What would Joseph Beuys do?“ fragt die Punchline.

Helgueras Globus der Kunstwelt hat seine ureigenen Kontinente, Ozeane und Landstriche. Wie wär’s mit einem Urlaub in Biennalistan? Für die Reise nach Gallerovia wird kein Visum gebraucht – man muss es nur über die Sea of Beuys schaffen, wo – wer wüsste das nicht – bisweilen die Wellen hoch schlagen. Und jenseits der Sea of Warhol gelangt man ins gelobte Land Auctionistan. Helgueras Comics werden zu Begleitern durch die Ausstellung und wirken wie die Aufforderung, alles vielleicht nicht nur ernst zu nehmen. Andererseits muss, wer so entlarvend tätig wird, eine Menge Kenntnisse über das Innenleben einer Maschinerie mitbringen, die sich Kunstmarkt nennt. Helgueras kennt sich aus mit den Einsam- und Eitelkeiten, mit dem Geschwätz und den Inhalten. Wer in der Ausstellung unterwegs ist und aus den Tiefen des Museums lautes Gelächter hört, darf sicher sein, dass es sich um keine Performance handelt, sondern um infizierte Besucher. Leider gibt es das Helguera-Virus nicht zum Mitnehmen. Natürlich ist nicht alles bei Inside Intensity lachfördernd. Vor manchem wird auch gewarnt: „Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, die Arbeiten von Marcel Dzama zeigen sexuelle Handlungen, die für Kinder und Jugendliche nicht geeignet sind. Wir bitten dies beim Gang durch die Ausstellung zu beachten.“ Nicht gewarnt werden muss vor der Arbeit von Via Lewandowsky: Ein Raum – eine Leuchtschrift – ein Wort: „Geist“. Die Erklärung wird geliefert: „Von den mannshohen Lettern des Wortes GEIST, die metaphysisch einen halbdunklen Raum erleuchten, wird kaum ein Betrachter ahnen, dass sie ursprünglich dem Schriftzug „Der Sozialismus siegt“ entstammen, der in teleologischer (das Wort mal nachschlagen) Verheißung manch reale Tristesse illuminierte“, heißt es im Begleittext und es wird erahnbar, wo die Tristesse geografisch zu verorten war. Via Lewandowsky wählte den „Sieg“ und stellte die Buchstaben um: Geist.


Inside Intensity ist eine der Ausstellung, die nicht nur Lust auf das Hinsehen macht, sondern auch das Denken antreibt. Fast schwebt man durchs Museum und bekommt Lust auf Kaffee und ein Schwätzchen. Man möchte ein paar Leute anrufen und sagen: „Kommt vorbei. Lasst uns ein bisschen Spaß haben, im Museum.“ „Im Museum???“ „Ja. Im Museum.“ Die Künstler der Ausstellung: Trisha Baga, Anne-Lise Coste, Marcel Dzama, Peter Friedl, Pablo Helguera, Via Lewandowsky, Klara Lidén, Magali Reus, Sterling Ruby, Ulla von Brandenburg. Zu sehen ist „Inside Intensity – The Anniversary Show“ noch bis zum 10. September. Warum eigentlich Anniversary? Ganz einfach: Das mkk feiert sein 20-jähriges Bestehen.

Nachtrag

Blöd ist das schon! Da wird im Kurhaus eine sehenswerte Ausstellung eröffnet und eine halbe Stunde später im Kino (quasi um die Ecke) „Beuys“ gezeigt, und der Regisseur ist eigens dafür angereist. Kultourtagswahnsinn. Aber was soll‘s. Wir sind nicht zum Klagen gekommen. Ganz im Gegenteil. Einer geht noch, oder? Liegt ein Künstler auf der Psychiatercouch: „Ich bin ein Künstler – ist stelle ständig Fragen. (Versenkt.)

Pablo Helguera