Schreibkraft
Heiner Frost

Follow your dreams – Träume belichten

Fotos: Rüdiger Dehnen

Von den Träumem der Nacht bleibt oft nicht mehr als ein Hauch der Erinnerung. Träume sind flüchtig und was von ihnen bleibt, hängt davon ab, wie sie mitgeteilt werden. Kann man Träume fotografieren? Vielleicht.


Alles begann mit einer weißen Wand – draufgepappt ein paar Fotos. Dazu ein Schriftzug: „Follow your dreams.“ Die Wand stand in den Räumen des Theater im Fluss in Kleve – nur ein Requisit, um den Raum zu teilen. Auch die Fantasie ist ein Raum. Manchmal sind Träume bildgewordenes Wünschen und wenn Träume Wünsche sind, kann man sie illustrieren. Was dann entsteht, können Fotos, in diesem Fall Fotos von Jugendlichen sein, die sich in ihre Wünsche begeben haben. Wer möchten sie sein? Was? Und wie? „Follow your dreams“ heißt eine Ausstellung, die ab Mittwoch, 7. September in der VHS in Kleve zu sehen ist. Alle „Darsteller“ (Jugendliche im Alter zwischen zehn und 14 Jahren) sind vor einem schwarzen Hintergrund zu sehen. Aufgenommen wurden die Bilder in den Räumen des Theater im Fluss. Der Fotograf: Rüdiger Dehnen. Vier Termine hat es gegeben – jeder Termin dauerte rund drei Stunden. Am Ende jedes Termins: Circa 400 Aufnahmen. Dann: Sichten, Bearbeiten, Aussuchen. Harald Kleinecke vom Theater im Fluss: „Wir haben anschließend die Bilder den Jugendlichen gezeigt und sie haben die Auswahl getroffen.“
Eine Ausstellung zu hängen ist nicht eben einfach. Es gilt, einen Rhythmus zu finden – eine Dramaturgie. Mit anderen Mitteln wiederholt sich, was schon beim Fotografieren passierte: Inszenierung. Harald Kleinecke: „Wir haben den Jugendlichen unseren Requisitenfundus zur Verfügung gestellt. Jeder konnte sich selbst inszenieren. Es gab keine Vorgaben unsererseits.“ Alle Jugendlichen haben sich in eine Rolle begeben: Entstanden sind am Ende nicht Traumbilder, sondern intensive Portraits – Studien, die einen Augenblick belichten und dabei viel mehr sind als Momentaufnahmen.
Rüdiger Dehnen ist einer, der sich mit Menschenbildern auskennt. Im wahren Leben ist er Fotojournalist – für die Niederrhein Nachrichten. Dehnen hat gelernt, mit Gesichtern Geschichten zu erzählen. Falsch: Er lässt die Gesichter erzählen. Für ein gutes Foto braucht es den richtigen Blick. Der ist durch eine teure Kamera nicht zu ersetzen – er ist das Ergebnis von Erfahrung. Rüdiger Dehnen: „Es ist verrückt: Die Alltagsarbeit ist die Pflicht – ein solches Projekt ist die Kür.“ Genau besehen ist „Follow your dreams“ irgendwie beides, denn den Portraits merkt man trotz der Inszenierung das Normale an. Und der Fotograf merkt, wie die Requisite den Menschen ändert. „Da nimmt jemand etwas in die Hand oder zieht sich was an und gleich tritt diese Veränderung ein, die unglaublich spannend ist.“ Die Portraits von „Follow your dreams“ wirken trotz der Inszenierung nicht gestelzt, nicht gekünstelt, nicht hergestellt. Eben das macht sie so spannend. Man sieht keinen Eingriff, aber man spürt das Auge des Fotografen – das Gespür für den einen Moment, der sich von allen anderen unterscheidet. Am Ende lässt sich das Bild nicht mehr von der Darstellung trennen – die Aussage nicht von der Stimmung, das Was nicht vom Wie. Die große Kunst der Portraits besteht für den Fotografen darin, auf konstruktive Art im Bild zu verschwinden – einfach nicht da zu sein.
Die Portraitierten: Darsteller im eigenen Leben – manche mit Tiefgang, manche mit Witz und alle dem Wünschen auf der Spur und den Zukünften, denn sicher ist: Es wartet nicht nur eine Zukunft, nichts, das konfektioniert bereit steht. Wünsche muss man anprobieren wie der Schauspieler ein Kostüm. Man muss sie aushalten. Anpassen. Was da bis Ende Oktober in den Räumen der VHS wartet, ist großes Hinsehen. Irgendwann in 30 Jahren oder mehr können alle, die auf den Portraits zu sehen sind, in den Rückspiegel schauen und das Passierte mit dem Erwarteten vergleichen. Man wünschte sich ein Projekt, bei dem eine ganze Stadt portraitiert wird: Alle vor einer schwarzen Wand – alle zu Gast im eigenen Wünschen, im eigenen Leben. „Follow your dreams“ ist – irgendwie hinter dem eigenen Rücken – das Protrait einer Generation und wem das zu gewaltig klingt, für den bleiben einfach schöne Bilder. Das Projekt entstand im Rahmen des NRW-Landesprogramm „Kulturrucksack“. Teilgenommen habe Jugendliche vom Jugendzentrum Effa, vom Robinsonspielplatz, vom Café Hope und vom Theater im Fluss (alle in Kleve).

Fotos: Rüdiger Dehnen

Fotos: Rüdiger Dehnen