11. 45 Uhr, Saal A1, Amtsgericht Kleve. Es ist der Mittwoch vor Altweiber. Aufgerufen: Eine Diebstahlssache. Verhandelt wird gegen Herrn Z.. „In der Strafsache Z. die Beteiligten bitte eintreten.“
Kann vorkommen
Im Saal: Eine Zuhörerin, der Staatsanwalt, die Verteidigerin, die Protokollführerin, der Vorsitzende und ein Berichterstatter: ich.
Nach dem Aufruf des Vorsitzenden tut sich … nichts. Kein Angeklagter erscheint. Kann schon mal vorkommen. Manchmal ist die Parkplatzsituation „angespannt“. Der Angeklagte wohnt, glaubt man den Unterhaltungen der Prozessbeteiligten zu entnehmen, irgendwie gleich ums Eck. Da wird er, denkt man, keinen Parkplatz brauchen.
Countdown
Die Uhr tickt. 15 Minuten bleiben Herrn Z., um den Verhandlungssaal zu erreichen. Zeit für Smalltalk. Man habe, sagt einer der Beteiligten, eine Mitteilung erhalten, derzufolge die Altweiberfeier, die sonst im Hof der Burg stattfindet und sich unglaublicher Beliebtheit erfreut, abgesagt ist. Das ist ein harter Schlag. Ein Kollege werde sich nun, auch das erfährt man aus der Unterhaltung, morgen Richtung Köln aufmachen. (Watt mott, datt mott.)
Scherze
Natürlich wird gescherzt: unter anderem über Karneval und C2H6. Das Ethanol (IUPAC) oder der Ethylalkohol, auch Äthanol oder Äthylalkohol, gemeinsprachlich auch (gewöhnlicher) Alkohol genannt, ist ein aliphatischer, einwertiger Alkohol mit der Summenformel C2H6O. Die reine Substanz ist eine bei Raumtemperatur farblose, leicht entzündliche Flüssigkeit mit einem brennenden Geschmack und einem charakteristischen, würzigen (süßlichen) Geruch. Die als Lebergift eingestufte Droge wird bei der Herstellung von Genussmitteln und alkoholischen Getränken wie Wein, Bier und Spirituosen aus kohlenhydrathaltigem Material durch eine von Hefen ausgelöste Gärung in großem Maßstab produziert. (Sagt Wikipedia.) Alkohol, heißt es im Saal, habe doch desinfizierende Wirkung. Also eigentlich ein guter Wirkstoff: Corona einerseits, brauchtumsbedingt Menschenballungen andererseits. Das leuchtet ein.
Ursprungsthesen
Auch über den Ursprung des Cocktails wird referiert. Das Wort Malariaprophylaxe fällt, ohne ausgesprochen zu werden. „Der Gin Tonic kommt wahrscheinlich aus dem British Empire, als in Indien zum Schutz vor Malaria das chininhaltige, damals sehr bittere Indian Tonic Water getrunken wurde, welches zugefügter Gin geschmacklich verbesserte.“ Wiki sei Dank. Eine weitere Cocktailquelle: Cocktailgeschichte.
Hatte ich eigentlich …
Immerhin: Allein Gespräche über den Alkohol scheinen wirkhaft zu sein: „Hatte ich eigentlich schon die Beteiligten aufgerufen?“, fragt der Vorsitzende. Er hatte. Kaum vier Minuten ist das her. Vielleicht noch ein Maskengespräch. In Coronazeiten, heißt es, seien wir ja alle maskiert. Die Frage wird erörtert, ob man „als Virus gehen“ können. Mit Sicherheit. So etwas müsse es doch geben. Und wenn nicht: Karnevalsjünger hätten Zeit genug gehabt, sich selbst ein Viruskostüm zu basteln.
Z. und Z.
Die Zeit des Herrn Z. ist abgelaufen. Ein letzter Aufruf an die Beteiligten in der Sache Z.. Und siehe da: Die Tür öffnet sich. Herein spaziert: Herr Z.. Einen kleinen Haken hat die Sache: Es ist nicht der Herr Z. – es ist ein anderer. Zwei Verfahren hintereinander: identische Hausnamen bei den Angeklagten. Das Kleingedruckte sagt: unterschiedliche Vornamen. So kann‘s gehen. Herr Z.2 soll, bitte schön, nicht draußen warten. Er wird dann aufgerufen. Und was wird aus Z.1? Der Staatsanwalt beantragt – der Angeklagte scheint unter Bewährung zu stehen – einen Haftbefehl. Die Verteidigung denkt eher an eine polizeiliche Vorführung. Der Vorsitzende entscheidet sich für den Haftbefehl. Dass einer unter laufender Bewährung steht, dass es um den Verlust derselben gehen kann, dass einer trotzdem nicht erscheint – kein vertrauensbildendes Verhalten. Beschlossen und verkündet.
§ 230 StPO
Strafprozessordnung, Paragraph 230 – Ausbleiben des Angeklagten: „Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt. Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.“ Man sieht sich.